Lastenrad-Mietsystem: Betrieb und weiteres Vorgehen


Daten angezeigt aus Sitzung:  1. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, 16.04.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Umweltausschuss (Stadt Lindau) 1. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses 16.04.2024 ö beschließend 8

Sachverhalt

Die Stadt Lindau hat sich im Jahr 2020 für das Modellprojekt „Lastenrad mieten, Kommunen entlasten“ des Freistaates mit Erfolg beworben und für die Errichtung eine Förderung in Höhe von 90 % der Kosten erhalten. Die laufenden Kosten des Betriebs sollten im Folgenden überwiegend durch die Mieteinnahmen gedeckt werden.

Der GTL-Werkausschuss beauftragte die Verwaltung in der Sitzung vom 23.09.2020 mit dem Aufbau eines Lastenrad-Mietsystems (LMS). 
 
Die Lieferung von Lastenrädern, Stationen inkl. Ladeinfrastruktur sowie den Betrieb und Wartung des Lastenrad-Mietsystems wurden an die Firma Sigo GmbH, in Juni 2021 vergeben.
 
Im September 2022 startete das Lastenradmietsystem mit acht über das Stadtgebiet verteilten Stationen mit jeweils zwei Lastenfahrrädern. 

Ein Betreibervertrag wurde am 14.9.2022 für die ersten zwei Jahre mit der Firma Sigo abgeschlossen. Die Stadt muss bis 6 Monate vor Ablauf, also spätestens bis 13. Mai 2024 entscheiden, ob der Vertrag um weitere zwei Jahre entsprechend den Regelungen und im Umfang der Ausschreibung verlängert werden soll. 

Fachliche Bewertung

  1. Modellprojekt und Auswirkung

Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (StmB) hat als Träger des Modellprojekts die Firma die TINK GmbH mit der Beratung und Gesamtkoordination des Projekts beauftragt. Zu den Aufgaben von TINK gehörten die Projektleitung sowie die Beratung der Modellkommunen in allen Projektphasen, was der Stadt Lindau im Laufe des Projekts zugutekam.
 
Das Modellprojekt wurde in folgende Phasen unterteilt:

  • Planungsphase
  • Ausschreibungsphase
  • Bauphase
  • Einführungsphase
  • Verstetigungsphase
  
Nach rund eineinhalb Jahren seit der Inbetriebnahme ist die Bilanz des Systems positiv zu bewerten. Die Lindauerinnen und Lindauern nutzen die Lastenräder rege. Seit der Inbetriebnahme im September 2022 bis Ende Februar 2024 wurden insgesamt 2.510 Mietvorgänge registriert und bereits ca. 15.000 Kilometer mit den Lastenrädern zurückgelegt. Eine Umfrage der Stadt Lindau unter den Nutzerinnen und Nutzern ergab, dass sie bei 60 Prozent aller Fahrten mit dem Lastenrad eine Autofahrt ersetzt hätten. Somit hat das Projekt ein wichtiges Ziel der Stadt, den innerörtlichen Verkehr zu entlasten, erfüllt. Ein vollautomatisches Lastenradmietsystem ist für die Bürgerinnen und Bürger sehr komfortabel: Sie sparen sich Anschaffungskosten und Platz, gleichzeitig sind die Räder einfach zu mieten, jederzeit und kurzfristig verfügbar.
 
Auch die anderen sechs, am Projekt beteiligten Kommunen Cadolzburg, Freising, Lechbruck, Marktredwitz, Passau und Würzburg haben positive Erfahrungen mit dem Lastenrad-Mietsystem gemacht. Je nach Kommune gaben zwischen 51 und 77 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer an, dass sie mit der Lastenrad-Fahrt eine Autofahrt ersetzt hätten. Allein im Zeitraum Januar bis September 2023 wurden in den sieben Kommunen mindestens 9.000 Autofahrten vermieden. 
 
