Grundstücksangelegenheiten; Beratung und Beschlussfassung über die Einführung neuer Kriterien zur Bauplatzvergabe


Daten angezeigt aus Sitzung:  2. Gemeinderat, 04.02.2016

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Pettendorf) 2. Gemeinderat 04.02.2016 ö beschließend 4

Sachverhalt

In der bisherigen Vergabepraxis wurden bisher die am 27.07.1995 durch den Gemeinderat beschlossenen Grundsätze zum Verkauf gemeindeeigener Baugrundstücke angewandt, die sich wie folgt darstellen:

1.        Familie mit Kindern, Ehepaare werden Alleinstehenden vorgezogen.

2.        Bewerber, die ortsansässig sind, d.h. mit Hauptwohnsitz, rückwirkend sechs Monate ab Zeitpunkt der Antragstellung, in der Gemeinde Pettendorf gemeldet sind bzw. gebürtige Pettendorfer, welche z. B. aus beruflichen Gründen andernorts gemeldet sind bzw. dort wohnen und einen Eigenbedarf nachweisen.

3.        Bewerber dürfen nicht schon Eigentümer von bebaubaren oder bebauten Grundstücken im Gemeindebereich ein.

4.        Die finanzielle Situation ist ebenfalls zu berücksichtigen.

Der Gemeinderat hat sich demnächst mit der Vergabe der Baugrundstücke im Baugebiet „Pettendorf-Südwest“ zu befassen. Aufgrund der hohen Anzahl von Bewerbern (Stand 05.01.2016: 462), sollten neue Vergabekriterien beschlossen werden, die eine soziale, aber auch gerechte(re) Vergabe der Parzellen ermöglichen.

Quantifizierbare Vergabekriterien durch Punktesystem
Von der Verwaltung wurden daher vorab nachfolgende Kriterien erarbeitet, die künftig bei der Vergabe von Parzellen in Baugebieten im gesamten Gemeindebereich Anwendung finden könnten.

Die Kriterien sind in der Gesamtsystematik so aufgebaut und gewichtet, dass etwaige Vor- oder Nachteile, z. B. durch den Hauptwohnsitz im Gemeindegebiet Pettendorf durch familienbezogene „soziale“ Kriterien ausgeglichen werden können. Das Kriterium Zeitpunkt der Interessensbeurkundung schafft zudem die Möglichkeit hinsichtlich der Wartezeit zu differenzieren, was gerade bei gleichen Bedingungen ein zusätzliches objektives Regulativ darstellt. Unabhängig vom Punktesystem werden grundsätzliche Bewerbungsvoraussetzungen definiert, die als „Eingangshürde“ zu verstehen sind. Dadurch soll vermieden werden, dass Eigentümer von Immobilien- und Bauland ohne weitergehenden Nachweis der Nutzung dieses Eigentums, z. B. zum Zwecke der Finanzierung, als Baulandbewerber berücksichtigt werden.

Kriterien für die Bauplatzvergabe in Pettendorf
Präambel
Die Gemeinde Pettendorf beabsichtigt bauwilligen Bürgerinnen und Bürgern sowie sonstigen Interessenten preisgünstig Bauplätze zur Verfügung zu stellen. Um für die Vergabe größtmögliche Transparenz gewähren zu können, gibt sich der Gemeinderat die Kriterien für die Vergabe der Grundstücke. Soziale Gesichtspunkte sowie das Gesamtinteresse der Gemeinde Pettendorf unter Berücksichtigung des Leitbildes Pettendorf sind in den Vergabekriterien berücksichtigt.

§ 1 Anwendungsbereich und Zuständigkeit
(1) Die Regelungen finden nur Anwendung bei der Vergabe von Baugrundstücken, die im Eigentum oder vergleichbarer, notariell beurkundeter Verfügungsgewalt der Gemeinde Pettendorf stehen und deren Vermarktung nicht durch Gemeinderatsbeschluss an Dritte übertragen wurde.

(2) Die Übertragung der Bauplatzvergabe auf einen beschließenden Ausschuss ist nicht möglich.

(3) Die Vorbereitung der Vergabe und der Vollzug der Vergabeentscheidung obliegen der Bauverwaltung.

§ 2 Sonderregelungen
(1) Die ursprünglichen Grundstücksbesitzer erhalten Baugrundstücke  (Rückbehalte) gemäß den notariellen Verträgen, die zum Zwecke des Einbringens der benötigten Flächen abgeschlossen werden.

(2) Werden für einen Bebauungsplan besondere Regelungen zur Bebauung unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten getroffen, die eine Vergabe nach diesen Kriterien rechtfertigen, z. B. Vergabe an Hausgruppen, Hofstellen etc., dann erfolgt die Vergabe innerhalb eines für diese Gesichtspunkte gesondert festzulegenden Kriterienkatalogs. §§ 3 und 4 finden in diesen Fällen keine Anwendung.

