Tekturantrag Carola Geißler - zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl.Nr. 603/14, an der Ludwig-Thoma-Str. 31;


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Bauausschusses , 10.07.2017

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bauausschuss (Gemeinde Grünwald) Sitzung des Bauausschusses 10.07.2017 ö beschließend 3

Sachverhalt

Bauherr: Carola Geißler
Bauort: Ludwig-Thoma-Straße 31, Grundstück Fl. Nr. 603/14 (Grundstücksgröße 3.938 m²)
Planbereich: Bebauungspläne 29 B 33 vom 08.08.1934 und Nr. B 35 v. 31.01.1997, § 34 BauGB, Ortsgestaltungssatzung, Garagen- und Stellplatzsatzung und Baumschutzverordnung


Der Bauausschuss hat sich zuletzt in seiner öffentlichen Sitzung am 13.02.2017 und davor am  15.02.2016 mit der Bebauung auf dem Grundstück befasst – das Einvernehmen zum vorliegenden Tekturantrag wurde hierfür mit 9 : 1 Stimmen nicht hergestellt.

Hier noch einmal der Text der damaligen Sitzungsvorlage in kursiver Schrift

Das Bauvorhaben wurde durch das Landratsamt München mittlerweile genehmigt, u.a. mit dem Inhalt, dass die Rotbuche (StU 3.42m), welche sehr nahe an dem geplanten Einfamilienhaus steht zu schützen und zu erhalten ist.

Nach Angebotseinholung und Verhandlung mit dem Bauunternehmer, so die Antragstellerin, stellt sich nun heraus, dass die geforderten Sondermaßnahmen zum Schutz des Baumes Kosten in Höhe von über 70.000,-- € verursachen. Zum Zeitpunkt der Planung war ein Aufwand in dieser Höhe für die Antragsteller nicht erkennbar.

Auf das beiliegende Schreiben des Architekten vom 26.01.2017 wird verwiesen.

Seitens der Verwaltung ist festzustellen, dass nach Art. 14 Grundgesetz der verfassungsmäßige Eigentumsschutz sogenannte verfassungsimmanente Schranken enthält, d.h. Eigentum verpflichtet. In diesem Falle ist Frau Geißler Eigentümerin eines alten und geschützten Laubbaumes. Der Baum ist sowohl nach der Baumschutzverordnung als solches geschützt und im vorliegenden Fall besonders durch die bereits erteilte Baugenehmigung.

Auf Baurecht besteht ein Rechtsanspruch, wenn alle öffentlich-rechtlichen Belange – die von dem Baugesuch berührt werden – eingehalten sind. Im vorliegenden Fall wird der Baum, welcher geschützt ist (also ein öffentlicher Belang) zur Fällung beantragt. Der Fällung könnte stattgegeben werden, wenn der Bauherrin eine Umplanung nicht zuzumuten ist, diese unverhältnismäßig wäre oder Gründe für eine unbillige Härte vorliegen würden. Dies ist nach eingehender Prüfung aber nicht der Fall.
       
Das Grundstück an der Ludwig-Thoma-Straße ist fraglos ein Baugrundstück – es ist heute schon zum Teil bebaut und soll im Rahmen der Nachverdichtung auf den bisherigen Freiflächen zusätzlich mit Wohnhäusern bebaut werden. Gerade im Westen steht aber seit mehr als 100 Jahren ein geschützter Baum – diesen nun aus wirtschaftlichen Gründen zu beseitigen, hält die Verwaltung mit Blick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit, für nicht sachgerecht; vielmehr soll dem Architekten aufgegeben, werden eine baulich verträgliche Lösung zu finden, in der die Bauherrin zur ihrem Baurecht kommt und der geschützte Baum stehen bleiben kann. Das Grundstück mit nahezu 4.000m² ist an sich groß genug, um das vorhandene Restbaurecht unter Einhaltung aller öffentlich-rechtlichen Belange zu verwirklichen.

Man bedenke bitte auch die Haltung der Gemeinde Grünwald bei künftigen, ähnlich gelagerten Fällen! Würde man einer Fällung wegen der genannten kostenintensiven Schutzmaßnahmen zustimmen, müsste in der Zukunft jeder geschützte Baum – dessen Erhalt Kosten verursacht – im Rahmen von Baugesuchen beseitigt werden.


