Bauleitplanung Nachbargemeinden - 18. Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Poing für den Bereich "Poing Am Bergfeld, Wohngebiete W 7 und W 8" - Stellungnahme im Verfahren nach § 4 Abs. 1 BauGB


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Bauausschusses, 12.07.2018

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp Lfd. BV-Nr.
Bauausschuss Sitzung des Bauausschusses 12.07.2018 ö Beschliessend 91

Beschluss

Der Bauausschuss der Gemeinde Pliening erhebt gegen die 18. Änderung des Flächennutzungsplans  der Gemeinde Poing für das Gebiet W 7„Am Bergfeld“ folgende Bedenken:

Die Planung – jedenfalls in der momentanen Fassung – ist nicht rechtswirksam durchzuführen, da der im Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB enthaltene Grundsatz der Konfliktbewältigung missachtet und, aus dem gleichen Grund, das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB verletzt werden.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die verkehrlichen Auswirkungen eines Bebauungsplanes abwägungserheblich sind und zu einer Verletzung des Konfliktbewältigungsgebotes führen können (vgl. hierzu Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 2 Rn. 111).

Für die Frage des interkommunalen Abstimmungsgebotes ist ebenso in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die planbedingte Verkehrszunahme ein substantiiertes Abstimmungserfordernis auslösen kann. § 2 Abs. 2 BauGB verleiht der Gemeinde einen gegen andere Planungsträger gerichteten Anspruch auf Abstimmung, der auf Rücksichtnahme und Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen planerischer Entscheidungen gerichtet ist. Im materiellen Sinne bedarf es demnach einer Abstimmung immer dann, wenn „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art“ in Betracht kommen (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 15.12.1989, Az. 4 C 36.86). Unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art i. S. der Rechtsprechung des BVerwG können sich dabei auch allein aus einer Beeinträchtigung der verkehrlichen Belange im Gemeindegebiet der betroffenen Kommune ‑ hier Pliening ‑ ergeben. Zwar macht nicht jede verkehrliche Auswirkung einer Planung einen Abstimmungsvorgang erforderlich. Da § 2 Abs. 2 BauGB den Schutz der bestehenden sowie der in Planung und Entwicklung befindlichen städtebaulichen Ordnung der Nachbargemeinde bezweckt, greift das Abstimmungsgebot nur bei drohender Beeinträchtigung der genannten Rechtsposition ein. Geht es um die Verkraftung zusätzlicher Verkehrsmengen, erwächst der planenden Gemeinde eine Verpflichtung zur Abstimmung, wenn die eigene Planung geeignet ist, zu einer Überlastung des bestehenden Verkehrsnetzes auch in der Nachbargemeinde zu führen und diese möglicherweise dadurch zu eigener planerischer Folgenbewältigung ‑ wie etwa zum Ausbau bestehender oder Bau neuer Straßen ‑ gezwungen ist (vgl. hierzu: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.06.2017, Az. 2 D 59/16.ME).

Mit den derzeit vorliegenden Untersuchungen ist die interkommunale Abstimmung in materieller Hinsicht nicht durchführbar:

Den übersandten Planunterlagen liegt u. a. eine Verkehrsprognose bei. Danach liegt die Verkehrsbelastung auf der Kreisstraße EBE 2 (Plieninger Straße) aktuell bei 11.300 Kfz/Tag von der Einmündung Westring/Plieninger Straße in Richtung Ottersberg. (Zum Vergleich: Im Messbereich zwischen Landsham und der Einmündung der St 2332 (Geltinger Straße) in die Staatsstraße 2082 liegt die Verkehrsbelastung lt. der DTV-Zählung 2015 bei ca. 10.300 Fahrzeuge/Tag.)

Lt. Verkehrsprognose wird eine Verkehrszunahme von 1.500 Kfz/Tag in Richtung Ottersberg durch die Baugebiete W 7 und W 8 erwartet. Dies entspricht einer Steigerung von mehr als 13 Prozent.

Als Maßnahmen zur Verkehrsentlastung sind ein dreiarmiger Kreisverkehr an der Einmündung Bergfeldstraße/Kirchheimer Allee sowie eine Ampel an der Einmündung Westring/Plieninger Straße vorgesehen.