Das Modellprojekt hat die Stärken, aber auch Herausforderungen von Lastenrad-Mietsystemen aufgezeigt. Herausforderungen gab es zum Beispiel hinsichtlich die Ausschreibungsphase (Projekt mit Modellcharakter) und bei der Eindämmung von unsachgemäßem Gebrauch der Räder. Der Freistaat Bayern hat Lindau mit insgesamt 133.219,74 Euro bei der Einrichtung ihrer Mietsysteme unterstützt. Dies entspricht 90 Prozent der Gesamtinvestitionskosten (148.021,93 €).
 
Das Modellprojekt des Freistaats wurde am 31.12.2023 erfolgreich abgeschlossen. Die Zweckbindung wurde vom StMB wie folgt vorgegeben „Transporträder einschließlich der ggf. geförderten Stationen unterliegen einer Zweckbindung bis zum Ablauf der Projektlaufzeit (31.12.2023). Wenn nach Ablauf der Projektlaufzeit einzelne Räder veräußert werden, steht dem Freistaat der Veräußerungserlös zu. Für die Stellplätze gilt das vorstehend Ausgeführte entsprechend.“
 
Somit dürfen die Städte selber entscheiden, ob das LMS weiterführen wollen, was derzeit von allen Modellkommunen geplant ist.
 
  1. Betrieb und folgende Kosten

Die Firma Sigo wurde gemäß Ausschreibung mit dem Betrieb für zwei Jahre mit einer Verlängerungsoption für weitere zwei Jahre beauftragt.

Dem Betreiber obliegt die Unterhaltung und Reinigung von den Rädern und anderem Zubehör des Systems sowie die Verkehrssicherungspflicht. Zudem stellt der Betreiber folgende Basisleistungen für den Betrieb und die Unterhaltung des Lastenrad-Mietsystems in der Stadt Lindau bereit: 

  • Kontrolle, Pflege, Wartung und Reparatur der 16 Lastenräder
  • Nachweis geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung von Diebstahl oder mutwilliger Zerstörung von Lastenrädern und Stationen (Obhutspflicht)
 
Die offizielle Inbetriebnahme fand am 14.9.2022 statt, an dem auch der Betreibervertrag in Kraft trat.

Damit endet die Erstlaufzeit nach §§ 187 Abs.1, 188 Abs.2 BGB am 14. September 2024. Die Stadt muss somit spätestens bis zum 13. Mai 2024 mitteilen, ob sie den Vertrag um weitere zwei Jahre entsprechend den Regelungen und im Umfang der Ausschreibung verlängern möchte. Die Kosten im laufenden Betrieb belaufen sich dabei auf 29.960 EUR / Jahr; das entspricht 1.872 EUR / Lastenrad.
 
Wie in der Vorlage aus 2020 dargestellt, war geplant, die Betriebskosten mit Nutzerentgelten zu decken. Allerdings sind die Nutzerentgelte sehr gering, so dass keine Kostendeckung möglich ist. So hat der Betreiber letztes Jahr lediglich ca. 4.600 EUR an Nutzerentgelten erhalten, was nicht ausreicht, die laufenden Kosten zu decken. Um die Betriebskosten dauerhaft zu reduzieren, müssen andere Maßnahmen ergriffen werden.

Als Konsolidierungsmaßnahme hat die Stadtverwaltung bereits für das Jahr 2024 die Zuschüsse für die Beschaffung von Lastenräder eingestellt und somit eine Einsparung im Höhe vom 20.000 €/ Jahr erreicht. Als gegenwertige Leistung wurden nur die Betriebskosten für das Lastenradmietsystem im Verwaltungshaushalt belassen, diese Anpassung wurde von Kämmerei und Finanzausschuss positiv aufgenommen.

