Antrag auf Nutzungsänderung des Untergeschosses eines Geschäftsgebäudes zu einer Flüchtlingsunterkunft mit 24 Bewohner auf Fl.Nr. 1278/6, Gemarkung Türkenfeld im Baugebiet "GE Nord" - erneute Vorlage nach Aufforderung durch das Landratsamt Landshut


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 26.02.2025

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Hohenthann) Sitzung des Gemeinderates 26.02.2025 ö 4

Sachverhalt

Der Grundstückseigentümer stellt Antrag auf Nutzungsänderung des Untergeschosses eines Geschäftsgebäudes zu einer Flüchtlingsunterkunft mit 24 Bewohner auf dem Grundstück Fl.Nr. 1278/6, Gemarkung Türkenfeld in Hohenthann.
Die Nachbarunterschriften wurden vom Antragsteller nicht beigebracht bzw. nicht erteilt.
Das Bauvorhaben befindet sich im Bebauungsplangebiet „Gewerbegebiet Nord“ in Hohenthann.
Folgende Festsetzung des Bebauungsplanes wird in dem Bauantrag nicht eingehalten:
- Zulassung von Ausnahmen § 8 Abs. 3 BauNVO Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke
In der Gemeinderatssitzung von 10.09.2024 wurde dem Antrag das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt. 
Mit Schreiben vom 05.02.2025 wurde die Gemeinde vom Landratsamt aufgefordert das gemeindliche Einvernehmen zu erteilen. 
Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB darf das Einvernehmen der Gemeinde nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagt werden.
Nach derzeitiger Auffassung des Landratsamtes Landshut kann trotz des versagten Einver-nehmens die Baugenehmigung erteilt werden. Das Landratsamt Landshut beabsichtigt, eine Ausnahme von der Festsetzung der Gebietsart „Gewerbegebiet" wegen der Nutzungsänderung zu einer Anlage für soziale Zwecke „Flüchtlingsunterkunft" gem. § 31 Abs. 1 i. V. m. § 246 Abs. 11 BauGB zu erteilen. Dem Vorgehen des Landratsamtes Landshut liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Das Baugrundstück liegt innerhalb des Geltungsbereiches des qualifizierten Bebauungsplans "GENord", Deckblatt Nr. 1. Die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des beantragten Vorhabens basiert auf der Rechtsgrundlage des § 30 Abs. 1 BauGB. Demnach ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
Die Erschließung ist gemäß der Stellungnahme der Gemeinde vom 23.09.2024 gesichert.
Der Bebauungsplan weist für das Baugrundstück ein Gewerbegebiet gem. § 8 BauNVO aus. Die Zulässigkeit des beantragten Vorhabens in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung bestimmt sich regelmäßig danach, ob es im Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) allgemein oder ausnahmsweise zulässig ist. Gemäß § 31 Abs. 1 BauGB können von den Festsetzungen des Bebauungsplans solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgehen sind.
Die beantragte Nutzung fällt unter die Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte des § 246 BauGB. Diese gelten für alle Unterbringungsformen, die Vorhaben dienen, mit denen die öffentliche Hand ihre staatliche Unterbringungsverantwortung wahrnimmt. Erfasst werden jedoch auch Vorhaben privater Vorhabenträger, wenn sie in Abstimmung mit der öffentlichen Hand errichtet werden.
Mit der Einführung des § 246 Abs. 11 BauGB hat der Gesetzgeber die Richtung des Ermessens über die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB für Anlagen für soziale Zwecke, die der Unterbringung und weiteren Versorgung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, in Baugebieten nach den §§ 2 bis 8 BauNVO, in denen Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, im Sinne eines intendierten Ermessens vorgezeichnet. Das bedeutet, dass das Ermessen regelmäßig zugunsten einer Zulassung solcher Vorhaben ausgeübt werden soll. Es ist in der Regel von der abstrakten Gebietsverträglichkeit der genannten Unterkünfte in den Baugebieten nach §§ 2 bis 8 BauNVO auszugehen.
Im vorliegenden Fall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen insofern gegeben, als das beantragte Vorhaben die Nutzungsänderung eines bislang gewerblich genutzten Gebäudes in einem Gewerbegebiet in eine Flüchtlingsunterkunft zum Inhalt hat und nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 3 BauNVO Anlagen für soziale Zwecke im Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässig sind; von einem Ausschluss derartiger Anlagen nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO wurde kein Gebrauch gemacht.
In Hinblick auf die ermessenssteuernde Wirkung des § 246 Abs. 11 BauGB bedarf es besonderer Gründe, wenn die Erteilung einer Ausnahme verweigert werden soll (vgl. Battis/Krautzberger/ Löhr/Mitschang/Reidt, 15. Aufl. 2022, BauGB S 246 Rn. 31). Solche Gründe sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Anforderungen an eine konkrete Gebietsverträglichkeit bzw. das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot aus § 15 Abs. 1 BauNVO sind erfüllt.
Aufgrund der Lage in einem festgesetzten Gewerbegebiet wurde eine immissionsschutzfachliche Stellungnahme eingeholt. Diese Bewertung fiel positiv aus. Eine unzulässige Belastung der umliegenden Wohn- und Gewerbenutzungen wurde ausgeschlossen.
Das Vorhabensgrundstück ist zudem keinen unzumutbaren Belästigungen durch die umliegenden gewerblichen Nutzungen im Gewerbegebiet bzw. Mischgebiet ausgesetzt. Im Übrigen ist die Unterkunft auch mit der Nutzung des restlichen Gebäudes vereinbar.
Von den Absätzen 8 bis 13 darf nur Gebrauch gemacht werden, soweit dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können (§ 246 Abs. 13a BauGB). Im Landkreis Landshut herrscht ein dringender Bedarf an Flüchtlingsunterkünften. Zum jetzigen Zeitpunkt wird die Aufnahmequote im Landkreis Landshut lediglich zu ca. 70 % erfüllt. Im Gemeindebereich Hohenthann ist zudem bisher keine andere Unterkunft vorhanden oder in Aussicht. Die Zulassung des Vorhabens ist daher in Hinblick auf die aktuelle Unterquote bei der Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis Landshut zur Deckung des Unterbringungsbedarfs geboten.
Nach Art. 67 Abs. 1 BayBO kann, wenn eine Gemeinde ihr erforderliches Einvernehmen rechtswidrig versagt, das fehlende Einvernehmen ersetzt werden. Das Landratsamt Landshut beabsichtigt deshalb, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen. Diese Baugenehmigung gilt zugleich als Ersatzvornahme im Sinne des Art. 113 GO (Art. 67 Abs. 3 Satz 1 BayBO).
Hiermit wird der Gemeinde gemäß Art. 67 Abs. 4 BayBO Gelegenheit gegeben, bis spätestens
05.03.2025 erneut über das gemeindliche Einvernehmen zu entscheiden.

