Jahresrechnung 2019 - Empfehlung des Prüfungsausschusses Vorlage an die Rechtsaufsichtsbehörde


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Marktgemeinderates, 07.04.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Marktgemeinderat Lupburg Sitzung des Marktgemeinderates 07.04.2022 ö 6

Sachverhalt

  1. Ausgangslage

Der Prüfbericht zur Jahresrechnung 2019 wurde der Verwaltung vom Ausschussvorsitzenden am 07.03.2022 mit folgendem Wortlaut vorgelegt:

III.        Weitere Prüfungen, Sonderprüfungen und dergleichen

Oberflächenentwässerung Hofäcker:
Dem Ausschuss ist unschlüssig warum die Erstellung der Oberflächenentwässerung des Baugebiets Hofäcker der Globalberechnung der Allgemeinen Entwässerungssatzung mit zugeordnet werden soll. Es handelt sich um eine Maßnahme, die nur für das dortige Baugebiet durchgeführt wurde und kann deswegen auch nur dort abgerechnet werden.

Um den Sachstand abschließend zu klären, bitten wir eine entsprechende schriftliche Anfrage an das Landratsamt Nkt zu geben und die Antwort in der Begründung bei der Abschlussbesprechung dieses Berichts vorzustellen.


Da es sich beim Rechnungsprüfungsausschuss nicht um einen beschließenden, sondern um einen vorberatenden Ausschuss handelt, kann die Rechtsaufsichtsbehörde nur tätig werden, wenn der Empfehlung des Ausschusses durch einen Gemeinderatsbeschluss gefolgt wird.


  1. Stellungnahme der Verwaltung

  1. Rechtliche Einordnung der Abwasseranlage des Marktes Lupburg

Das Baugebiet „Hofäcker“ sollte aus ökologischen Gründen, aber auch zur Entlastung der vorhandenen Mischwasserkanäle und der bestehenden – überlasteten - Mischwasserpumpstation im Nordosten Lupburgs, Eggenthaler Straße, im Trennsystem entwässert werden. Mischwasserentlastungen dienen dazu, bei Starkregenereignissen eine Entlastung der Regenwasserabflüsse aus der Kanalisation in die Gewässer zu ermöglichen, um hydraulische Überlastungen der Kanalisation zu vermeiden.  

Durch das Trennsystem wird das anfallende Niederschlagswasser aus dem Baugebiet in neu errichteten Oberflächenwassersammelkanälen einem ebenfalls neu gebauten Regenrückhaltebecken zugeführt. Von dort erfolgt der Ablauf über ein ebenfalls neues Drosselbauwerk in einen bestehenden, offenen und bewachsenen Entwässerungsgraben.

Der Markt Lupburg erhebt Herstellungsbeiträge und Gebühren gemäß der Entwässerungssatzung vom 14.12.2017 i.V.m. Art. 5, 8 und 9 des Kommunalabgabengesetzes (KAG).

In der Globalberechnung werden sämtliche, von Anbeginn für die Herstellung der Entwässerungseinrichtung angefallenen tatsächlichen Kosten und sonstige beitragsfähige Aufwendungen zuzüglich der nach bestehenden Planungsabsichten in überschaubarer Zukunft für die Erschließung weiterer Gebiete voraussichtlich zu erwartenden Kosten aufgeführt. Diese Kosten sind unterschiedslos auf alle Grundstücks- und Geschossflächen im gesamten zu entsorgenden Gemeindegebiet umzulegen (BayVGH, Urt. V. 07.05.1982 in BayVBl. 1983, S. 305; BayVGH, Beschluss v. 09.10.2001 in BayVBl. 2002, S. 86).
Dahinter steht der Grundgedanke der Globalberechnung, dass alle aktuellen und künftigen Benutzer der Entwässerungseinrichtung gleichermaßen zu den nicht durch Zuwendungen gedeckten Investitionskosten beizutragen haben. Demgemäß muss die Globalberechnung von den Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtung und der vorhersehbaren künftigen Anlagenteile ausgehen.

Eine (1) technisch verbundene Entwässerungseinrichtung liegt vor, wenn sie aus einem (einzigen) zusammenhängenden Rohrleitungs- /Kanalnetz besteht (BayVGH, Urteil vom 03.03.1988 – 23 N 85 A. 1103). Leitungsgebundene Anlagen, die technisch miteinander verbunden sind, sind als eine technische Anlage stets auch als eine rechtliche Einrichtung zu behandeln (BayVGH, Beschluss vom 14.12.1991 – 23 Cs 90.3638).

