Neufassung der Satzung über die Erhebung der Grundsteuer und Gewerbesteuer (Hebesatzsatzung)


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderats, 09.12.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.Lfd. BV-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderats 09.12.2024 ö beschließend 3

Sachverhalt

I. Grundsteuerreform allgemein
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 10.04.2018 die Vorschriften zur Einheitsbewertung von Grundvermögen für die Bemessung der Grundsteuer als verfassungswidrig erklärt.
Als Begründung wurde aufgeführt, dass das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen führt, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt. 
Gleichzeitig wurde mit dem Beschluss bestimmt, dass der Gesetzgeber bis spätestens zum 31.12.2019 eine Neuregelung zu treffen hat und bis zu diesem Zeitpunkt die als unvereinbar mit Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden dürfen. 
Zudem wurde bestimmt, dass nach Verkündung einer Neuregelung die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31.12.2024 angewandt werden dürfen.
Der Gesetzgeber hatte bis Ende 2019 seinen Auftrag erfüllt und so die Grundsteuer bis 2024 gesichert. U.a. wurden folgende Gesetze beschlossen:

  • Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 15.11.2019 (u.a. Länderöffnungsklausel, d.h. die Länder sind ermächtigt vom Grundsteuerrecht des Bundes abzuweichen)
  • Grundsteuerreformgesetz vom 26.11.2019
  • Gesetz für erhöhten Steuersatz für unbebaute, aber bebaubare Grundstücke des Grundvermögens (Grundsteuer C): Grundsteuer-C-Gesetz vom 30.11.2019

Die Ermittlung der Grundsteuer erfolgt weiterhin in drei selbständigen, aufeinanderfolgenden Verfahrensstufen. 
  • Grundsteuerwertermittlung und Fortschreibung (Bewertungsverfahren durch das Finanzamt)
    Hauptfeststellung zum 01.01.2022, dann wieder in 7 Jahren 
    (in der Zwischenzeit: Fortschreibung, Aufhebung, Nachfeststellung)
    Das Finanzamt erlässt einen Grundsteuerwertbescheid (früher: Einheitswertbescheid)
  • Grundsteuermessbetragsverfahren (Finanzamt)
    Hauptveranlagungszeitpunkt ist der 01.01.2025, der nächste wäre der 01.01.2029 
    (dazwischen: Nachveranlagung, Neuveranlagung und Messbetragsaufhebung)
    Das Finanzamt erlässt einen auf den Grundsteuerwertbescheid aufbauenden Grundsteuermessbescheid.
  • Festsetzung und Erhebung der Grundsteuer durch die Gemeinde
    Auf der Grundlage des Grundsteuermessbescheids erlässt die Gemeinde gegenüber dem Steuerpflichtigen den Grundsteuerbescheid indem sie den im Grundsteuermessbescheid festgesetzten Steuermessbetrag mit dem in der Hebesatzsatzung der Gemeinde festgelegten Hebesatz multipliziert. 

    Die Gemeinde ist aufgrund von § 182 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) an die durch das Finanzamt im Grundsteuermessbescheid festgelegten Bemessungsgrundlagen beim Erlass des Grundsteuerbescheids gebunden.

Durch die Länderöffnungsklausel im Grundgesetz gibt es in den Bundesländern abweichende Landesgrundsteuerrechte. Für Baden-Württemberg gelten folgende Grundsteuermodelle: 
  • Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A): Bundesmodell
  • Grundvermögen (Grundsteuer B): modifiziertes Bodenwertmodell 
    durch differenzierte Steuermesszahlen nach Wohnen (0,91 ‰) und Nichtwohnen (1,3 ‰)

Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A):

  • Bewertungsverfahren im Ertragswertverfahren
    Nutzflächen je Nutzungsart multipliziert mit gesetzlich festgelegten Ertragswerten ergeben den Reinertrag der jeweiligen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung. 
    Die Summe aller so ermittelten Reinerträge wird kapitalisiert und ergibt den Grundsteuerwert.
  • Messbetragsverfahren
    Der Grundsteuerwert eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft wird mit der Steuermesszahl 0,55 Promille vervielfacht und ergibt den Grundsteuermessbetrag. 
Neu:
Grund und Boden sowie Gebäude und Gebäudeteile, die Wohnzwecken oder anderen nicht land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, werden ab 2025 Steuergegenstand der Grundsteuer B (vorher Grundsteuer A). D.h., der Wohnteil landwirtschaftlicher Hofstellen ist künftig Gegenstand der Grundsteuer B.