  1. Maßnahmen und Strategie um Betriebskosten zu reduzieren

Um die Betriebskosten kurz- und langfristig nachhaltig zu reduzieren, wollen Verwaltung und sigo folgende Maßnahmen gemeinsam eingehen:
 
  1. Werbeeinnahmen über Verkauf der Folierung :

Es müssen Partner identifiziert werden, die einen Werbevertrag für die Folierung auf den Rädern mit sigo abschließen. Optimal wird ein oder mehrere Vertragspartner gefunden, die den Marktpreis von bis zu 80 € pro Rad pro Monat für jede Folierung bezahlen. Das Sparpotenzial liegt hier also bei 10T€ bis 15 T€ pro Jahr.
 
  1. Tarifanpassung : 

Zurzeit sind die Lastenräder rund um die Uhr verfügbar. Die erste halbe Stunde ist kostenlos, dann kostet jede angefangene halbe Stunde 1,50 Euro. Um mehr Einnahmen zu generieren, empfiehlt der Betreiber ab dem 01.05.2024 die neuen Nutzerendgeldpreise einzuführen (sigo Standartpreise in Deutschland). Sigo führt derzeit eine Simulation der Einnahmen mit neuer Nutzerentgeldberechnung durch, um die Potenziale genau zu beziffern. Die möglichen Einnahmen werden die Betriebskosten direkt amortisieren
 
  1. Akquise von neuen Projektpartnern:

Es sollen Partner in Lindau gefunden werden, die langfristig als Stationspaten die Betriebskosten und Positionierung der Station inkl. zwei Räder übernehmen. Ziel ist der Erhalt aller Räder in Lindau und ggf. die Verlagerung der Standorte zu den Grundstücken der Paten (z.B. Landkreis, Wohnungswirtschaft). Die Abstimmungen dazu stehen aus.

Mit diesen Maßnahmen sollen die Betriebskosten nachhaltig reduziert werden. Falls diese Maßnahmen nicht funktionieren oder nicht die gewünschten Einsparungen erzielen, bleibt die Möglichkeit, nicht-wirtschaftliche Stationen einzustellen und so die Kosten wirksam zu reduzieren.
 
Fazit
Das Lastenrad-Mietsystem ist ein gelungenes Serviceangebot, welches von Seiten der Stadt zur Verfügung gestellt wird. Für die Stadt Lindau bietet das System die einzigartige Möglichkeit, mit innovativen Lösungen die Mobilitätswende aktiv zu gestalten. Hierdurch werden diese umweltfreundliche Mobilitätsart als Teil der Radverkehrsförderung gefördert ohne, dass sich die Nutzer ein teures Lastenrad beschaffen müssen. 
 
Nun befindet sich die Stadt aktuell in einem Konsolidierungsprozess und ist zwingend zu Einsparungen angehalten. Dies umfasst auch die Betriebskosten für das LMS, die bis jetzt als Radverkehrsförderung und freiwillige Aufgabe bereitgestellt wurden. Mit den hier genannten Maßnahmen möchte die Verwaltung die o.g. Maßnahmen gemeinsam mit dem Betreiber umsetzen, um die Betriebskosten zu reduzieren.

Finanzielle Auswirkungen


einmalig
laufend
Finanzielle Auswirkungen:
-
15.000€
Mittel stehen (nicht) zur Verfügung
Haushaltsstelle/
Deckungsvorschlag
-





Beschluss

  1. Der Bau- und Umweltausschuss beschließt die Umsetzung der o.g. Maßnahmen (1-
       3) zu den Kosteneinsparungen.

  1. Der Bau- und Umweltausschuss empfiehlt dem Finanzausschuss, die nötigen 
       Finanzmittel für den Betrieb des Lastenrad-Mietsystems im Verwaltungshaushalt 
       2025 /26 bereitzustellen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 12, Dagegen: 0

Abstimmungsbemerkung
Stadtrat Krühn ist zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht im Raum.

Dokumente
ö_TOP_8 (.pdf)

Datenstand vom 23.12.2024 08:54 Uhr