Defizite hinsichtlich der Erschließungsqualität gibt es derzeit lediglich im nördlichen Stadt-randgebiet Lindaus mit einzelnen Ortsteilen und Weilern. Aufgrund sehr geringer Einwoh-nerzahlen wurde bereits im Rahmen des KLiMos und Nahverkehrsplans die Erschließung mit einem Bedarfssystem empfohlen. Flexible Bedienungsformen, in Form von Ridepooling, können dazu beitragen, auch geringe Nachfragepotenziale effizient zu bedienen.
Darüber hinaus soll eine Bedienung aller Haltestellen im Stadtgebiet mit Ridepooling außerhalb der festgelegten Bedienungszeiten geprüft werden. Eine Nachfrage außerhalb der festgelegten Bedienungszeiten wird i.d.R. durch Berufspendler, Schichtarbeiter oder in den Abendstunden durch Freizeitnutzer generiert.
- Beschreibung von Ridepooling-Angeboten
Die Ridepooling-Angebote zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:
- Verzicht auf feste Haltestellen, Fahrpläne und Linienwege
- Internet- oder Telefonbasierte Buchungsmöglichkeit mithilfe von mobilen Apps
- Echtzeitbasierte Disposition (d.h. „auf Abruf“)
- Pooling (Bündelung) von zeitlich und räumlich korrespondierenden Fahrtwünschen (d.h. mehrere Fahrgäste werden aufgenommen bzw abgesetzt)
Ridepooling-Angebote, auch Demand Responsive Transportation (DRT) genannt, sind digitale Mobilitätskonzepte, bei denen Fahrtwünsche unterschiedlicher Fahrgäste in Echtzeit gebündelt werden. Aus der haltestellenunabhängigen Bedienung und die durch den Verzicht auf feste Fahrpläne entstehenden großen zeitlichen Flexibilität resultiert für Nutzer des Verkehrssystems eine hohe Quality of Service, die im Sinne einer Mobility-as-a-Service (MaaS) die Vorteile individueller und öffentlicher Verkehrssysteme vereint.
Konventionelle öffentliche Verkehrssysteme besitzen Soll-Fahrpläne, die angeben zu welcher Zeit die im Verkehrsnetz entlang definierter Linienwege verorteten Haltestellen bedient werden. Flexible Angebotsformen hingegen stellen sich auf Nachfrageänderungen ein, sodass bedarfsorientierte Verkehrsangebote entstehen.
- Unterschied zwischen klassischen Rufbussen und neuen Ridepooling-Angeboten
Im ländlichen Raum mit disperser Siedlungsstruktur sind konventionelle bedarfsorientierte Nahverkehrssysteme seit langem etabliert. Diese sogenannten Rufbusse (AST) werden dort eingesetzt, wo aufgrund schwacher Nachfrage die Einrichtung eines regelmäßigen fahrplanbasierten Linienverkehrs nicht sinnvoll ist. Dadurch kann insbesondere während Zeiten geringer Verkehrsnachfrage zur Kostendeckung beigetragen werden. Meist erfolgt die Buchung eines Rufbusses telefonisch durch die Nutzer. Die notwendige Vorbuchungszeit, also der Zeitraum, der zwischen der Äußerung des Fahrtwunsches und dem Beginn der Fahrt liegt, kann dabei eine bis mehrere Stunden betragen. Der Grund für diese notwendige Vorbuchungszeit liegt dabei häufig in der Tatsache, dass die Fahrtwünsche von Fahrgästen manuell zu Routen gebündelt werden müssen.
Ridepooling-Angebote unterscheiden sich von Rufbussystemen dadurch, dass sie einen deutlich höheren Spontaneitätsgrad besitzen. Diese responsiven Verkehrssysteme reagieren dynamisch auf aktuelle Fahrtwünsche. Ridepooling-Fahrten werden im Idealfall ad hoc bereitgestellt. Durch Algorithmen basiertes Matching von Fahrtwünschen unterschiedlicher Nutzer, die zeitlich und räumlich harmonieren, entstehen individuelle Routen. Der Betrieb eines Ridepooling-Angebots wird zentral organisiert, sodass Fahrtwünsche zu umwegminimalen Routen kombiniert und auf die verfügbaren Fahrzeuge verteilt werden. Diese Echtzeitdisposition erfolgt über eine digitale Plattform, in der die von Nutzern mithilfe von Apps angeforderten Fahrten zusammengeführt werden.
- Digitalisierung im Nahverkehr
Digitalisierung und Vernetzung sowie neue Mobilitätsformen, die insbesondere Shared Mobility und On-Demand-Dienste beinhalten und eine stärkere Individualisierung der Mobilität ermöglichen, stellen laut einiger Experten die großen Megatrends im Nahverkehr dar. Digitalisierung führt derzeit zu einem Wandel der Nutzungsgewohnheiten in verschiedenen Lebensbereichen.