§ 3 Grundsätzliche Bewerbungsvoraussetzungen
(1) Es werden grundsätzlich nur volljährige Bewerber berücksichtigt, die nicht über Immobilien- oder Baulandeigentum - auch außerhalb des Gemeindegebietes Pettendorf - verfügen. Immobilien- oder Baulandeigentum, das nachweislich zur Finanzierung des Bauvorhabens verwendet wird, führt nicht zu einem Ausschluss der Bewerber.

(2) Vorhandenes Immobilien- oder Baulandeigentum ist im Formblatt „Eigenerklärung“ darzustellen. Wird das Immobilien- oder Baulandeigentum zur Finanzierung oder deren Sicherung eingesetzt, sind entsprechende Angaben erforderlich.
(3) Falschangaben führen zum Ausschluss der Bewerbung und stellen bei bestehenden Vorverkaufsverträgen u. a. einen Anfechtungsgrund gemäß § 123 BGB dar.

(4) Ausnahmen von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 können vom Gemeinderat nur dann zugelassen werden, wenn mindestens 2/3 der stimmberechtigten Mitglieder des Gemeinderates zustimmen.

§ 4 Bewertung der Kriterien Wohnsitz/Arbeitsplatz/Familie/wirtschaftliche Verhältnisse
(1) Die von der Gemeinde Pettendorf zu vergebenden Baugrundstücke werden durch Punktebewertung der sozialen und familiären Kriterien des Bewerbers in der Reihenfolge der Punktewert-Summe aller Antragsteller vergeben. Dabei werden die Kategorien Wohnsitz/Arbeitsplatz (Abs. 2), Familienstand und Kinder (Abs. 3) und Zeitpunkt der Interessensbekundung (Abs. 4) berücksichtigt.

(2) Wohnsitz/Arbeitsplatz:
a) Bewerber mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde Pettendorf erhalten 5 Punkte.

b) Bewerber mit Wohnsitz im Landkreis Regensburg (außer Bewerber gemäß Buchstabe a) oder in der Stadt Regensburg erhalten 3 Punkte.

c) Bewerber, die außerhalb der Gemeinde Pettendorf oder des Stadt- oder Landkreises Regensburg wohnen und seit mehr als 5 Jahren in Pettendorf arbeiten erhalten 2 Punkte.

d) Bewerber, die bereits einen Hauptwohnsitz von mindestens 5 Jahren in Pettendorf hatten und zum Zeitpunkt der Bewerbung außerhalb des Stadt- und Landkreises Regensburg wohnen, erhalten 3 Punkte.

e) Bewerber, die im Stadt- oder Landkreis Regensburg wohnen und vorher bereits einen Hauptwohnsitz von mindestens 5 Jahren in Pettendorf hatten, erhalten zusätzlich zum Punktewert des Kriteriums b) 2 Punkte.

(3) Familienstand und Kinder:
a) verheiratete, Lebenspartnerschaft oder alleinerziehender Bewerber oder nichtverheiratete Bewerber mit Kindern im Bewerberhaushalt                                                        5 Punkte
b) Kinder im Bewerberhaushalt lebend bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs                5 Punkte/Kind
c) Kinder im Bewerberhaushalt über 18 Jahre                                                3 Punkte/Kind
d) Eltern, Groß- und Schwiegereltern im Haushalt zusätzlich einmalig                        3 Punkte
e) Behinderte (mit mind. 70 v.H. GdB und unbefristeter Gültigkeitsdauer) im Bewerberhaushalt lebend zusätzlich einmalig                                                                        5 Punkte

(4) Der Zeitpunkt der Interessensbekundung:
a) Bewerber erhalten gerechnet ab Eingang der Bewerbung 2 Punkte/vollem Kalenderjahr, jedoch maximal 3 Kalenderjahre = 6 Punkte.
b) Anteilige Jahre werden nicht berücksichtigt.
c) Die Bewerberlisten sind chronologisch aufzubauen.

§ 5 Ausführungsvorschriften
Die Verwaltung bereitet alle Bewerbungen für die Grundstücksvergaben nach den Kriterien der §§ 3 und 4 als Gemeinderatsbeschluss vor und erstellt als Entscheidungsgrundlage eine Rangliste mit Punktebezug. Bei Punktgleichheit ist dem Bewerber mit bisherigen Hauptwohnsitz Pettendorf Vorrang einzuräumen. Liegt dieses Kriterium nicht vor entscheidet die Anzahl der Kinder. Kann über vorgenannten Kriterien die Pattsituation nicht aufgelöst werden, ist ein Mehrheitsbeschluss über die Rangfolge der Ranggleichen herzustellen.

§ 6 Schlussbestimmung
Die Festlegungen treten mit Wirkung ab 01.02.2016 in Kraft und können nur durch Gemeinderatsbeschluss geändert werden.

