Der Bebauungsplan Nr. 37 „Berliner Platz“, rechtsverbindlich seit 23.03.2013, wurde aufgestellt, um die Art der baulichen Nutzung für den Bereich Berliner Platz und Rickenbacher Straße zu steuern.
Mit der Festsetzung der zulässigen Art der Nutzung sollte die, insbesondere im Bereich nördlich der Bregenzer Straße entlang der Rickenbacher Straße und der Kemptener Straße, vorhandene Mischung von Wohnen, vorrangig inhabergeführtem Einzelhandel, Dienstleistung und Gewerbe gesichert bzw. weiterentwickelt werden. Der Nutzungskatalog des allgemeinen Wohngebiets und des Mischgebiets wurde eingeschränkt um ungewünschte Nutzungen, im Mischgebiet insbesondere Vergnügungsstätten, zu verhindern. Die Klarstellung der zulässigen Nutzungen schließt somit Vorhaben mit einem hohen Konfliktpotential bzw. Vorhaben, die mit der vorhandenen Bebauungsstruktur nicht verträglich sind, aus.
Die Entwicklung des Berliner Platzes und dessen Umfeld ist nach wie vor ein Schwerpunkt und wichtige Aufgabe der städtebaulichen Entwicklung in Lindau.
In der Voruntersuchung zum Sanierungsgebiet „Reutin Mitte“ (November 2020) wurde der Straßenzug genauer analysiert. Die Rickenbacher Straße stellt eine klassische Einkaufsstraße mit kleinteiligem Einzelhandel dar, in der sich gastronomische Angebote, Angebote des Beherbergungsgewebes, Dienstleistungen und Einzelhandel in fußläufig idealer Distanz abwechseln. Städtebauliche Missstände werden jedoch u.a. durch das Fehlen von räumlicher Gestaltung des Straßenbereichs festgestellt (S.21 der vorbereitenden Untersuchungen (VU) für den Bereich „Reutin Mitte“ – integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept, November 2020). In den älteren Bereichen der Rickenbacher Straße wird zudem ein hoher Sanierungsbedarf der Gebäude gesehen. Die Parkmöglichkeiten entlang der Rickenbacherstraße werden in der vorbereitenden Untersuchung als noch unzureichend beschrieben, die Gehwege entlang der Rickenbacher Straße weisen mehrere Engstellen auf.
Zum damaligen Zeitpunkt waren zwar keine Leerstände zu verzeichnen, jedoch wurde festgehalten, dass der Bereich der Rickenbacher Straße grundsätzlich von Trading-Down-Effekten betroffen sein könnte.
Die Situation des Leerstandes hat sich inzwischen geändert und in den Gebäuden mit der Hausnummer 7, 11 und 14 liegt aktuell keine Nutzung vor.
Auch im Einzelhandelskonzept für die Stadt Lindau aus dem Jahr 2015 wird der Bereich der Rickenbacher Straße als Bestandteil des Sonderstandorts „Reutin“ mit Einzelhandelsschwerpunkt definiert und im Zusammenhang mit der Entwicklung des Berliner Platzes gesehen. Als Schwächen und Risiken des Bereichs wurden dessen Inhomogenität sowie Qualitätsprobleme und Renovierungsbedarfe genannt. Als Handlungsempfehlungen für den Bereich der Rickenbacher Straße wurde die Verbesserung der Aufenthaltsqualität und des Erscheinungsbildes wie auch die Entwicklung und Aufwertung von Einzelbetrieben bzw. Immobilien festgehalten. Weiterhin gilt es im Allgemeinen eine deutliche Qualitätssteigerung des Einzelhandelsschwerpunkt Reutin herbeizuführen, um diesen auch langfristig als solchen sichern zu können.
Abbildung 1: Auszug aus Einzelhandelskonzept Stadt Lindau (2015)
Mit den geplanten Entwicklungen des Bahnhofs Reutin und des Berliner Platzes sowie auch durch die kürzlich vorgestellte Neugestaltung des Lindauparks (Bau- und Umweltausschuss vom 21.01.2025) wurden und werden hier bereits die gewünschten städtebaulichen Entwicklungen angestoßen. Im Bereich der Rickenbacher Straße ist es nun erforderlich über eine Änderung des bestehenden Bebauungsplanes die Ziele zur Stärkung dieses Einzelhandelsstandortes umzusetzen.
Der Bauverwaltung liegt seit Ende 2024 ein Baugesuch vor, welches den Umbau und die Sanierung eines Mehrfamilienhauses in der vorderen Rickenbacher Straße vorsieht. Dieses Vorhaben sieht im Erdgeschoss eine gewerbliche Nutzung (Verkaufsraum) und eine Wohnnutzung vor. Das Bauvorhaben sieht einen viergeschossigen Flachdachbau mit vorgelagertem Erdgeschoss und einem zurückversetzten fünften Dachgeschoss vor. Im Erdgeschoss ist eine gewerbliche Nutzung (Verkaufsraum) sowie eine Wohnnutzung vorgesehen, in den übrigen Geschossen sind ausschließlich Wohnnutzungen geplant.
Aus städtebaulicher Sicht sollte die Erdgeschosszone des westlichen Bereichs der Rickenbacher Straße hauptsächlich dem Einzelhandel vorbehalten bleiben. Ergänzend sind hier auch gastronomische Nutzungen, Handwerksbetriebe oder freie Berufe vorstellbar.
Die geplante Gestaltung des Gebäudes, insbesondere die Dachgestaltung, stellt für die Rickenbacher Straße einen Bruch zu der Bestandsbebauung dar. Im Bestand bestehen derzeit nur geneigte Dächer, teilweise mit Dachaufbauten (Zwerchgiebel, Gauben).
Zunehmender Leerstand sowie eine fehlende (vertikale) Nutzungsgliederung und fehlende Gestaltungsgrundsätze des bestehenden Bebauungsplanes gefährden die städtebauliche Entwicklung in der Rickenbacher Straße, so dass hier über eine Bebauungsplanänderung steuernd eingegriffen werden muss.
Ziele der Bebauungsplanänderung:
- Stärkung des zum Berliner Platz führenden Bereichs der Rickenbacher Straße als Einzelhandelsstandort durch Feinsteuerung der Nutzungsmischung
- Regelung der Baugestaltung mit Orientierung am Bestand
Mit einem vorliegenden Aufstellungsbeschluss kann die Bauverwaltung das o.g. Baugesuch für 12 Monate zurückstellen, wenn zu befürchten ist, dass das Vorhaben den beabsichtigten Planungszielen entgegensteht.