- Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Augsburg gegen die erteilte Baugenehmigung:
Das Klageverfahren wird aus Sicht der Stadtverwaltung sehr wahrscheinlich nicht erfolgreich sein, da unabhängig der in Frage stehenden objektiven Rechtmäßigkeit keine subjektiv-öffentlichen drittschützenden Normen durch die Erteilung der Baugenehmigung verletzt werden. Die Klage ist somit unbegründet, wird daher abgewiesen werden und die Baugenehmigung wird Rechtskraft erlangen.
- Fachaufsichtsbeschwerde bei der Regierung von Schwaben (RvS):
Die RvS beanstandet, dass unabhängig der eigentlichen Tiefe der Überschreitung der Satzungsgrenze eine objektive Rechtsverletzung vorläge, da diese eindeutig den Außenbereich vom Innenbereich trenne. Ein Vorhaben, das sich über Innen- und Außenbereich erstreckt, kann nicht getrennt beurteilt werden. Es muss insgesamt entweder als zulässig oder unzulässig angesehen werden (Unteilbarkeit des Vorhabens).
Eine parallele Anwendung von § 34 und § 35 BauGB ist rechtlich nicht vorgesehen. Die Genehmigung erfolgte daher gesamthaft nach § 34 BauGB (Kombinationsverbot). Gemäß Rechtsauffassung der RvS hätte das Vorhaben Gesamthaft abgelehnt werden müssen. Eine Genehmigungsfähigkeit für den im Außenbereich befindlichen Teil nach § 35 Abs. 2 BauGB sieht die Regierung nicht, da öffentliche Belang beeinträchtigt sein könnten.
Aufgrund der erteilten Baugenehmigung außerhalb der Satzungsgrenze, unabhängig des Umfangs der Überschreitung, besteht ein Vertrauensschutz auf die Rechtmäßigkeit und den Bestand der Baugenehmigung und der Bauherr könnte ggf. Schadensersatz gegenüber der Stadt geltend machen, sollte die Baugenehmigung zurückgenommen werden. Auch hält die RvS die Rücknahme der Baugenehmigung für unverhältnismäßig und somit nicht rechtmäßig, da auf andere Art und Weise rechtmäßige Verhältnisse geschaffen werden können. Die Regierung zeigte sich über die fehlende Begründung der Satzung irritiert. Die Regierung von Schwaben als Fachaufsichtsbehörde empfiehlt daher, einen Aufstellungsbeschluss zur Erweiterung der Satzung zu fassen.
- Juristische Überprüfung durch externe Rechtsberatung:
Nach Rücksprache mit einer externen Rechtsberatung wird die Frage aufgeworfen, inwiefern die Satzung überhaupt rechtmäßig erlassen wurde und daher den Innen- von dem Außenbereich rechtsverbindlich abgrenzt, oder ob die Satzung aufgrund formeller und materieller Fehler überhaupt anwendbar ist. Wie bereits in der letzten Sitzung durch ein Mitglied des Bau- und Umweltausschusses mitgeteilt, wurde die Satzung aufgrund eines Petitionsbeschlusses erlassen. Da keinerlei Begründung oder sonstige festgehaltene städtebauliche Erwägungen vorliegen, ist die erforderliche Abwägung nicht mehr nachvollziehbar. Es kann angenommen werden, dass damals eine willkürliche Abgrenzung zwischen Außen- und Innenbereich gezogen wurde. Allein aus diesen Erwägungen wäre eine Überarbeitung der Satzung anzudenken.
Im Übrigen schließt sich der Fachanwalt der Fachaufsicht an, sieht aber auch nicht unbedingt eine Genehmigungsfähigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB ausgeschlossen.
- Fachliche Einschätzung des Stadtbauamtes zur Städtebaulichen Situation:
Das Vorhaben fügt sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein und ist sowohl aus städtebaulichen als auch aus planerischen Gesichtspunkten für den Standort verträglich. Drittschützende oder nachbarrechtliche Belange sind nicht verletzt. Gerade auch im Hinblick auf den Status der Stadt Lindau als Kommune mit angespanntem Wohnungsmarkt ist die Umsetzung des Vorhabens trotz der Grenzüberschreitung für die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum für Familien gelungen. Wie dem Freiflächenplan entnommen werden kann, wurde auf eine familienfreundliche Freiraumgestaltung geachtet und ein Kinderspielplatz entsprechend der derzeit noch geltenden kommunalen Freiflächengestaltungssatzung vorgesehen, da in der näheren und weiteren Umgebung kein öffentlicher Spielplatz zur Verfügung steht. Dies sind für das Genehmigungsverfahren zwar sachfremde Entscheidungsgründe, doch entspannt es die räumliche Situation innerhalb der Wohnanlage und bietet eben die Möglichkeit zur qualitätvolleren Nutzung des Wohnumfeldes.
- Vergleichbare Fälle im übrigen Stadtgebiet:
In der Vergangenheit wurden bereits ähnliche Fälle genehmigt. Unter anderem wurden mehrere Gebäude bis zur Hälfte außerhalb der Grenze der Satzung „Rickatshofen“ genehmigt (siehe Anlage) und auch in unmittelbarer Nähe zum Vorhabensgrundstück wurde in der Schöngartenstraße 18 ein ähnliches Projekt nach § 35 Abs. 2 BauGB genehmigt unter der Bedingung nachträglich die Fläche in den Innenbereich durch Satzung einzubeziehen.