Daneben ist in Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG das Verbot einer abschnittsweisen Abrechnung normiert: Bei leitungsgebundenen Einrichtungen kann der (Herstellungs-)aufwand, unbeschadet der Art. 21 Abs. 2 GO nicht für bestimmte Abschnitte der Einrichtung ermittelt werden.

Art. 21 Abs. 2 GO führt aus, dass mehrere technisch selbständige Anlagen der Gemeinde, die demselben Zweck dienen, eine Einrichtung oder einzelne rechtlich selbständige Einrichtungen bilden können. Die Gemeinde entscheidet das durch Satzung; trifft sie keine Regelung, liegt nur eine Einrichtung vor.

Die Grenze dieser Ermessensentscheidung liegt jedoch bei dem erkennbaren Versuch einer abschnittsweisen Abrechnung.

So führt der BayVGH in seinem Urteil vom 20.10.1997 aus, dass eine unterschiedliche Belastung der Anschlussnehmer, die sich an einzelnen Baumaßnahmen orientiert, etwa an den Herstellungskosten der technisch getrennt arbeitenden Anlagen in einzelnen Gemeindegebietsteilen, zu einer unzulässigen abschnittsweisen Abrechnung führen und deshalb die Nichtigkeit der Beitragssatzung zur Folge haben würde.

Gemäß § 1 Abs. 1 der derzeit geltenden Entwässerungssatzung betreibt der Markt Lupburg eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung (Entwässerungseinrichtung) für das von der Einrichtung des Marktes entsorgte Gebiet. Es wurden daher keine getrennten Einrichtungen gebildet.

Das Regenrückhaltebecken und die Regenwasserkanäle im Baugebiet „Hofäcker“ stellen auch keine technisch selbständige Einrichtung dar. Gemäß BayVGH ist es für die Beurteilung einer technischen Selbständigkeit unerheblich, ob das über ein Kanalstück abgeleitete Oberflächenwasser direkt in einen Vorfluter oder über eine Kläranlage eingeleitet wird (Beschluss vom 25.05.2007, Az. 23 CS 07.1539). Auch wenn das gesammelte Regenwasser nicht der Kläranlage zugeführt wird, sondern ohne Behandlung direkt in den Vorfluter fließt, wird es über die öffentliche Einrichtung abgeleitet, weil die Kanäle selbst Teile der öffentlichen Einrichtung sind. Die öffentliche Entwässerungseinrichtung besteht nicht nur aus der Kläranlage, sondern auch aus dem Kanalnetz inklusive Sonderbauwerken (Pumpstationen, Regenrückhalte- und Regenüberlaufbecken, etc.) 

Die Herstellungskosten für das Regenrückhaltebecken und die Regenwasserkanäle im Baugebiet Hofäcker sind demnach in die Globalberechnung der gesamten Entwässerungseinrichtung einzubeziehen und nach einem einheitlichen Beitragssatz auf alle Anschlussnehmer umzulegen. 

Allerdings sind die Kosten jeweils um den Straßenentwässerungsanteil zu bereinigen, da dieser nicht über Entwässerungsbeiträge oder -gebühren auf die Bürger umgelegt werden darf. Bei Regenwasserkanälen im Trennsystem und darin integrierten Sonderbauwerken sind dies üblicherweise 50% (im Mischsystem 25 %).

Die übrigen im Gemeindebereich in der Vergangenheit errichteten Regenrückhaltebecken (Eichenbühl, Bairing – Erweiterung III, Ullabreite, See) wurden ebenfalls nicht allein auf die dortigen Anschlussnehmer umgelegt, sondern mit dem Herstellungsaufwand abzgl. Straßenentwässerungsanteil in die Globalberechnung einbezogen.
Ebenso wird der im Baugebiet Ullabreite – Erweiterung II zusätzlich errichtete Stauraumkanal zur Oberflächenentwässerung in die nächste Globalkalkulation einbezogen werden.

Gründe, die eine von der bisherigen Praxis abweichende Handhabung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

Analog gelten die o.g. Ausführungen auch für die Gebührenbedarfsberechnung.