Erfassung und Berechnung
Die Erfassung der in den Regularien festgelegten Kriterien erfolgt mittels Bewertungsmatrix, die nach Eingabe der individuellen Daten IT-unterstützt den Punktewert errechnet, siehe Anlage.

Diskussionsverlauf

Bürgermeister Obermeier erläutert den Sachvortrag und eröffnet die Diskussion mit der Bitte, etwaige Änderungsvorschläge vorzutragen. Gemeinderat Bink eröffnet die Debatte mit dem kritischen Hinweis, dass die in § 1 Abs. 3 formulierte Zuständigkeitsregelung missverständlich formuliert ist. Es muss sichergestellt bleiben, dass allein der Gemeinderat über die Vergabe entscheidet. GL Antretter entgegnet, dass dies durch die Regelung nicht in Frage gestellt wird. Es sei lediglich nochmals klargestellt, dass Vorbereitung und Vollzug durch das Bauamt erfolgen. Gemeinderätin Muehlenberg wendet ein, dass in § 3 Abs. 1 zu stringente Eingangshürden auferlegt werden, insbesondere unter der Annahme, dass Bewerber z. B. über Haus- und Grundbesitz verfügen, dies aber nicht geeignet ist, ihre vor Ort bzw. regional bestehende Wohnproblematik zu lösen, beispielsweise durch Eigentum am ehemaligen Elternhaus in einem anderen Bundesland. Dieser Personenkreis, der z. B. in Regensburg berufstätig ist und meist auch hier lebt, müsste ebenfalls die Möglichkeit haben, sich um Bauland zu bewerben. Bürgermeister Obermeier erläutert, dass dies durch die Ausnahmereglung des § 3 Abs. 4 reguliert sei. Gemeinderätin Muehlenberg plädiert dennoch dafür, in § 3 Abs. 1 das Wort „grundsätzlich“ durch „bevorzugt“ zu ersetzen, da dies bereits im alltäglichen Sprachgebrauch klarer auf mögliche Abweichungen von der Regel hinweist. Gemeinderat Listl wendet ein, dass die Vergabekriterien generell nicht erforderlich seien. Der Gemeinderat habe bisher bei jeder Vergabe Einzelfallentscheidungen getroffen, die eine gerechte Vergabe gewährleisteten. Bürgermeister Obermeier entgegnet, dass bei der zunehmenden Anzahl Bewerbungen eine Rangreihungen unter der Berücksichtigung von sozialen und familiären Kriterien hilfreich ist, ein Mindestmaß an Objektivität herzustellen. Zudem ist davon auszugehen, dass bei teilweise über 400 Bewerbungen eine Vielzahl von Gleichrangigen dabei ist, über die der Gemeinderat durch Mehrheitsbeschluss im Einzelfall entscheiden muss. Im Gemeinderat wird kontrovers diskutiert, es entsteht jedoch ein weitgehender Konsens darüber, die Kriterien zu vereinfachen.
Im Ergebnis wird folgende Punktesystematik festgelegt, die im § 4 der Vergabekriterien entsprechend zu berücksichtigen ist:

(2) Wohnsitz/Arbeitsplatz:
a) Bewerber mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde Pettendorf erhalten 5 Punkte.

b) Bewerber mit Wohnsitz außerhalb der Gemeinde Pettendorf, aber im Stadt- und Landkreis Regensburg
erhalten 3 Punkte.

c) Bewerber, die einen Arbeitsplatz in der Gemeinde Pettendorf von mindestens 5 Jahren haben, erhalten zusätzlich 2 Punkte.

d) Bewerber, die bereits einen Hauptwohnsitz von mindestens 10 Jahren in Pettendorf hatten, erhalten zusätzlich 3 Punkte (außer Bewerber nach Buchstabe a).

(3) Familienstand und Kinder:
a) Kinder im Bewerberhaushalt lebend bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs                3 Punkte/Kind

b) Behinderte (mit mind. 70 v.H. GdB und unbefristeter Gültigkeitsdauer) im Bewerberhaushalt lebend zusätzlich einmalig                                                                        5 Punkte

(4) Der Zeitpunkt der Interessensbekundung:
a) Bewerber erhalten gerechnet ab Eingang der Bewerbung 1 Punkte/vollem Kalenderjahr, jedoch maximal 3 Kalenderjahre = 3 Punkte.

b) Anteilige Jahre werden nicht berücksichtigt.

c) Die Bewerberlisten sind chronologisch aufzubauen.

Beschluss

Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung, bei der Bauplatzvergabe die neuen Kriterien, mit den heute beschlossenen Änderungen, anzuwenden. Weitergehende Änderungen bedürfen eines erneuten Gemeinderatsbeschlusses.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 15, Dagegen: 1

Datenstand vom 09.06.2017 13:59 Uhr