Ridepooling-Angebote unterscheiden sich von konventionellen Verkehrssystemen durch den Einsatz echtzeitbasierter Informations- und Kommunikationstechnologie. Fahrgäste werden durch App-basierte Onlineplattformen in die Lage versetzt, Fahrtwünsche schnell und unmittelbar an das System zu übermitteln. Die Bündelung korrespondierender Fahrtwünsche geschieht ebenfalls dynamisch – mithilfe von Matching-Algorithmen und echtzeitbasierter Disposition. So entstehen durch Digitalisierung neue Möglichkeiten der Harmonisierung von Verkehrsangebot und -nachfrage. Durch die beschleunigte Übermittlung von Fahrtwünschen und Zusammenstellung von Fahrten zu Routen im Bediengebiet wird die Spontaneität im Vergleich zu den zuvor beschriebenen Rufbussen erhöht. Fahrgäste erleben damit eine höhere Flexibilität im Sinne einer Mobility-as-a -Service (MaaS).
- Rideepooling als attraktive Ergänzung des ÖPNV
Flexible Mobilitätsangebote, die sich am individuellen Mobilitätsbedarf der Nutzer orientieren, gewinnen seit einiger Zeit immer mehr an Bedeutung und werden damit den steigenden Anforderungen von Fahrgästen an die Individualisierung der Mobilität gerecht.
Die beschriebenen Ridepooling-Angebote sehen die Bündelung von Fahrtwünschen vor. Zur Sicherstellung der kombinierten Nutzung mehrerer Verkehrsangebote im Sinne der Intermodalität stellen bedarfsorientierte Mobilitätskonzepte, die den Zugang zum bestehenden Linienverkehr erlauben, den größten Nutzwert für Fahrgäste dar. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung eines Ridepooling-Angebots als Zubringer zu einem übergeordneten Verkehrssystem wie der Bahn, sodass zusätzlich zur Feinerschließung auch größere Distanzen bewältigt werden können. Um die räumliche Erschließung in den Ortsteilen im nördlichen Stadtgebiet Lindaus zu verbessern, sollen durch das Ridepooling-Angebot die konventionellen Linienverkehre ergänzt werden. Diese flexiblen Bedienungsformen können dazu beitragen, auch geringe Nachfragepotenziale effizient zu bedienen. Diese Zubringer Funktion soll in Lindau als Pilotprojekt getestet werden.
- Besondere Vorteile für ältere Menschen und Rollstuhlfahrer
Besonders hervorzuheben ist, dass Ridepooling-Angebote insbesondere die Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten MitbürgerInnen berücksichtigen. Zum einen ist der Service, zu einem ihnen beliebigen Zeitpunkt vor der Haustür abgeholt bzw. abgesetzt zu werden, gerade für ältere Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind ein enormer Vorteil gegenüber dem Weg zur Haltestelle und den ggfs. 30-minütigen Wartezeiten beim Bussystem. Diese Systematik ist auch für Rollstuhlfahrer von Vorteil. Hinzukommt, dass die eingesetzten Ridepooling-Fahrzeuge über (elektrische) Rollstuhlrampen und –plätze verfügen.
- Beschreibung der geplanten Maßnahmen
Das Angebot soll als Pilotprojekt für drei Jahre getestet werden. Die konzessionsrechtlichen Bedingungen sind zusammen mit der Regierung von Schwaben zu klären.
- Räumliche und zeitliche Verortung des Ridepooling-Angebots
Um die räumliche Erschließung in den Ortsteilen im nördlichen Stadtgebiet Lindaus zu verbessern, sollen flexible Bedienungsformen die konventionellen Linienverkehre ergänzen. Flexible Bedienungsformen, in Form von Ridepooling, können dazu beitragen, auch geringe Nachfragepotenziale effizient zu bedienen.
Darüber hinaus soll eine Bedienung aller Haltestellen im Stadtgebiet mit Ridepooling außerhalb der festgelegten Bedienungszeiten angestrebt werden. Eine Nachfrage außerhalb der festgelegten Bedienungszeiten wird früh morgens i.d.R. durch Berufspendler oder Schichtarbeiter generiert. Darüber hinaus sollen die Abfahrten stark nachgefragter Pendlerzüge Berücksichtigung finden. In den Abendstunden, nach den festgelegten Bedienungszeiten des Stadtbusses, wird die Nachfrage ebenfalls durch Schichtarbeiter, aber auch durch Freizeitnutzer generiert. Deswegen soll die Bedienung mit Ridepooling auf die Ankünfte der Züge in Lindau abgestimmt.
