Herr Lehmann-Horn beantragt, dass die Gemeinde Grünwald die Bürgerversammlungen und ähnliche öffentliche Veranstaltungen künftig per Live-Streaming überträgt.
Rechtliche Bewertung:
In der Gemeinderatssitzung vom 10. Dezember 2013 wurde unter anderem über eine Übertragung der Gemeinderatssitzungen diskutiert und beraten. Damals beschloss der Gemeinderat eine Übertragung abzulehnen. Damit der Gemeinderat über eine Liveübertragung der Bürgerversammlungen und ähnlicher öffentlicher Veranstaltungen (wie z. B. Gemeinderatssitzungen) entscheiden kann, wurde die Thematik anhand von rechtlichen, technischen, personellen und finanziellen Aspekten geprüft.
1.1 Rechtliche Aspekte
Gemäß Art. 18 Abs. 3 GO sind grundsätzlich Bürgerversammlungen öffentlich. Sitzungen des Gemeinderates sowie der Ausschüsse sind grundsätzlich gemäß Art. 52 Abs. 2 Gemeindeordnung (GO) öffentlich, außer es stehen Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegen. Eine Verpflichtung zur medialen Öffentlichkeit ist von Art. 52 GO nicht umfasst. Andererseits ist durch die Gemeindeordnung eine Erweiterung der örtlichen Öffentlichkeit durch mediale Präsenz nicht untersagt. Zur weiteren Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit von Live-Übertragungen der Sitzungen sind die Regelungen des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) sowie des Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG) anzuwenden.
Gemäß Art. 15 Abs. 1 BayDSG sind die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn das BayDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt, angeordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Personenbezogene Daten sind sämtliche Informationen, die einer bestimmten natürlichen Person zugeordnet werden können, wozu auch Bild und Wort gehören. Da in der Gemeindeordnung keine Erlaubnis oder Anordnung der entsprechenden Datennutzung geregelt ist, ist die Zulässigkeit der personenbezogenen Datennutzung in einer Übermittlung per Live-Übertragung von der Einwilligung der jeweiligen Person abhängig (Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG). § 22 KunstUrhG bekräftigt diese Regelung für die Verbreitung des Bildes.
Datenschutzrechtlich erforderliche Voraussetzung für Live-Übertragungen von Bürgerversammlungen oder Sitzungen ist deshalb die Einwilligung der jeweiligen Person, deren Bild und Wort übertragen wird. Also alle bei der Sitzung Anwesende wie der 1. Bürgermeister als Sitzungsleiter, die Gemeinderatsmitglieder, der Mitarbeiter der Verwaltung, ein zur Sitzung hinzugezogener Gastteilnehmer (Sachverständiger etc.) und der Zuschauer. Bezüglich des Datenschutzes hat der Bayerische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Thomas Petri ausgeführt, dass sollte jemand im Livestream zu sehen sein, braucht die Gemeinde Grünwald hierfür eine Einwilligung der zusehenden Person. Es darf zur Abgabe seiner Einwilligung keine Person diskriminiert oder unter Druck gesetzt werden. Als stets unzulässig hingegen sieht Prof. Dr. Petri eine Archivierung des Livestreams in Form einer Mediathek auf der kommunalen Internetseite. Denn das stelle „eine Datenübermittlung von besonderer Tragweite“ dar.
Die Einholung einer rechtlich wirksamen Einwilligung von Mitarbeitenden, hinzugezogenen externen Teilnehmern und Zuschauern ist aufwändig (freiwillige Erteilung ohne subjektiv empfundenen Zwang, ausreichende Aufklärung über datenschutzrechtliche Aspekte, Vertretungsbefugnis als Mitarbeitender einer externen Institution oder Firma etc.), weshalb in der Regel die Aufnahme des entsprechenden Teilnehmerkreises (Verwaltung, Gäste, Zuschauer) ausgeschlossen sein muss. Es wäre sinnvoll, wenn der Gemeinderat in seiner Gesamtheit eine entsprechende Einwilligung erteilt. Ansonsten wären die Aufnahme des Teilnehmerraums per Kamera sowie die Regelung der Mikrofonzuschaltung kaum praktikabel.
1.2 Technische und personelle Aspekte
Nach einer beschlossenen Einführung von Live-Übertragungen muss die Durchführung jeder Übertragung auch zuverlässig und einwandfrei sichergestellt sein. Für die technische und personelle Umsetzung der Live-Übertragungen benötigt die Verwaltung einen externen Dienstleister. In der Gemeinde Grünwald ist weder die erforderliche technische Ausrüstung, noch sind personelle Ressourcen für die Übernahme dieser Aufgabe vorhanden. Auf der technischen Seite kommt erschwerend hinzu, dass die Bürgerversammlungen, öffentliche Veranstaltungen und die Gemeinderats- und Ausschusssitzungen in jeweils wechselnden Räumlichkeiten stattfinden, worauf das benötigte Equipment angepasst werden muss.
Mit Schreiben vom 24.04.2020 hat der Personalratsvorsitzende Herr Rank Herrn 1. Bürgermeister Neusiedl mitgeteilt, dass aus datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Gründen ein Streaming bzw. Filmaufnahmen von Gemeinderatssitzungen und Ausschusssitzungen von der Arbeitnehmerseite abgelehnt werden.
1.3 Finanzielle Aspekte
Die erste Recherche über entsprechende Anbieter hat ergeben, dass es in Grünwald und Umgebung dafür geeignete Dienstleister gibt. Ein unverbindliche Kostenschätzung einer geeigneten Firma beläuft sich auf ca. 3.000 - 4.000 Euro pro Live-Übertragung einer öffentlichen Veranstaltung.
Durchschnittlich finden in der Gemeinde Grünwald ca. 45 Gremiensitzungen und eine Bürgerversammlung jährlich statt.
Die Verwaltung teilt dem Gemeinderat mit, dass eine Gesetzesänderung der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) ansteht. Um eine Rechtssicherheit zu haben, schlägt die Verwaltung dem Gemeinderat vor, das Gesetzgebungsverfahren abzuwarten. Sobald die Gesetzesänderung in Kraft getreten ist und Vollzugshinweise des Bayerischen Innenministeriums vorliegen wird dem Gemeinderat Grünwald im Rahmen der Behandlung der Gesetzesänderung das Thema Liveübertragung im Gemeinderat nochmals vorgelegt.