Die Gemeinden werden beim Erlass von Geschwindigkeitsbeschränkungen im übertragenen Wirkungskreis tätig. Der übertragene Wirkungskreis umfasst alle Angelegenheiten, die das Gesetz den Gemeinden zur Besorgung namens des Staates zuweist, für die Erledigung können die zuständigen Staatsbehörden den Gemeinden Weisungen erteilen. Die staatliche Aufsicht erstreckt sich auch die Handhabung des gemeindlichen Verwaltungsermessens (Fachaufsicht). Die Fachaufsicht obliegt dem Landratsamt. Die Fachaufsichtsbehörde kann rechtswidrige Beschlüsse und Verfügungen der Gemeinde beanstanden und die Aufhebung und Änderung verlangen. Kommt die Gemeinde der Anordnung der Fachaufsichtsbehörde nicht nach, kann diese die notwendigen Maßnahmen an Stelle der Gemeinde verfügen und vollziehen. Da das Landratsamt im Einvernehmen mit der ihr übergeordneten Behörde, der Regierung von Oberbayern, die Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h angeordnet hat, würde die Gemeinde Bad Kohlgrub als örtliche Straßenverkehrsbehörde bei einer Einführung einer Tempo 30-Zone gegen ihre eigene Fachaufsichtsbehörde entscheiden. Die gemeindliche Verwaltungstätigkeit muss jedoch mit den Gesetzen im Einklang stehen, sie darf nur von sachlichen Gesichtspunkten geleitet sein. Der Vollzug der gesetzlichen Vorschriften auch im übertragenen Wirkungskreis und die Durchführung der gesetzmäßigen Anordnungen und Weisungen der Staatsbehörden obliegt dem Gemeinderat, sollte es sich nicht um Fälle handeln, in denen der Erste Bürgermeister zuständig ist. Der Erste Bürgermeister hat Entscheidungen des Gemeinderats, die er für rechtswidrig hält, zu beanstanden, ihren Vollzug auszusetzen und die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeizuführen. Dem Ersten Bürgermeister steht hier kein Ermessen zu, er hat den Vollzug auszusetzen und den Beschluss zu beanstanden.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2012 weißt die Regierung von Oberbayern ausdrücklich darauf hin, dass ein Entscheidungsrecht des Gemeinderats auch in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises keine politische Entscheidung rechtfertigt, sondern der Gemeinderat als Organ der örtlichen Straßenverkehrsbehörde Gemeinde ausschließlich rechtmäßige Entscheidungen zu treffen hat. Lt. Regierung von Oberbayern kommt die Anordnung von Zonengeschwindigkeits-beschränkungen, also im Fall der Gemeinde Bad Kohlgrub die Ausweisung einer Zone 30-Beschränkung, nur in Betracht, wenn die verkehrlichen Verhältnisse eine situationsbedingte Absenkung der Regelgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften erfordern. Im Hinblick auf ihren verkehrsbeschränkenden Charakter unterliegen auch Zonengeschwindigkeits-beschränkungen damit von vornherein den Schranken, die sich aus den Grundsätzen der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit ergeben. Verkehrsrechtliche Anordnungen (einschließlich dem Aufstellen der Schilder) sind öffentlich-rechtliche Verwaltungsakte, die auch verwaltungsrechtlich fehlerfrei sein müssen. Ein (materieller) Fehler liegt z. B. bei Nichtbeachtung der Verhältnismäßigkeit vor. Verhältnismäßig ist eine Maßnahme nur, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die Maßnahme ist geeignet, wenn sie für den angestrebten (legitimen) Zweck tauglich ist. Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn es zur Erreichung des angestrebten (legitimen) Zwecks kein geeignetes Mittel gibt, das den einzelnen oder die Allgemeinheit weniger beeinträchtigt. Angemessen ist eine Maßnahme nur dann, wenn sie keinen Nachteil herbeiführt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten (legitimen) Erfolg steht. Die letzte Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) wurde ausdrücklich mit der Vorgabe „Nur so viele Verkehrszeichen wie nötig – so wenig wie möglich“ verabschiedet, die Eigenverantwortung des Verkehrsteilnehmers soll gestärkt werden.
Mit E-Mail vom 30. Oktober 2015 erläutert das Landratsamt, dass Verbote im fließenden Verkehr gleichwohl nur dann angeordnet werden dürfen, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes erheblich übersteigt. Soll die Maßnahme der Verkehrssicherheit dienen, ist die Feststellung einer gegenüber durchschnittlichen Verhältnissen deutlich erhöhten Unfallzahl erforderlich oder es liegt zumindest eine konkrete Gefahrensituation vor. Nach Kenntnisstand des Landratsamtes gibt es keine erhöhten Unfallzahlen, eine Erhöhung der Verkehrssicherheit für die Schüler, die Anwohner oder eine Lärmreduzierung usw. ist lt. Landratsamt kein Grund für eine Geschwindigkeitsbeschränkung.
Nach Meinung des Landratsamtes liegt nur eine Putativgefahr (Scheingefahr) vor, da nach der objektiven Tatsachenlage keine Gefahr vorliegt.
Das Landratsamt hat nach den ihm vorliegenden Unterlagen festgestellt, dass die damalige Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h rechtswidrig erfolgte. Da die gleichen Rechtsgrundsätze immer noch zu befolgen sind, wäre auch eine jetzige Anordnung einer Zone 30-Beschränkung rechtswidrig.