Die Verwaltung empfiehlt deshalb der beantragten Fällung des geschützten Baumes nicht zuzustimmen, sondern vielmehr die Schutzmaßnahmen aus der rechtsgültigen Baugenehmigung umzusetzen oder die Planung dahingehend zu ändern, dass öffentlich-rechtliche Belange (worunter auch der Baumschutz zu subsumieren ist) nicht berührt werden.




Soweit der damalige Sachvortrag der Verwaltung. Der Bauantrag wurde sodann in das Landratsamt München zur weiteren Entscheidung gegeben – eine Genehmigung steht bislang aus. Zwischenzeitlich wurde der Baum gutachterlich von Fa. Treeconsult beurteilt. Treeconsult kommt  in der Beurteilung vom 30.05.2017 zu der der Standsicherheit des Baumes zum Ergebnis, dass der Eingriff durch die anstehende Bebauung und die vorhandenen Vorschäden des Baumes (zwei Würgewurzeln und ein Wuchsschaden in ca. 13m Höhe) die Standsicherheit wohl beeinträchtigen. Auch wäre fraglich, ob die hohen Investitionen zum Erhalt des Baumes erforderlich sind, sinnvoller sind, als eine Neupflanzung.


Überdies kommen die hinzugezogenen Rechtsanwälte Numberger und Engelmann von der Kanzlei Messerschmidt – Dr. Niedermeier und Partner PartmbB in ihrer Stellungnahme vom 08.03.2017 gegenüber dem Architekten Kraus zu dem Ergebnis, dass es dem Bauherrn zunächst grundsätzlich frei steht, wo er sein Vorhaben realisieren mag, soweit Anforderungen an Abstandsflächen, überbaubare Grundstücksflächen und sonstige öffentlich-rechtliche Anforderungen eingehalten werden. Auf Genehmigung der Verschiebung des bereits genehmigten Bauvorhabens besteht nach Rechtsmeinung der Anwälte ein Anspruch. Im Ergebnis ist die Fällung der Rotbuche zwingend zuzulassen.




Das gemeindliche Umweltamt hat sich in ihrer Stellungnahme vom 27.06.2017 wie folgt geäußert:

An der Situation für den beeindruckenden großartigen Baum hat sich mit der Tektur nichts geändert.

Er ist immer noch zur Fällung beantragt, wäre aber aufgrund seiner Größe, seines Alters und seiner Vitalität überaus erhaltenswert.



Die Bauverwaltung hat nunmehr die vorliegenden Stellungnahmen der unterschiedlich vertretenen Interessen sachgerecht abzuwägen.

Es steht zum Einen das Einzelinteresse des Bauherrn im Vordergrund, den Baum zugunsten einer Bebauung zu beseitigen. Darin wird der Bauherr bestärkt, weil ein von ihm beauftragtes Sachver- ständigenbüro und eine namhafte Rechtsanwaltskanzlei, exakt zu dem von ihm gewünschten Ergebnis kommen.

Dem gegenüber steht das Allgemeininteresse der Gemeinde den nach der Baumschutzverordnung geschützten und ortsbildprägenden Baum auf Dauer zu erhalten.

Der Baum dient über die Grundstücksgrenzen hinaus der Allgemeinheit z.B. mit der Produktion von Sauerstoff, er spendet Schatten und kühlt damit die Luft, der Baum bietet unzähligen Tieren tagtäglich Schutz, Futter und/oder Nistmöglichkeiten.

Es handelt sich hier um eine Rotbuche mit einem Stammumfang von 3,53m!! und einer Höhe von 23m!! Es mag sein, dass ein Gutachter den Baum in seiner Vitalität mit anderen Maßstäben beurteilt und damit zu einem anderen Ergebnis kommt – Tatsache ist aber, dass die Rotbuche heute selbst für einen Laien geradezu vor Vitalität und Standsicherheit strotzt – zu diesem Ergebnis kommt auch unser Umweltamt. Frau Ertl ist als diplomierte Forstwirtin auch eine Fachkraft mit hohem Sachverstand – deren Urteil seit vielen Jahren in der Gemeinde auch im Zusammenhang von Bäumen und Bauvorhaben zweifelsohne Respekt verdient.