Die Vorsitzende verlas die eingegangenen Stellungnahmen und Einwände von drei Bürgern. 
Diese Unterlagen werden dem LRA weitergegeben. 

Beschluss

Im BBP „GE Nord wurde im Deckblatt Nr. 1 festgelegt, dass keine Beherbergungsbetriebe; Wohnnutzung, die über Betriebsleiterwohnungen hinausgehen sowie Vergnügungsstätten erstellt werden dürfen. Eine Flüchtlingsunterkunft wird von der Gemeinde auch als Wohnung für diese gesehen, da eine Eigengestaltung der Haushaltsführung vorhanden ist.  Außerdem gibt es hohe Auflagen vom LRA bei der Genehmigung von Betriebsleiterwohnung in Gewerbegebieten für unsere Gewerbetreibenden. Da auch die gegenüberliegende Seite der Gewerbestraße in Ihren öffentlich-rechtlichen Belangen betroffen sind, sollten diese auch als Nachbarn beteiligt werden.
Folgende Befreiung von der Festsetzung im BBP „Gewerbegebiet Nord“ wird nicht eingehalten:
Zulassung von Ausnahmen § 8 Abs. 3 BauNVO Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke. 
Der Gemeinderat beschließt, dass den aufgeführten Befreiungen zugestimmt und hierfür das gemeindliche Einvernehmen erteilt wird.
Der Gemeinderat beschließt außerdem, dass diesem Bauantrag zugestimmt wird und hierfür das gemeindliche Einvernehmen erteilt wird.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 5, Dagegen: 8

Abstimmungsbemerkung
Aufgrund des Abstimmungsergebnisses ist der Antrag abgelehnt.

Datenstand vom 19.03.2025 11:44 Uhr