Alle Verkehrsteilnehmer haben die Verpflichtung, die allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften der StVO eigenverantwortlich zu beachten, örtliche Anordnungen durch Verkehrszeichen sind deshalb nur dort zu treffen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten sind.
Zwingend geboten ist ein Verkehrszeichen daher nur, wenn das Verkehrszeichen die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme ist. Das ist nicht der Fall, wenn die allgemeinen und besonderen Verkehrsregeln der StVO mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren und geordneten Verkehrsverlauf gewährleisten (Bayerische Verwaltungsgerichtshof Beschluss vom 21.12.2011).
Das Landratsamt erläutert im Schreiben vom 30 Oktober 2015 weiter, dass nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung das Vorhandensein einer Gefahrenquelle also allein nicht für eine Beschilderung ausreicht. Der Verkehrsteilnehmer muss sich im Grundsatz dem vorhandenen Straßenzustand anpassen, also die Straße so hinnehmen wie sie sich ihm darbietet. Er muss sich auf erkennbare Gefahren einstellen; nur wenn solche auch vom sorgfältigen Verkehrsteilnehmer nicht erkannt werden können und er sich darauf nicht einstellen kann, müssen Maßnahmen getroffen werden. Der Schutz des Verkehrsteilnehmers beginnt also erst dort, wo dieser sich durch eigene Sorgfalt nicht mehr schützen kann. Darüber hinaus besteht für die Straßenverkehrsbehörde keine Verkehrsregelungspflicht. Sie braucht nur insoweit Maßnahmen zu ergreifen, als dies objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Für die Straßenverkehrsbehörde bestehen regelmäßig dann keine weiteren Verkehrsregelungspflichten, wenn die Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Benutzung der Straße und Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit etwaige Schäden selbst abwenden können. Von den Verkehrsteilnehmern wird dabei in schwierigen Verkehrslagen sogar eine gesteigerte Aufmerksamkeit erwartet. Zudem werden Kenntnisse über besondere Verkehrsgefahren vorausgesetzt.
Außerdem weist das Landratsamt darauf hin, dass der Verkehrsteilnehmer einen Anspruch auf eine rechtmäßige Beschilderung hat. Im Rahmen des seit Januar 2013 geltenden VSP 2020, sollten – u.a. zum Abbau des Schilderwaldes – entsprechende Überprüfungen der Verkehrssituationen durchgeführt werden.
Mit E-Mail vom 13. November 2015 hat das Landratsamt gegenüber Herrn Buchholz seine Rechtsauffassung wiederholt und konkretisiert.
Da keine Unfallhäufung und / oder besondere Verkehrssituation mit konkreter Gefahr vorliegt, besteht für die Anordnung der Zone 30 keine Rechtsgrundlage. Bereits im Jahr 1994 hätte die Gemeinde bei ordnungsgemäßer Abwägung feststellen müssen, dass auf Grund der gesetzlichen Regelungen und der gängigen Rechtsprechung eine Anordnung von 30 km/h nicht möglich gewesen wäre. Die Lage der Straßen in einem Kurgebiet ist kein Rechtfertigungsgrund für eine Tempobeschränkung auf 30 km/h. Abschließend stellt das Landratsamt fest, dass bei einer Verkehrsschau die Gemeinde bereits fachaufsichtlich zum Abbau der Beschilderung aufgefordert wurde.
Da durch die E-Mails und die Verkehrsschau die gemeindliche Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h fachaufsichtlich beanstandet wurde, wurde durch den Abbau der Beschilderung auf Anordnung des Ersten Bürgermeisters wieder der rechtmäßige Zustand hergestellt. Das Landratsamt als Fachaufsichtsbehörde hat die Aufhebung verlangt, der Erste Bürgermeister hat als Organ der örtlichen Straßenverkehrsbehörde diese fachaufsichtliche Weisung umgesetzt. Ein Gemeinderatsbeschluss war für die Umsetzung der fachaufsichtlichen Weisung nicht notwendig, da der Abbau der Beschilderung z. B. von den Kosten her in die Zuständigkeit des Ersten Bürgermeisters gefallen ist. Ein Gemeinderatsbeschluss über den Abbau der Beschilderung hätte wenn dann nur deklaratorischen Charakter. In die Zuständigkeit des Gemeinderat würde nur fallen, sollten von Seiten der Gemeinde Rechtsmittel gegen die fachaufsichtliche Weisung eingelegt werden.
Da bereits sowohl von den Befürwortern, als auch von den Gegnern der Zone 30-Beschränkung Unterschriften gesammelt wurden, weißt der Vorsitzende vorsorglich darauf hin, dass über Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises keine Bürgerentscheide abgehalten werden können.
Die Verwaltung weist außerdem darauf hin, dass -auch nach der Meinung der Juristen des Bayerischen Gemeindetages- ein Rederecht von Sitzungszuhörern rechtswidrig ist. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Gemeindeordnung, die ausdrücklich von Zuhörern spricht. Außerdem ist es widersinnig, dass ein durch eine demokratische Wahl legitimiertes Gemeinderatsmitglied nach Art. 49 GO bei Beratung und Abstimmung zu einem Tagesordnungspunkt, bei dem ihm selbst oder nahen Verwandten ein Vor- oder Nachteil entstehen kann, nicht teilnehmen und somit die Entscheidungsfindung des Gemeinderats beeinflussen darf, im Gegenzug, aber ein nicht demokratisch legitimierter Zuhörer die Entscheidungsfindung des Gemeinderats durch einen Wortbeitrag beeinflusst, obwohl dieser
von der Entscheidung des Gemeinderats einen Vor- oder Nachteil haben kann.