Der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbandes Südostoberbayern hat in seiner Sitzung am 10.11.2021 die Einleitung des Beteiligungsverfahrens zur 15. Teilfortschreibung ”Kapitel B II: Siedlungswesen" beschlossen.
Bis zum Ende der Beteiligungsfrist am 11. März 2022 besteht Gelegenheit, sich schriftlich oder elektronisch zu den im Rahmen der Teilfortschreibung vorgesehenen Änderungen gegenüber dem Regionalen Planungsverband Südostoberbayern, Bahnhofstraße 38, 84503 Altötting, zu äußern.
Die Verwaltung hat die ausliegenden Unterlagen den Gremiumsmitgliedern per Internet zur Verfügung gestellt:
Der Änderungsbegründung ist zu entnehmen:
Eine Neufassung der Festlegungen ist u.a. notwendig, da mit In-Kraft-Treten des Bayerischen Landesplanungsgesetzes (BayLplG) vom 25. Juni 2012 (GVBl S. 254, BayRS 230-1-W, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2020 (GVBl. S. 675)), die gesetzliche Vorgabe, regionalplanerische Zielfestlegungen als „Soll-Ziele“ zu formulieren, entfällt. Zudem stammen die Festlegungen aus dem Zeitraum der Jahrtausendwende und bedürfen einer inhaltlichen Aktualisierung. Das neugefasste Kapitel Siedlungsentwicklung baut auf den bisherigen Festlegungen auf, aktualisiert und ergänzt diese um aktuelle Aspekte wie Demografischer Wandel, insbesondere mit Blick auf eine alternde Regionsbevölkerung, und Klimawandel. Zudem werden die Aspekte der Ressourceneffizienz und des Flächensparens, der bedarfsgerechten Ausweisung von Siedlungsgebieten, der Innenentwicklung und die Verknüpfung der Siedlungsentwicklung mit der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere dem ÖPNV, sowie die strategische Siedlungsentwicklung als Grundlage einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung stärker in den Fokus gerückt. Auch einzelne bisherige Inhalte wie zum Städtebund Inn-Salzach haben sich überholt bzw. können nicht mehr als Grundlage für Festlegungen herangezogen werden. Auch wurde seither das LEP mehrfach geändert, der Regionalplan ist daher an die LEP-Änderungen, wie den Wegfall der Entwicklungsachsen, anzupassen.
Entsprechend des Leitbildes des Entwurfes zur 15. Teilfortschreibung (siehe hier Nummer 1) als Grundsatz (G) soll sich in der Region Südostoberbayern die polyzentrale Siedlungsstruktur nachhaltig gemäß dem Maßstab einer Region der kurzen Wege und unter Bewahrung der charakteristischen Siedlungsstruktur und der baulichen Tradition der regionalen Teilräume entwickeln und hiermit zugleich eine Nachhaltigkeit durch ressourceneffiziente (siehe Nummer 2) sowie durch schwerpunktmäßige Grundsätze und Ziele in der Siedlungsentwicklung (siehe Nummer 3) erreichen.
Die Leitidee einer polyzentralen Siedlungsstruktur für die Region Südostoberbayern durch die 15. Teilfortschreibung ist für die Gemeinde Ainring im Grunde nachvollziehbar, dennoch sind die Konsequenzen für kleinere Kommunen, durch die gesetzten ressourceneffizienten und schwerpunktmäßigen Grundsätze und Ziele gravierend.
Aus diesem Grunde reicht die Gemeinde Ainring als Verbandsmitglied diese Stellungnahme zur 15. Teilfortschreibung fristgerecht ein.
Die Gemeinde Ainring bittet, die 15. Teilfortschreibung noch einmal im Sinne der nachfolgenden Darstellungen zu überdenken und zu ändern.
Zu befürchten ist nach Auffassung der Gemeinde Ainring, dass der ländliche Raum in der Praxis zu Gunsten der zentralen Orte mangels Entwicklungsmöglichkeiten zurückfällt.
Bei diesen Überlegungen sollte auch und insbesondere die verfassungsrechtlich den Gemeinden überantwortete Aufgabe der Ausübung der kommunalen Planungshoheit nicht unberücksichtigt bleiben.
Die Gemeinde Ainring ist im LEP Bayern aktuell als Verdichtungsraum festgelegt und die Festlegungen zur Mobilität erscheinen -zumindest für Teile des Gemeindegebietes- nach den derzeit vorliegenden Informationen überwindbar, wobei sich die konkrete Auslegung erst in kommenden Bauleitplanungen zeigen wird.