Grundvermögen (Grundsteuer B):
Die Gebäudewerte auf den entsprechenden Grundstücken sind nicht relevant.


II. Satzung über die Erhebung der Grundsteuer und Gewerbesteuer 
(Hebesatzsatzung)

Die Hebesatzsatzung der Gemeinde Alfdorf, zuletzt geändert am 15.12.2014, gilt ab dem 01.01.2025 nicht weiter, da ab dem 01.01.2025 in Baden-Württemberg nicht mehr das Grundsteuergesetz des Bundes, sondern das Landesgrundsteuergesetz für Baden-Württemberg (LGrStG) anzuwenden ist.
Die Bekanntgabe der Grundsteuerjahresbescheide für 2025 setzt eine rechtswirksame Satzung voraus.


III. Kalkulation der Hebesätze für die Grundsteuer

Aufkommensneutralität:
„Aufkommensneutralität“ bedeutet, dass die Grundsteuereinnahmen einer Gemeinde nach der Grundsteuerreform in etwa so hoch sind wie davor.
„Aufkommensneutralität“ bedeutet nicht, dass es keine Belastungsverschiebungen bei den Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern gibt.

Kalkulation der Hebesätze 
Aufgrund der ab 2025 geltenden Bemessungsgrundlagen sind auch die Hebesätze für die Grundsteuer A und Grundsteuer B neu festzulegen.
Die Höhe des angestrebten Grundsteueraufkommens muss sich, wie in jedem Haushaltsjahr am Finanzbedarf und den haushaltsrechtlichen Maßgaben orientieren. Die Verwaltung schlägt trotzdem eine aufkommensneutrale Festsetzung der Hebesätze vor.

Die Gemeinde kann sowohl nach dem Grundsteuergesetz als auch nach dem Landesgrundsteuergesetz jeweils nur einen Hebesatz für die Grundsteuer A und Grundsteuer B bestimmen.

Kalkulation der Hebesätze – für Grundsteuer A
Das veranlagte Grundsteueraufkommen 2024 aus der Grundsteuer A beträgt ohne Nachzahlungen für frühere Jahre 98.028,01 €.
Für das Jahr 2025 sind vom Finanzamt bisher Messbeträge in Höhe von insgesamt 8.527,54 € für die Grundsteuer A (62 % der Messbeträge) festgesetzt worden. Zuzüglich noch festzusetzender Messbeträge und abzüglich zukünftiger Änderungen (Entscheidungen des Finanzamts über eingegangene Einsprüche) rechnet die Verwaltung für 2025 mit einer Messbetragssumme von 13.200 €.
Die endgültige Messbetragssumme kann von der geschätzten Messbetragssumme abweichen. Aus diesem Grund muss der Hebesatz für die Jahre 2026 ff. nochmals überprüft werden.
Auf der aktuellen Grundlage würde das Grundsteueraufkommen 2024 bei der Grundsteuer A im Jahr 2025 erreicht werden mit einem Hebesatz von

98.028,01 €: 13.200 € =740 %

Sollten sich die Berechnungen bis zur Gemeinderatssitzung aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt übermittelten Messbescheide ändern, werden wir zur Gemeinderatssitzung neue Berechnungen vorlegen.

