Antrag auf Einführung von Wertungskriterien für Ausschreibungen von Dienstleistungen, Planungs- und Bauverträgen


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 14.11.2023

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Nicht sichtbar
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 14.11.2023 ö beschließend 3

Vorgang

In der Sitzung des Gemeinderates am 23.05.2023 stellte Gemeinderat Sven Kluba einen Antrag, Kriterien für künftige Ausschreibungen aufzustellen.
Die Verwaltung gab hierzu in der Sitzung vom 27. Juni 2023 folgenden Zwischenbericht:

Vergabeverfahren im öffentlichen Bereich unterliegen rechtlichen Rahmenbedingungen. Es wurden EU-Schwellenwerte eingeführt, welche die Vergaberichtlinien vorgeben.
Ab erreichen bzw. überschreiten der Schwellenwerte sind die EU-Vergaberichtlinien einschlägig.
Darunter das Haushaltsrecht des Freistaates Bayern.
Die EU-Vergaberichtlinien schreiben das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vor. Auf Grundlage des GWB wurden Verordnungen erlassen. Übergeordnet gilt die Vergabeverordnung (VgV). Zusätzlich bei Bauleistungen ist die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) zu beachten.

Nach diesen Vergabevorschriften arbeitet die Bauverwaltung.

Der Antrag von Gemeinderat Kluba zielt darauf ab, Zuschlagskriterien zu definieren, so dass nicht nur alleine der Preis darüber entscheidet, wer den Zuschlag erhält.

Dort, wo aus Sicht der Bauverwaltung sinnvoll, wird dieses Verfahren bereits mittels einer Bewertungsmatrix angewendet.
In manchen Fällen sind einzelne Leistungskomponenten so wichtig, dass sie zur Bewertung hinzugezogen werden. Aktuell wurde dies anhand der Vergabe von Planerleistungen für den Neubau des Kindergartens/Kinderkrippe durchgeführt. Hier ist auch der Schwellenwert (z.Zt. 214.000 EUR) überschritten. Das macht es durchaus komplizierter, die einzelnen Angebote miteinander zu vergleichen und eine korrekte Bewertung vorzunehmen.

Die Ausschreibung und Vergabe der Planer- und Architektenleistungen für den geplanten Kindergarten/Kinderkrippe sind entsprechend einem Leitfaden der Vergabeverordnung (VgV), durch die Bauverwaltung erfolgt. Wesentlicher Inhalt des Leitfadens ist auch eine Bewertungsmatrix. 
Die Verwaltung zeigt beispielhaft einige Auszüge aus dem o.g. Vergabeverfahren.

Die rechtlichen Anforderungen, gerade und auch bei europaweiter Ausschreibung, sind derart komplex, dass die Verwaltung hier unterstützend auf ein Fachbüro zurückgreift.

Inwieweit eine Bewertungsmatrix (über die ohnehin durch die VOB vorgegebenen Ausschreibungskriterien) bei normalen Hochbauausschreibungen (wie z.B. Austausch von Fenstern) oder Tiefbaumaßnahmen (wie z.B. Straßensanierung) sinnvoll eingesetzt werden kann, drängt sich nicht auf. Haushaltsrechtlich ist regelmäßig an den wirtschaftlichsten Anbieter zu vergeben.
Bei Wartungsverträgen beispielsweise wählt die Bauverwaltung ohnehin Anbieter zur Angebotsabfrage aus, welche zeitnah vor Ort sein können.
In diesen Bereichen handelt es sich um eine Leistung, deren Gegenstand eine Aufgabe ist, deren Lösung vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann. Einzelne Kriterien werden hier als Mindestanforderung definiert. Wird dieses nicht erfüllt, führt dies zum Ausschluss vom Vergabeverfahren. 
Anders stellt es sich die aktuelle Verwaltungspraxis wie dargelegt bei Planerleistungen da.
Hinzu kommt, dass die Planerleistungen häufig vom eigenen Rathauspersonal geleistet werden und sich die Frage somit nicht stellt.

Festzustellen ist aber auch, dass die Vergabepraxis der Bauverwaltung bei der überörtlichen technischen Prüfung durch den kommunalen Prüfungsverband diesbezüglich zu keiner Beanstandung oder Hinweis geführt hat.

Um jedoch seinerzeit (also zur Sitzung am 27.06.2023) noch bestehende Unsicherheiten auszuräumen, hat die Verwaltung um juristische Auskunft und Empfehlung gebeten. Sobald das Ergebnis vorliegt, wollte die Verwaltung unaufgefordert berichten. 
Dies ist zwischenzeitlich erfolgt. Daher wird der Antrag nun zur Entscheidung vorgelegt.

Folgende Stellen wurden um Beratung gebeten:
a) Anwaltskanzlei Messerschmidt
b) Vergabebüro Winkelmann
c) Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband, Herr Michael Sauter

Vom Antragsteller wurde noch angeregt, Erkundigungen beim Landratsamt Berchtesgadener Land einzuholen. Hier hat sich aber herausgestellt, dass dort die geforderte Wertungsmatrix nicht angewandt wird.