Doch schon jetzt bestehen insbesondere bei wohnbaulichen und gewerblichen Entwicklungen schier unüberwindbare Hürden was den Bedarfsnachweis und die übrigen landes- und regionalplanerischen Anforderungen anbelangt.
Und hier wird mit der aktuellen Fortschreibung noch einmal ein spürbar strengerer Maßstab angelegt (vgl. beispielsweise 1.2 G, 2.2.1 Z, 3.2 G).
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Gemeinde Ainring steht voll hinter den Zielen Flächensparen, Innen- vor Außenentwicklung, Klimaschutz, Entwicklung vorrangig an den Hauptorten etc.
In diesem Sinne werden enorme Anstrengungen unternommen, um den Bedarfsnachweis ordnungsgemäß zu führen. Nicht nur, dass die Gemeinde unter hohem finanziellen Aufwand ein Brachflächen- und Baulückenkataster aufgebaut und mit einer Aktivierungsstrategie hinterlegt hat. Es werden sich auch differenzierte weitergehende Gedanken gemacht wie die benötigten Wohnflächen bereitgestellt werden können. Beispielhaft erwähnt werden darf in diesem Zusammenhang der Aufbau eines ausgeklügelten gemeindeweiten Konzeptes zum betreuten Wohnen. Die Hoffnung ist, dass -sofern die Bürger in ihrer gewohnten Umgebung weiterhin wohnen können- diese tatsächlich das Angebot des betreuten Wohnens annehmen und dafür aber ihre derzeitigen Wohnräume oder Häuser frei machen um beispielsweise Familien den Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Ebenso unternimmt die Gemeinde Ainring enorme Anstrengungen um Zug um Zug Innenverdichtungsbebauungspläne aufzustellen. Für weite Teile von Mitterfelden oder z.B. für Perach und Thundorf ist dies schon erfolgreich gelungen. Für weitere Ortsteile, wie z.B. Feldkirchen liegen bereits Aufstellungsbeschlüsse und Planungsaufträge vor.
Ebenso wurde aktuell die Zweitwohnungssteuer eingeführt mit dem Ziel, ungenützten oder nur zeitweise genützten Wohnraum für Familien zu aktivieren.
Und trotz all dieser Bemühungen ist bereits heute klar, dass der Bedarf nicht gedeckt werden kann über reine Innenverdichtungsmaßnahmen und auch nicht -mangels Flächenverfügbarkeit- nur um die Hauptorte herum.
Diese Aussage fußt auf wissenschaftlichen Grundlagen, welche die Gemeinde ebenfalls bereits ermittelt hat mittels einer Sozialraumanalyse des Büros DEMOSPLAN, Herr Dr. Tekles.
Das Ergebnis ist nicht nur eindeutig, sondern erschreckend klar:
Wenn die Gemeinde Ainring die Siedlungsentwicklung qualifiziert auf die Bevölkerungsentwicklung abstimmen möchte und dabei keine gravierenden Rückschritte in mehrfacher Hinsicht in Kauf nehmen möchte, ist eine Siedlungsentwicklung dringend erforderlich.
Äußerst vereinfacht dargestellt hat Herr Dr. Tekles folgendes ermittelt:
-Die Einwohnerzahl in Ainring ist –und das ist atypisch- leicht rückläufig, da es in den letzten Jahren weniger Bautätigkeit gab:
-Anhand der Geburtenziffern hat Herr Dr. Tekles ermittelt, dass Ainring schrumpfen wird, sofern keinerlei Zuzug ermöglicht wird.
-Ainring wird einen Zuwanderungsdruck erfahren. Die derzeit sozalversicherungspflichtig beschäftigten über 55-jährigen (das sind die sog. „Babyboomer“) gehen in den nächsten 10 Jahren in Rente. Wenn dieser Personenkreis vom Arbeitsmarkt weg ist können die Stellen nicht neu besetzt werden, da viel zu wenig junge Leute nachkommen. Gerade in Ainring, so Herr Dr. Tekles, mit vielen Arbeitsplätzen ist das ein starkes Alarmsignal!
Die Entwicklung der Anzahl der 60 bis unter 67-jährigen pro Jahrgang in Ainring 2020 bis 2035 zeigt, dass die Menschen, die in Ruhestand gehen, hier wohnen bleiben. Das bedeutet, 1 Arbeitsplatz wird frei, aber keine Wohnung. Derjenige, der den Arbeitsplatz besetzen soll, braucht also eine Wohnung.