Kalkulation der Hebesätze – für Grundsteuer B
Das veranlagte Grundsteueraufkommen 2024 aus der Grundsteuer B beträgt ohne Nachzahlungen für frühere Jahre 719.367,07 €.
Für das Jahr 2025 sind vom Finanzamt bisher Messbeträge in Höhe von insgesamt 285.048,49 € für die Grundsteuer B (92 % der Messbeträge) festgesetzt worden. Zuzüglich noch festzusetzender Messbeträge und abzüglich zukünftiger Änderungen (Entscheidungen des Finanzamts über eingegangene Einsprüche, u.a. aufgrund von Einzelgutachten bzgl. der Bodenrichtwerte) rechnet die Verwaltung für 2025 mit einer Messbetragssumme von 266.000 €.
Die endgültige Messbetragssumme kann von der geschätzten Messbetragssumme abweichen. Aus diesem Grund muss der Hebesatz für die Jahre 2026 ff. nochmals überprüft werden.
Auf der aktuellen Grundlage würde das Grundsteueraufkommen 2024 bei der Grundsteuer B im Jahr 2025 erreicht werden mit einem Hebesatz von

719.367,07 €: 266.000 € =270 %

Sollten sich die Berechnungen bis zur Gemeinderatssitzung aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt übermittelten Messbescheide ändern, werden wir zur Gemeinderatssitzung neue Berechnungen vorlegen.


IV. Belastungsverschiebungen beim Grundvermögen (Grundsteuer B):

Nach der Grundsteuerreform ist es nicht mehr relevant, was für ein Gebäude auf dem Grundstück steht. 
Es wird lediglich eine reduzierte Grundsteuermesszahl bei überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken angewandt.

Einfamilienhaus auf einem Grundstück mit einer Fläche von über 700 m² in Alfdorf, Bodenrichtwert 165 €, Grundsteuermesszahl: 0,91 ‰
Baujahr/
genehmigt
Fläche
Mess-betrag 2024
Hebesatz 2024
Grundsteuer
2024
Mess-betrag 2025
Hebesatz 2025
Grundsteuer
2025
 
1974
928 m²
53,04 €
325 %
172,38 €
139,32 €
270 %
376,16 €
 
2009
899 m²
121,35 €
325 %
394,39 €
134,95 €
270 %
364,37 €
 

Einfamilienhaus auf einem Grundstück mit einer Fläche von unter 700 m² in Pfahlbronn, Bodenrichtwert 165 €, Grundsteuermesszahl: 0,91 ‰
Baujahr/
genehmigt
Fläche
Mess-betrag 2024
Hebesatz 2024
Grundsteuer
2024
Mess-betrag 2025
Hebesatz 2025
Grundsteuer
2025
 
1948
501 m²
26,32 €
325 %
85,54 €
75,17 €
270 %
202,96 €
 
2005
510 m²
61,02 €
325 %
198,32 €
76,53 €
270 %
206,63 €
 
→ Bei älteren Gebäuden erhöht sich die Grundsteuer um ein Mehrfaches. 

Der Grundsteuermessbetrag unterscheidet auch nicht, ob das Grundstück mit einem Ein- oder einem Mehrfamilienhaus bebaut ist. 
Bei Eigentumswohnungen wird der Grundsteuermessbetrag auf die Miteigentumsanteile aufgeteilt. 
Eigentumswohnung und Mehrfamilienhaus in Alfdorf, Grundsteuermesszahl: 0,91 ‰
Baujahr/
genehmigt

Fläche
Miteigentums-anteil
Mess-betrag 2024
Hebe-satz 2024
Grundsteuer
2024
Mess-betrag 2025
Hebe-satz 2025
Grund-steuer
2025
1992
Bodenricht-wert 190 €

798 m²
107/1000

37,04 €

325 %

120,38 €

14,65 €

270 %
39,56 €
2022
Bodenricht-wert 130 €

736 m²
104,02/1000

42,05 €

325 %

136,66 €

9,28 €

270 %
25,06 €
1992
Bodenricht-wert 130 €

786 m²

193,81 €

325 %

629,88 €

92,91 €

270 %
250,86 €
→ Bei Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäusern reduziert sich die Grundsteuer um ein Vielfaches.