- Flotte und Betrieb
Der geplante Ridepooling ist ein System bedarfsgesteuerter Kleinbusse. Fahrgäste buchen ihre Fahrtwünsche vor Fahrtbeginn über App, Internet oder Telefon. Ridepooling soll verschiedene Routen mit ähnlichem Start und Ziel kombinieren und als Zubringer zu vorhandene Buslinie verkehren. Gleichzeitig kann das Prinzip geteilter Fahrten die Kosten und den CO2-Ausstoß reduzieren.
Für das Ridepooling-Angebot kommen 2 Sprinter inkl. Rollstuhlplatz (11- Sitzer) und 2 Spinter (7 Sitzer) zum Einsatz. Das erste Betriebsjahr soll mit zwei Fahrzeugen (mit je 11 Sitzen) starten, zwei weitere Fahrzeuge (mit je 7 Sitzen) sollen ab dem zweiten Jahr eingesetzt werden. Die Fahrzeuge sollen über ein Leasing beschafft werden.
Der Betrieb, die Software und die benötigte Technologie werden ausgeschrieben. Zurzeit gibt es viele privatwirtschaftliche Unternehmen auf dem Markt mit dem benötigten technischen Know-How (Software und Algorithmen) sowie operativer Erfahrung. Es wird eine Zusammenarbeit mit dem Stadtverkehr Lindau (SVL) angestrebt, damit die beabsichtigte Verknüpfung mit dem Stadtbus gewährleistet ist. Es muss geprüft werden ob der SVL direkt den Betrieb über öDA übernehmen kann.
Die Marktanalyse hat gezeigt, dass derzeit sowohl privatwirtschaftlich betriebene Anbieter wie auch öffentliche Verkehrsunternehmen Ideen entwickeln und erproben, wie neue digitale Mittel den Nahverkehr verbessern können. Zudem wurde dargelegt, dass von Seiten der Nutzer ein großes Bedürfnis nach einer Flexibilisierung öffentlicher Verkehrskonzepte besteht. Aktuell findet eine Transformation auf dem Mobilitätsmarkt statt, die von Nutzern ebenso wie von Betreibern mitgestaltet werden kann.
- Kosten und Finanzierung
Angesichts der angespannten Haushaltssituation der Stadt Lindau muss realistischer Weise davon ausgegangen werden, dass die Kosten für die oben beschriebene Investition und den Betrieb aus eigener Kraft nicht aufgebracht werden können. Vor dem Hintergrund wurden für das Projekt zwei verschiedene Förderanträge (bei Land und Bund) eingereicht.
- Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bietet mit dem Förderprogramm „Modellprojekte zur Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs“ eine attraktiver Förderquote von 80%. Die Stadt hat im März 2021 eine Projektskizze hierfür eingereicht. Hier wurden zwei Teilprojekte beantragt. 1. Einführung des Ridepooling-Angebotes. 2. Etablierung einer Mobilitätsplattform im Sinne einer “mobility as a Service”. Lt. Aussage der Projekträger kann vorautstichlich im Oktober mit einer endgültigen Rückmeldung /Bewertung gerechnet werden.
- Der Freistaat Bayern bietet mit dem Förderprogram „Mobilität im ländlichen Raum“ eine degressive Förderquote für die Betriebskosten (1. Jahr = 65%, 2. Jahr =55%, 3. Jahr = 45%). Die Stadt hat im August 2021 ein Antrag bei der Regierung von Schwaben eingereicht, die Investitionskosten sind hier nicht förderfähig. Dieses Förderprogramm wird als zweite Option betrachtet, weil die Förderkonditionen weniger attraktiv sind.
Die Investitions- und Betriebskosten stellen sich nach aktuellen Erkenntnissen wie folgt dar:
Investitionskosten: 45.000 € für 2 Sprinter (11- Sitzer) inkl. Rollstuhlsystem, Software und- Hardware für Ridepooling
Betriebskosten: 12.500€ / monatlich für 2 Fahrzeuge
- Fazit
Bei dem Pilotprojekt handelt es sich um eine Mobilitätsverbesserung, die in erster Linie von der Stadt Lindau (B) als Aufgabenträgerin zur Verfügung gestellt wird. Auch die Verknüpfung der Angebote mit dem örtlichen ÖPNV im Rahmen der Daseinsvorsorge wird angestrebt. Mit Ridepooling versucht die Stadt den ÖPNV attraktiver zu gestalten und einen weiteren Grundstein für die Mobilitätswende zu legen. Es handelt sich beim Projekt um eine Ergänzung des vorhandenen ÖPNV-Angebotes, die zur weiteren Reduktion des motorisierten Individualverkehrs beitragen soll. Ohne eine staatliche Unterstützung ist dieses Angebot jedoch nicht realisierbar.
Das Angebot soll als Pilotprojekt für drei Jahre getestet werden. Die konzessionsrechtlichen Bedingungen sind zusammen mit der Regierung von Schwaben zu klären. Eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz kann erst nach Erhalt einer Bewilligung bei der Regierung von Schwaben beantragt werden.