Antrag der Gemeinderatsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD-Bürgerliste; Machbarkeit einer klimaverträglichen Abfallwirtschaft durch Umstellung der Festpreis-Abfallentsorgungsgebühren auf ein finanzielles Anreizsystem


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 25.02.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 25.02.2021 ö beschließend 5

Sachverhalt

Die Gemeinderatsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Bürgerliste stellen mit Schreiben vom 08.11.2020 folgenden Prüfantrag:

„Prüfung der Machbarkeit einer klimaverträglichen Abfallwirtschaft durch Umstellung der Festpreis-Abfallentsorgungsgebühren auf ein finanzielles Anreizsystem.“

Zur Begründung wird auf das Antragsschreiben verwiesen.

Stellungnahme der Verwaltung:

Historie:
Nach Art. 3 des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes sind grundsätzlich der Landkreis und damit das Landratsamt Ebersberg als entsorgungspflichtige Körperschaft für die Organisation der Hausmüllabfuhr der kreisangehörigen Gemeinden zuständig.

Aufgrund einer Rechtsverordnung des Landkreises Ebersberg sind jedoch Teilaufgaben der Abfallentsorgung auf die Gemeinden des Landkreises übertragen. Dazu gehört u.a. auch die Hausmüllabfuhr, was bedeutet, dass jede Gemeinde des Landkreises selbständig die Müllabfuhr im eigenen Gemeindegebiet, von der Ausschreibung bis zum Vertrag mit einem Hausmüllunternehmen und bis zur Gebührenkalkulation zu organisieren hat.
Dies bedingt allerdings auch, dass jede Gemeinde eigene Satzungen für die Abfallentsorgung - auf der Grundlage der Landkreissatzung – hat.

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass die Gemeinde Vaterstetten über die Große Delegation verfügt und somit auch innerhalb des Landkreises eine Sonderstellung einnimmt.

Die Gemeinde Poing hat als kreisangehörige Gemeinde zuletzt in den 90er Jahren komplett neue Satzungen für die Abfallwirtschaft erlassen.

So gibt es eine Abfallwirtschaftssatzung, eine Satzung über die Vermeidung, stoffliche Verwertung, das Einsammeln und Befördern von Abfällen in der Gemeinde Poing, die 1991 erlassen und bereits mehrmals in Teilen geändert wurde, zuletzt am 10.12.2018.

Zudem gibt es die Abfallgebührensatzung aus dem Jahr 1990, eine Satzung, in der die Gebühren für die öffentliche Abfallentsorgung in der Gemeinde Poing festgelegt sind und die zuletzt am 28.11.2019 geändert wurde.

Auf der Grundlage dieser beiden Satzungen basieren nun die Organisation der Hausmüllabfuhr der Gemeinde Poing und deren Jahresfestpreisregelung für die Abfallentsorgung.


Aktueller Stand:
Alle Landkreisgemeinden, bis auf die Gemeinde Vaterstetten (=  einzige Gemeinde mit Wertmarkensystem), haben bei der Abfallentsorgung eine Jahresfestpreisgebühr. Diese Jahresfestpreisgebühr deckt nicht nur die reinen Müllabfuhrkosten, also die Leerung der Restmüll- und Biotonnen und den Transport im entsprechenden Leerungsturnus über das Hausmüllunternehmen und die Entsorgung der Abfallmengen über den Landkreis. Vielmehr sind hier auch die Kosten für den Wertstoffhof bzgl. Unterhalt, Abschreibung, Personalkosten usw., die Kosten für die Containerstandplätze, deren Reinigungskosten und aktuell auch die Kosten der Überwachung sowie die Kosten der Verwaltung innerhalb der Gemeinde einberechnet. Diese Kosten machen einen Anteil von rd. 40 % aus.

Die Ermittlung der Jahresfestpreisgebühr erfolgt über eine Gebührenkalkulation, für die der Fachbereich 2 (Finanzen) zuständig ist. Zum 01.01.2020 erfolgte die letzte Neukalkulation, die nun bis Ende 2023 gilt. Bezüglich der Kalkulation im Einzelnen verweisen wir auf die Stellungnahme vom 19.11.2020 vom Fachbereich 2. Sie liegt bei.

Im Vergleich zu allen Landkreisgemeinden ist die Gemeinde Poing als zweitgrößte Gemeinde im Landkreis Ebersberg schon seit Jahren bei der jährlichen Restmüllmenge pro Kopf und Einwohner meist auf Platz 3 aller 21 Landkreisgemeinden und erzielt damit das drittbeste Ergebnis (Landkreisgemeinde mit dem drittgeringsten Restmüllaufkommen pro Kopf und Einwohner).

Nach einer europaweiten Ausschreibung haben wir aktuell einen Vertrag über die Durchführung der öffentlichen Abfuhr von Rest- und Kompostmüll mit dem Entsorgungsunternehmen Firma Ehgartner in Geretsried bzw. Forstinning bis zum 31.12.2023.
In diesem Entsorgungsvertrag wird nach der Anzahl der insgesamt angemeldeten Mülltonnen, nach der Tonnengröße und der Anzahl der Tonnenleerungen pro Monat mit der Gemeinde abgerechnet.

Bei der Einführung eines Wertmarkensystems könnte nicht mehr nach diesem Modus abgerechnet werden bzw. es bedarf einer Vertragsänderung.

Die Kosten der Entsorgung für die im Gemeindegebiet über die Hausmüllabfuhr anfallende Restmüllmenge wird über die Entsorgungsumlage direkt mit dem Landkreis abgerechnet.

Seit 2014 haben wir Aufkleber auf den Mülltonnen als Voraussetzung für die Tonnenleerung eingeführt. Dieser Aufkleber entsprechend der angemeldeten Tonnengröße muss auf dem Deckel der Mülltonne angebracht sein. Damit ist gewährleistet, dass nur angemeldete und mit entsprechender Gebühr belegte Mülltonnen geleert werden.

