Einzelhandelskonzept; Vorstellung durch Dr. Stefan Leuninger, Kaufbeuren.


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 13.10.2015

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 13.10.2015 ö beschließend 3

Sachverhalt

Der Vorsitzende hat das Stadtplanungsbüro LEUNINGER & MICHLER, Kaufbeuren, im Juni 2015 beauftragt, die städtebaulichen und ökonomischen Rahmenbedingungen des Handelsstandortes Bad Kohlgrub zu untersuchen und hieraus – in Form eines Einzelhandelskonzeptes - Vorschläge für die weitere Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Ortsmitte zu erarbeiten. Den aktuellen Hintergrund bilden Anfragen von zwei Investoren zur Realisierung großflächiger Lebensmittelmärkte in Bad Kohlgrub.

Die zentralen - die Untersuchung leitenden -  Fragestellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: 
?        Wie wird die Versorgungssituation in Bad Kohlgrub bewertet? 
?        Welche Wirkungen ergeben sich auf die Ortsmitte und die Nahversorgung bei einer evtl. Neuansiedlung von einem Lebensmittelmarkt – in Abhängigkeit von der konkreten Standortwahl und Verkaufsflächendimension/-struktur? 
?        Welche Perspektiven für die Weiterentwicklung des Handels- und Versorgungsstandortes bestehen – auch vor dem Hintergrund der Tourismusfunktion der Gemeinde? Welche Rahmenbedingungen sind ggf. weiter zu entwickeln?
?        Gibt es Rahmenbedingungen / Ansatzpunkte, um die Ortsmitte zielgerichtet weiterzuentwickeln?

Für die Konzepterarbeitung zur Weiterentwicklung der Handels- und Versorgungsstrukturen in – unter besonderer Berücksichtigung der Ortsmitte – wurden zahlreiche persönliche Gespräche geführt mit Einzelhandelsbetrieben, Gastronomen, Immobilieneigentümern, Nah & Gut, V-Markt, der „Ammergauer Alpen“ GmbH sowie dem Dorfentwicklungsverein.

Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
?         Bad Kohlgrub verfügt – im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden in der Region - über eine positive Bevölkerungsentwicklung. Die landschaftliche Attraktivität, Sportinfrastruktur, Schulinfrastruktur, günstige Immobilienpreise sowie die Bahn-Anbindung dürften hierfür wesentliche Gründe sein. Die Tourismusfunktion hat in den vergangenen Jahren einen sichtbaren Strukturwandel zum Ergebnis gehabt. Der Tagestourismus ist ein erheblicher Frequenzbringer für die Gemeinde.

?        Bad Kohlgrub verfügt – auch im Gegensatz zu vielen Kommunen gleicher Größenordnung – noch über einen beachtlichen Handelsbesatz in der Ortsmitte. Viele Sortimente/Waren, z.B. Lebensmittel, Bekleidung, Schuhe, Elektrowaren, Blumen, Optik/ Schmuck, sind vorhanden. Dezentrale Handelslagen „auf der grünen Wiese“ gibt es nicht.