Diese Maßnahmen kommen ausschließlich Poing zugute. Im Gegenzug wird die Gemeinde Pliening mit mehr als 17 % des zusätzlich entstehenden Ziel- und Quellverkehrs belastet. Außerdem dürfte es durch die geplante Ampelanlage in der morgendlichen Spitzenstunde zu Verkehrsstaus in Ottersberg kommen. Schließlich hätte die Ampel möglicherweise Umbaumaßnahmen für die Querungshilfe Ottersberg zur Folge, die nicht zu Lasten der Gemeinde Pliening gehen dürfen.

Die geplante Wohnbebauung und das Gymnasium führen somit zu einer erheblichen Zunahme der Fahrzeugbewegungen auf der EBE 2 durch Ziel- und Quellverkehr und damit letztlich auf die Gemeinde Pliening.

In der Prognose wird außerdem davon ausgegangen, dass ebenfalls 1.500 Kfz/Tag in Richtung Süden, also nach Poing, fahren. Diese Annahme setzt jedoch voraus, dass die Fahrzeugführer ihr Ziel im Süden bzw. Südosten haben. Ansonsten würde die Fahrzeuge am Kreisel westlich von Poing (Höhe OMV-Tankstelle) Richtung Grub auf die übrigen aus den Baugebieten entlang der Bergfeldstraße strömenden Fahrzeuge treffen.

Derartige Auswirkungen sind für sich betrachtet bereits nicht hinnehmbar. Hinzu kommt die Weigerung der Gemeinde Poing, einer Anbindung an die seit Jahren im Raum stehenden Umgehungsstraße Pliening-Landsham zuzustimmen, die vor dem Hintergrund der jetzt vorgelegten Planung umso schwerer wiegt. Bereits hieraus wird deutlich, dass eine qualifizierte interkommunale Abstimmung erforderlich ist, um im Rahmen der Konfliktbewältigung das Thema „Verkehr“ zunächst zu betrachten und sodann abwägungsgerecht abzuarbeiten.

Schließlich sind auch die ebenfalls bekannten Planungen der Gemeinden Kirchheim b. München („Kirchheim 2030“) und Vaterstetten („Gewerbepark und Sondergebiet Logistik“) und die damit verbundenen Verkehrsentwicklungen zu berücksichtigen.

Öffentlicher Personennahverkehr
Außerdem bleibt die Grundproblematik der S-Bahn-Linie S 2 unberücksichtigt.

Bereits heute ist festzustellen, dass die S-Bahn-Linie S 2 ausgebaut werden muss, um die Kapazitäten, die künftig erforderlich sind, um der gesamten Siedlungsentwicklung im Münchner Osten gerecht zu werden. Ferner ist eine Verschlechterung der jetzigen Situation durch den sogenannten 15 Minuten-Takt im Rahmen der zweiten Stammstrecke zu erwarten.

So verkehren momentan im Zeitfenster von 05.56 Uhr und 07.56 Uhr zwischen dem Markt Markt Schwaben und dem Haltepunkt Riem insgesamt zwölf S-Bahnen. Bei einem 15 min-Takt werden rechnerisch nur noch neun S-Bahnen verkehren. Dies bedeutet, dass sich bei gleichbleibenden Zuglängen die Kapazität um 25% verringern würde.

Berücksichtigt man ferner, dass der Bahnhof St. Koloman nur mit einer Bahnsteiglänge von 140 m ausgebaut wird, sind durchgängige Langzüge (erforderlicher Bahnsteig-Längenbedarf: 210 m) auf der Strecke Erding - Riem, die an jeder Station halten, bereits dadurch faktisch ausgeschlossen.

Die Lösung könnte in einem Halt der Express-S-Bahn in Poing, dem Halt des Regionalzuges KB 940 Mühldorf-München in Poing oder in der Errichtung einer Express-Bus-Linie zwischen Pliening und der Messe München - eingebunden im MVV - liegen.


Dies kann sachgerecht nur unter Berücksichtigung des überörtlichen Verkehrskonzeptes für den Münchner Osten, dass inzwischen beauftragt wurde, erfolgen.

Die Verwaltung wird beauftragt, die Regierung von Oberbayern, das Landratsamt Ebersberg und der Regionale Planungsverband München über die Stellungnahme der Gemeinde Pliening zu informieren.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 10, Dagegen: 0

Datenstand vom 27.07.2018 10:19 Uhr