Gewerbegrundstücke in Pfahlbronn, Grundsteuermesszahl: 1,3 ‰

Baujahr/ genehmigt
Fläche
Mess-betrag 2024
Hebe-satz 2024
Grund-steuer
2024
Mess-betrag 2025
Hebe-satz 2025
Grund-steuer
2025 
vor 1972
Bodenricht-wert 75 €
21.726 m²
4.260,84 €
325 %
13.847,73 €
2.118,22 €
270 %
5.719,19 €
1997
Bodenricht-wert 75 €
5.036 m²
619,88 €
325 %
 
2.014,61 €
491,01 €
270 %
1.325,73 €
→ Bei Gewerbegrundstücken reduziert sich die Grundsteuer überwiegend um ein Vielfaches.


unbebaute Grundstücke in Pfahlbronn, Alfdorf und Vordersteinenberg, Grundsteuermesszahl: 
1,3 ‰
Baujahr/ genehmigt
Fläche
Mess-betrag 2024
Hebe-satz 2024
Grund-steuer
2024
Mess-betrag 2025
Hebe-satz 2025
Grundsteuer
2025
unbebaut Pfahlbronn
Bodenricht-wert 75 €
3.327 m²
71,40 €
325 %
232,05 €
324,35 €
270 %
875,75 €
unbebaut Alfdorf
Bodenricht-wert 165 €
828 m²
22,19 €
325 %
72,12 €
177,58 €
270 %
479,47 €
unbebaut Vordersteinen-berg
Bodenricht-wert 145 €
883 m²
12,52 €
325 %
40,69 €
166,40 €
270 %
449,28 €
→ Bei unbebauten Grundstücken erhöht sich die Grundsteuer um ein Mehrfaches.


V. Hebesatz für die Gewerbsteuer
Die Höhe des angestrebten Gewerbesteueraufkommens muss sich, wie in jedem Haushaltsjahr am Finanzbedarf und den haushaltsrechtlichen Maßgaben orientieren.
Der Hebesatz der Gewerbesteuer wurde letztmals zum 01.01.2015 auf 350 v.H. erhöht.
Der Mittelwert der Gewerbesteuerhebesätze im Rems-Murr-Kreis im Jahr 2024 beträgt. 371 v.H.
Der Mittelwert der Gewerbesteuerhebesätze im Ostalbkreis im Jahr 2024 beträgt. 362 v.H.

Gemeinde
Hebesatz Gewerbesteuer
Alfdorf
350 % (seit 01.01.2015)
Welzheim
360 % (seit 01.01.2023)
Kaisersbach
360 % (seit 01.01.2023)
Lorch
360 % (seit 01.01.2011)
Gschwend
380 %

Die Verwaltung schlägt eine Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes von 350 % auf 360 % vor.
Bei dieser Erhöhung wären Mehreinnahmen von ca. 110.000 € zu verzeichnen.

Beschlussempfehlung

Es wird die beiliegende Neufassung der Satzung über die Erhebung der Grundsteuer und Gewerbesteuer (Hebesatzsatzung) beschlossen.

Beschluss 1

Der Hebesatz für die Grundsteuer A wird auf 500 % festgelegt. 

Abstimmungsergebnis
Mehrheitlich abgelehnt

Beschluss 2

Der Hebesatz für die Grundsteuer A wird auf 720 % festgelegt. 

Abstimmungsergebnis
Mehrheitlich angenommen

Beschluss 3

Der Hebesatz für die Grundsteuer B wird auf 270 % festgelegt.

Abstimmungsergebnis
Einstimmig angenommen

Beschluss 4

Der Hebesatz für die Gewerbesteuer wird auf 360 % festgelegt.

Abstimmungsergebnis
Mehrheitlich angenommen

Beschluss 5

Es wird die beiliegende Neufassung der Satzung über die Erhebung der Grundsteuer und Gewerbesteuer (Hebesatzsatzung) beschlossen.

Abstimmungsergebnis
Mehrheitlich angenommen

Dokumente
Satzung über die Erhebung der Grundsteuer und Gewerbesteuer (Hebesatzsatzung) (.pdf)

Datenstand vom 29.01.2025 13:44 Uhr