Das wird ein „riesen Problem“ hinsichtlich Fachkräfte/Arbeitskräftemangel. Man braucht hier Zuzug. Das ist die Chance für Ainring: Wohnraum zu schaffen um die Arbeitsplätze aufrecht zu erhalten. Ansonsten steht zu befürchten, dass die Arbeitsplätze weg von unserer Gemeinde dorthin verlagert werden, wo auch Arbeitskräfte vorhanden sind.
Dabei muss die Gemeinde aber auch bedenken, dass z.B. im Bereich Pflege künftig enorm viele Arbeitskräfte benötigt werden.
Betrachtet man die potenziellen Möglichkeiten ist klar, dass eine Entwicklung beschränkt auf die Innenbereiche und die Hauptorte bei weitem nicht ausreichen wird.
Herr Dr. Tekles hat dies auch noch genauer beziffert.
Von derzeit 3.120 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten werden in nächster Zeit 2.200 weggehen.
Der in der Gemeinde Ainring vorhandene Wohnungsmix (Anzahl Zimmer pro Wohnung) ist „nicht schlecht“. Dies solle die Gemeinde in etwa so weiterführen. Wir sollen nur nicht so hoch bauen lassen, dass des anonym wird. Empfehlung wären max. 6 Parteien pro Hauseingang.
Anhand der Statistik der fertiggestellten Wohnungen in der Gemeinde Ainring von 1969 bis 2019 ist ersichtlich, dass in den letzten 20 Jahren sehr wenig Wohnungen entstanden sind und demzufolge Zuzug nicht stattfinden kann.
Gelänge es der Gemeinde, so Herr Dr. Tekles, über 10 Jahre verteilt etwa 100 Personen Bevölkerungszuwachs zu schaffen ergäbe sich eine Stabilisierung der Erwerbspotentiale. „Kommt weniger, sieht es schlechter aus...“.
Zusammenfassend stellt die Gemeinde Ainring fest, dass das Problem des Flächenverbrauchs gesehen wird, ebenso die Vorteile einer Siedlungsentwicklung um die Hauptorte. Dennoch ist in der Abwägung eine gesunde Entwicklung zu gewährleisten um einen Verlust an Wohlstand für unsere Gemeinde und die Gemeindebürger zu vermeiden.
Diese Nachteile würden sich aber einstellen bei einem massiven Wegzug der Erwerbsbevölkerung (zum Teil mit Kindern). Es blieben eher ältere und sozial Schwache. Es käme zu einem deutlichen Rückgang der Kaufkraft. Leerstände würden zunehmen, es käme zu Standortverlusten von Firmen. Es käme zu einer geringen Auslastung von Schulen und Kindertagesstätten (wobei die Kosten aber weiter laufen).
Nach alledem besteht diesseits also die Befürchtung, dass die weitere Ausdehnung der Festsetzungsmöglichkeiten in übergeordneten Planungen dazu führt, dass die kommunale Planungshoheit Zug um Zug „von unten nach oben“ verschoben wird und zunehmend zentralisierte Planungsentscheidungen erfolgen. Dabei kennen die örtlichen Bürgermeister und Gremien durch Ihre Ortskenntnis und ihren Gesamtüberblick über alle zu erfüllenden Anforderungen die regionalen Bedürfnisse am besten.
Es ist uns wichtig nochmals zu betonen, dass sich die Gemeinden bei ihren Planungen wie schon dargelegt gerne an den überwiegend zutreffenden Kernbotschaften des LEP und des Regionalplanes ausrichten. Problematisch ist aber die weitreichende Beschneidung bis zum faktischen Entzug der kommunalen Planungshoheit.
Die Anforderungen an die Begründungen bei Siedlungsentwicklungen dürfen, in zeitlicher und inhaltlicher Sicht nicht zu hoch gehängt werden.
Schon jetzt bestehen bei insbesondere wohnbaulichen und gewerblichen Entwicklungen schier unüberwindbare (Begründungs-)Hürden, obwohl die Gemeinde immense zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt. Die Bedarfe aber liegen nachweislich auf der Hand.
Die Gemeinde Ainring wendet sich daher
- gegen die weitere Ausdehnung der Festsetzungsmöglichkeiten in übergeordneten Planungen (verschieben der Planungshoheit von „unten“ nach „oben“)
- gegen die weitreichende Beschneidung bis zum faktischen Entzug der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Planungshoheit als Ausfluss des Selbstverwaltungsrechts
- dagegen, dass die Anforderungen an die Begründungen so hoch gehängt werden.