  1. Aufgaben und Befugnisse der Rechtsaufsicht

Die Abwasserbeseitigung sowie die in diesem Zusammenhang zu erlassenden Satzungen und die Beitrags- und Gebührenerhebung fallen in den eigenen Wirkungskreis einer Gemeinde (Art. 7 GO, Art. 11 Abs. 2 i.V.m. Art. 83 BV). 

In Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises beschränkt sich die staatliche Aufsicht darauf, die Erfüllung der gesetzlich festgelegten und übernommenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben und Verpflichtungen der Gemeinde und die Gesetzmäßigkeit ihrer Verwaltungstätigkeit zu überwachen (Rechtsaufsicht).

In dieser Funktion steht ihr ein Informationsrecht, ein Beanstandungsrecht gegenüber rechtswidrigen Beschlüssen und Verfügungen zu. 

Der Verwaltung des Marktes Lupburg stellt sich in der Forderung des Rechnungsprüfungsausschusses nicht schlüssig dar, inwieweit nun das Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde tätig werden soll.
               
Soweit es um den Vollzug der vom Marktgemeinderat selbst erlassenen Entwässerungssatzung aus dem Jahr 2017 geht und in welcher der Markt in § 1 ausdrücklich bestimmt, dass nur eine Entwässerungseinrichtung betrieben wird, kann die Verwaltung gar nicht anders handeln, als das Regenrückhaltebecken und die Regenwasserkanäle im Baugebiet „Hofäcker“ mit in die Globalberechnung für die gesamte Entwässerungseinrichtung einzubeziehen.

Für den Fall, dass der Gemeinderat in einer neu zu erlassenden Entwässerungssatzung beabsichtigt, künftig einzelne rechtlich selbständige Einrichtungen mit entsprechend separater Abrechnung zu bilden, ist die Verwaltung dazu angehalten, dem Gremium die rechtlichen Voraussetzungen für dieses Vorgehen darzustellen. Hierzu zählt insbesondere die o.a. Schilderung, dass nur technisch getrennte selbständige Anlagen auch rechtlich getrennt selbständig abgerechnet werden dürfen. Bei rechtlich getrennten Einrichtungen müsste dann auch in § 1 der Entwässerungssatzung zum Ausdruck kommen, welche Einrichtungseinheiten die Gemeinde betreibt, und in § 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung, auf welche Einrichtungseinheit(en) sich die Satzung bezieht.

Im vorliegenden Fall scheidet jedoch die Bildung einer rechtlich getrennten Einrichtungseinheit nur für die Regenwasserkanäle und das Regenrückhaltebecken im Baugebiet Hofäcker aus, da diese wie oben bereits ausgeführt keine technische selbständige Anlage bilden.

  1. Fazit:

Es wurde detailliert begründet dargestellt, dass die Investition zur Oberflächenentwässerung des Baugebietes Hofäcker keine Maßnahme ist, die nur dem Baugebiet allein zugerechnet werden kann, sondern als Bestandteil der einzigen Entwässerungseinrichtung zu betrachten ist.
Der Sachverhalt ist damit abschließend geklärt und bedarf deshalb auch keiner Vorlage bei der Rechtsaufsicht des Landratsamtes.

Beschlussempfehlung

Der Marktgemeinderat nimmt die rechtliche Einordnung der Verwaltung zur Kenntnis und folgt nicht der Empfehlung des Rechnungsprüfungsausschusses unter Textziffer III des Prüfungsberichtes, die Einbeziehung der Investitionskosten der Oberflächenentwässerung im Baugebiet „Hofäcker“ in die Globalberechnung des Marktes Lupburg durch das Landratsamt (Rechtsaufsicht) prüfen zu lassen. 

Beschluss

Der Marktgemeinderat nimmt die rechtliche Einordnung der Verwaltung zur Kenntnis und folgt nicht der Empfehlung des Rechnungsprüfungsausschusses unter Textziffer III des Prüfungsberichtes, die Einbeziehung der Investitionskosten der Oberflächenentwässerung im Baugebiet „Hofäcker“ in die Globalberechnung des Marktes Lupburg durch das Landratsamt (Rechtsaufsicht) prüfen zu lassen. 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 11, Dagegen: 3

Datenstand vom 29.04.2022 07:16 Uhr