Zu a)
Auszugsweise:
Das Vergaberecht spricht vom „wirtschaftlichsten Angebot“, auf welches der Zuschlag zu erteilen ist. Dadurch wird ausgedrückt, dass dies nicht immer zwangsläufig das preisgünstigste Angebot sein muss. Das bedeutet allerdings nicht – insbesondere für Bauaufträge –, dass neben dem Preis zwingend weitere Kriterien aufgestellt werden müssten. Vielmehr ist nicht nur zulässig, sondern nach meinem Eindruck auch gängige Praxis, bei Bauaufträgen im Regelfall den Preis als alleiniges Wertungskriterium vorzugeben.

Zulässig wäre allerdings auch, neben dem Preis weitere Wertungskriterien aufzustellen. Diese dürfen jedoch nicht etwa beliebig gewählt werden, sondern müssen auftragsbezogen, also insbesondere diskriminierungsfrei, willkürfrei und sachgemäß sein. Daneben muss aber immer auch noch der Preis als wesentliches Wertungskriterium Berücksichtigung finden.

Eine pauschale Aussage, welche weiteren Wertungskriterien – neben dem Preis – zulässig sind, ist daher nicht möglich. Es kommt vielmehr auf den konkreten Vergabefall an. Im Übrigen müssten die Wertungskriterien und ihre Gewichtung (sogenannte Wertungsmatrix) bereits in den Vergabeunterlagen transparent dargestellt werden.

Zu b)
Es macht keinen Sinn, „Alibikriterien“ einzuführen. Beispielsweise Ausführungsfristen sind ohnehin vorgegeben. Im Bauwesen werden Wertungskriterien ihrer Erfahrung nach so gut wie nie angewandt. Frau Winkelman sieht die Gefahr, dass bei Einführung von Wertungskriterien die örtlichen Anbieter schnell außen vor sind, denn diese „tun sich das in der Regel aufgrund des großen zusätzlichen Aufwandes nicht an“. Für örtliche Firmen wäre dies abschreckend. Beispielsweise einen Baubetriebsablaufplan werden wir erst bekommen, wenn eine Firma den Zuschlag erhält. Wir laufen Gefahr, dass dann nur noch Konzerne anbieten können. Daher stellt sich die Frage, wie sinnhaftig dies wäre. Die Ausschreibung wird aufwändiger. Der Bieter wird teuerer.
Zudem ist die Frage, ob die Angaben dann letztlich tatsächlich eintreten oder nicht.
Es sei kaum möglich, die Wertung rechtssicher und korrekt vorzunehmen. 

Zu c)
Die Ausführungen aus der Gemeinderatssitzung vom 27.06.2023 sind gut und korrekt zusammengefasst. Bei Vergaben von Planungsaufträgen handelt die Gemeinde richtig, weil die Wertungsmatrix zur Anwendung kommt. Bei Ausschreibungen als solches wird die abgefragte Leistung auf Grundlage der Planung erschöpfend be- und ausgeschrieben. Grundlage bildet die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis. „Wertungskriterien machen dann keinen Sinn“. 
Bei EU-Ausschreibungen nach VOB-Teil A EU § 7 d ist eine Wertungsmatrix möglich. Dies sollte aber nur die Ausnahme sein. Diese Ausschreibung kostet sehr viel Zeit und Energie. Wir wollen aber Mittelstandsförderung, damit die „Kleinen“ auch mitkommen. Der „Kleinere“ gibt sonst nicht ab. Zitat: „wollen Sie Konzerne oder den örtlichen Mittelstand fördern?“ Wertungskriterien könnten sein Qualität einschl. technischer Werte. „Dies ist aber wachsweich und angreifbar, ein Konstrukt, das keinen Sinn macht“.

Am Rande der vergangenen Bauausschusssitzung teilte der Antragsteller der Verwaltung mit, dass der Antrag nicht auf kleinere Bauaufträge wie Fensteraustausch o.ä. abzielt, sondern nur auf „größere Brocken“. 
Hier ist jedoch wie aus den oben dargelegten Expertenmeinungen ersichtlich ist zu befürchten, dass örtliche Unternehmen nicht abgeben werden.

Beratung

GR Josef Ramstätter spricht das Problem an, dass immer wieder Firmen den Auftrag erhalten, die bereits keine gute Arbeit in der Vergangenheit geleistet haben. Es wird erklärt, dass das nichts mit den Wertungskriterien zu tun hat. Thomas Läpple berichtet, dass die Zuverlässigkeit schwer auszuschließen ist. Die Ausschlussgründe sind in der VOB aufgelistet. Es müssen schwere Verfehlungen vorliegen. Rechtlich sind diese wachsweich formuliert, so dass immer ein Gericht entscheiden muss. Dann erfolgt aber die Vergabe 1-2 Jahre später. Letztendlich hängt die Abarbeitung der Baustelle an dem Polier der vor Ort ist. 

Beschluss

Der Gemeinderat stimmt dem vorliegenden Antrag vom 23.05.2023 zu.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 3, Dagegen: 13

Datenstand vom 19.12.2023 19:17 Uhr