Der Baum steht überdies im Verbund (sowohl im Kronen- als auch unterirdisch im Wurzelbereich) mit den benachbarten Bäumen auf Grund der Gemeinde. Es ist davon auszugehen, dass bei einer Entfernung dieses Baumes auch der gemeindliche Großbaum auf Dauer nicht zu halten ist (es besteht die latente Gefahr eines Sonnenbrandes, durch die plötzliche isolierte Freistellung).

Es gilt auch zu bedenken, dass bei künftigen Bauvorhaben durch Vorlage eines Gutachtens und Anwaltschreibens im Zusammenhang mit schützenswerten Bäumen, die geltende Baumschutzver- ordnung kaum mehr Anwendung finden wird – da ja nach dem Gleichheitsgrundsatz die Verwaltung nicht in einem Fall so und im nächsten Fall wieder ganz anders eine Empfehlung an den Bauausschuss abgeben kann. Das Präjudiz, das hier mit diesen vom Bauherrn und seinem Architekten initiierten Stellungnahmen, im Endeffekt durch den Bauausschuss geschaffen werden könnte – wäre für die weitere Zukunft Grünwalds sehr nachteilig, weil dann der Gemeinde im Rahmen ihres gemeindlichen Einvernehmens die Entscheidung vorweggenommen wäre.


Vor alledem ist der Tekturantrag abzulehnen. Die Bauverwaltung schließt sich der Meinung des Umweltamtes an und stellt fest: an der Situation dieses geschützten Baumes hat sich mit der neuerlichen Tektur nichts geändert!


Nebenbei bemerkt gibt es ja eine gültige Baugenehmigung, wo der Baum erhalten werden könnte und das Bauvorhaben realisiert werden kann. Natürlich sind zum Erhalt des Baumes Maßnahmen zu ergreifen, die Kosten verursachen.


Auch wurden Alternativen durch die Bauverwaltung aufgezeigt, dass man durchaus auf dem Baugrundstück an völlig anderer Stelle das Baurecht realisieren kann – dem folgt der Bauwerber leider nicht.

Die Verwaltung teilt auch nicht die Rechtsmeinung der Fachanwälte, dass der Bauherr ein Recht hat sein Vorhaben zu verschieben. Ein Recht auf Baugenehmigung besteht nur dann, wenn alle öffentlich-rechtlichen Belange unberührt bleiben. Der Baumschutz ist nun mal ein öffentlich-rechtlicher Belang wird hier eklatant berührt. Es verhielte sich anders, wenn der Antragsteller nur an dieser von ihm beantragten Stelle sein Baurecht verwirklichen könnte und ein anderer Ort auf dem fast 4.000m² großen Grundstück nicht zugemutet werden kann.


Letztlich obliegt aber natürlich die Entscheidung dem Bauausschuss. Der Sachvortrag ist deswegen etwas länger ausgefallen, weil die Entscheidung eine bindende Bezugsfallwirkung für künftige Bauvorhaben mit ähnlicher Fallkonstellation auslösen wird (Gleichheit vor dem Gesetz).

Beschluss

GR-Mitglied Kraus ist gemäß Art. 49 Gemeindeordnung als beauftragter Architekt von der Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen.

Der Bauausschuss nimmt den Vortrag der Verwaltung zur Kenntnis und lehnt die beantragte Fällung der geschützten Rotbuche ab, da sich an der Situation der Schutzwürdigkeit der be- eindruckenden Rotbuche durch die vorliegende Tektur nichts geändert hat.

Es sind vielmehr die Schutzmaßnahmen aus der rechtsgültigen Baugenehmigung umzusetzen oder die Planung dahingehend zu ändern, dass öffentlich-rechtliche Belange (worunter auch der Baumschutz zu subsumieren ist) nicht berührt werden.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 9, Dagegen: 1

Datenstand vom 09.08.2017 11:31 Uhr