?        Nachdem die Perspektive des „kleinen“ Supermarktes in der Ortsmitte derzeit offen ist, gibt es erste Überlegungen von Projektentwicklern / Betreibern, einen neuen Standort für einen (großflächigen) Lebensmittelmarkt zu entwickeln. Der priorisierte Standort hierfür, die Lage an der Staatsstraße zwischen Saulgrub und Bad Kohlgrub, ist als dezentraler Standort ohne ein fußläufiges Einzugsgebiet einzustufen.
Das Fachbüro kommt zu dem Ergebnis, dass bei Realisierung eines modernen (großflächigen) Lebensmittelmarktes aus ökonomischer Sicht wohl keine Perspektiven für einen Supermarkt in der Ortsmitte bestehen. Eine Schwächung der Ortsmitte, z.B. Frequenzverluste, fehlende Wechselwirkungen mit anderen Betrieben, fehlende fußläufige Nahversorgung, wären bei einer Ausweisung von Einzelhandelsflächen außerhalb des Zentrums jedoch die Folgen.
Sollte trotz der Risikofaktoren ein großflächiger Lebensmittelmarkt in Bad Kohlgrub angesiedelt werden (z.B. wenn nach intensiver Bearbeitung/Suche keine Erfolg versprechende Nachfolgeregelung für den Supermarkt gefunden wird), wäre der Betriebstyp „Discounter“ mit max. 900 - 1.000 qm Verkaufsfläche zu präferieren. Ein separater Backshop mit Cafe bzw. eine separate Metzgerei mit Imbiss wären durch eine entsprechende Festsetzung in der Bauleitplanung zu vermeiden. Eine gleichlautende Empfehlung gilt für alle anderen zentrenrelevanten Sortimente gem. Sortimentsliste. Randsortimente im Lebensmittelmarkt wären auf max. 10 % der Verkaufsfläche zu begrenzen.
Planungsrechtliche Hinweise für die städtebauliche Entwicklung in Bad Kohlgrub:
Wenn der Gemeinderat die Versorgungsstrukturen in der Ortsmitte sichern möchte und die Attraktivität der Ortsmitte erhalten und stärken möchte, gilt es planungsrechtliche Vorkehrungen zu treffen.
Der zentrale Versorgungsbereich ist ein räumlich abgegrenzter Bereich mit Einzelhandelsnutzungen, Dienstleistungsbetrieben und sonstige Nutzungen, dem eine wichtige Versorgungsfunktion für die Gesamtgemeinde zukommt.
Zukünftige Bauanfragen oder Bauanträge, die nach § 34 BauGB für z.B. einen Discountermarkt mit 800 qm Verkaufsfläche in einem gewerblich orientierten Bereich zulässig sind, müssen folglich entsprechend gesteuert angesiedelt werden. Hier werden der Kommune folgende Instrumente zur Steuerung im Baugesetzbuch zur Verfügung gestellt.
Instrumentarium 1:
Die Kommune legt den zentralen Versorgungsbereich im Flächennutzungsplan fest. Ein Verfahren ist durchzuführen. Durch diese Ausweisung könnte sich Bad Kohlgrub im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB auch gegenüber anderen Kommunen auf den Schutz berufen.
Instrumentarium 2:
Die Kommune beschließt das Einzelhandelskonzept als informelle Planung und legt somit den zentralen Versorgungsbereich und eine gemeindespezifische Sortiments fest. Auf dieser Grundlage kann die Gemeinde bei Anträgen von Einzelhandelsnutzung außerhalb des Gebietes nach § 34 BauGB Abs. 2 eine Ablehnung außerhalb des Versorgungsbereichs aussprechen.
Instrumentarium 3: Bei zukünftigen Baubauungsplänen findet das Einzelhandelskonzept eine Berücksichtigung, d.h. Einzelhandel wird z.B. in Gewerbegebieten auch unterhalb der Großflächigkeit (800 qm Verkaufsfläche) ausgeschlossen und die Sortimente werden geregelt.
Instrumentarium 4: In einem einfachen Bebauungsplan kann die Zulässigkeit bestimmter Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zulässigen baulichen Nutzungen gesteuert werden (Feindifferenzierung nach § 1 Abs. 4-9 BauGB).

Beschluss

1.        Das Fachgutachten und der Fachvortrag werden zur Kenntnis genommen.

2.        Zur Sicherung einer stabilen und intakten Ortsmitte dient zukünftig die vorgelegte informelle Rahmenplanung (Einzelhandelskonzept) – insbesondere der dargestellte zentrale Versorgungsbereich und die Sortimentsliste.

3.        Flächen für einen Lebensmittelmarkt am Ortsrand werden zunächst für die Dauer von 6-8 Monaten nicht ausgewiesen. In dieser Zeit werden Alternativen gesucht, vornehmlich in der Ortsmitte.

4.        Dem Büro LEUNINGER & MICHLER wird das Vertrauen geschenkt, in Zusammenarbeit mit der Regierung von Oberbayern, Immobilieneigentümern sowie möglichen Betreibern Lösungen zur nachhaltigen Sicherung der Nahversorgung in der Ortsmitte zu erarbeiten und die Ergebnisse im Gemeinderat wieder vorstellen.

      5.  Der Auftrag wird nach der konkreten Aufgabenstellung vom Gemeinderat vergeben.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 15, Dagegen: 0

Datenstand vom 11.11.2015 09:18 Uhr