Bedenken/Probleme bei einer Änderung:
Nachdem ein Wertmarkensystem laut Prüfantrag nur ein Anreiz zur Reduzierung der Restmüllmenge in jedem einzelnen Haushalt sein soll, wäre u.E. eine Neukalkulation der Gebühren unabdinglich. Eine Neukalkulation für ein Wertmarkensystem müsste einerseits auf den reinen Gebühren für die Hausmüllabfuhr basieren und andererseits auf einem festen Grundbetrag über die bereits im vorherigen Abschnitt erwähnten Fixkosten (für Wertstoffhof, Standplätze, Personal usw.), wobei im Zuge einer Umstellung gleichzeitig noch mit erhöhten Verwaltungskosten zu rechnen sein wird.

Außerdem muss ein neues System gerecht für alle Bürger sein. Grundsätzlich würden mit einem Wertmarkensystem bei der Hausmüllabfuhr erfahrungsgemäß nur die Bürger, die Einzelhäuser haben, finanziell etwas einsparen. Innerhalb eines Geschoßwohnungsbaus mit einzelnen Wohnungen wird sich der Anreiz mit dem Wertmarkensystem nicht oder kaum auswirken. Hier werden sicherlich die Mülltonnen nach wie vor gut befüllt und der einzelne Haushalt wird von einer Einsparung nichts bemerken oder einen Vorteil davon haben. Die Gemeinde Poing verfügt über einen relativ hohen Anteil an Wohnanlagen und damit Geschoßwohnungsbau.

Die Umstellung auf ein Wertmarkensystem bringt einen immensen Verwaltungsaufwand innerhalb der Gemeinde mit sich. Jährlich sind neue Marken zu beschaffen, diese sind auszugeben, zu kontrollieren, am Ende des Jahres ist abzurechnen und es müssen jährlich für alle neue Gebührenbescheide erstellt und versandt werden. Dafür wird in jedem Fall zusätzliches Personal in der Verwaltung notwendig sein, dessen Kosten sich sicherlich wieder auf die Kalkulation auswirken werden. Vom derzeitigen Personalstamm in Sachgebiet 3.3 können diese Aufgaben nicht mehr abgedeckt werden.

Als Hinweis noch: Die Gemeinde Forstinning hatte vor ca. 10 Jahren auch das Wertmarkensystem, dieses dann aber wegen des zu hohen Verwaltungsaufwandes und der gestiegenen Kosten abgeschafft und eine Jahresfestgebühr bei der Abfallentsorgung eingeführt.

Auch die Gemeinde Vaterstetten hat nach unserer Recherche nun nicht nur flächendeckend bei allen Bescheidempfängern (insgesamt fast 9000 Stück pro Jahr) ein Wertmarkensystem, sondern vielmehr bereits auch bei ca. 1000 Bescheiden pro Jahr eine Jahresfestgebühr und dies mit steigender Tendenz. Zurückgeführt wird dies auf die Wohnanlagen und die zunehmende Anzahl von Einzelhaushalten, die neu zuziehen und kein Wertmarkensystem wollen.

Aus diesem Grunde und wegen stetig steigender Kosten im allgemeinen Abfallbereich (Wertstoffhof, Standplatzreinigung, Neuausschreibungen mit weniger Erlösen usw.) wird auch die Gemeinde Vaterstetten nach unseren Informationen den Grundfixbetrag bei der nächsten anstehenden Kalkulation erhöhen müssen. Damit werden auch dort die Kosten für die Hausmüllabfuhr ansteigen.

Dass mit einer Umstellung auf ein Wertmarkensystem tatsächlich die Restmüllmenge reduziert wird und es zu einer erheblichen und für den einzelnen Haushalt dann auch spürbaren Kosteneinsparung kommt, ist aus unserer Sicht fraglich. Die Umstellung an sich, die mit Sicherheit nicht reibungslos erfolgen wird und auch der dadurch dauerhaft erhöhte Verwaltungsaufwand werden sich in jedem Fall finanziell auswirken, so dass sich eine tatsächliche Kosteneinsparung bei den Gebühren für den einzelnen Haushalt im Rahmen halten wird (vgl. Anlage).

Auch im Hinblick auf die derzeit bestehende vertragliche Bindung mit dem Entsorgungsunternehmen bis Ende 2023 und unter dem Aspekt, dass eine Neukalkulation sofort erforderlich wäre, scheint eine kurzfristige Umstellung auf ein Wertmarkensystem schwierig.

Ob aus all diesen Gründen nun die Einführung eines Wertmarkensystems besser sein wird als das jetzige Abrechnungssystem mit der Jahresfestpreisregelung, wäre u.E. gut zu überlegen.

Zum Hinweis, bei der Hausmüllabfuhr ein Chipsystem mit QR Code in Zukunft einzusetzen, geben wir zu Bedenken, dass dies mit den jetzigen normalen Mülltonnen, die ja alle im Eigentum des jeweiligen Hausbesitzer stehen, nicht möglich ist. Hierzu wäre in jedem Fall ein Austausch bzw. ein Neukauf aller Mülltonnen notwendig. Zudem müssten die Müllabfuhrfahrzeuge (normales Fahrzeug und Ersatzfahrzeug) eine entsprechende technische Ausstattung erhalten, denn es muss ja vor Ort bereits bei der Leerung der Mülltonnen der Müll personalisiert und haushaltsmäßig zugeordnet werden. Diese Kosten wären sicher von der Gemeinde zu tragen und müssten dann wieder auf die Müllgebühr umgelegt werden.
Wir haben diesbezüglich bei der Entsorgerfirma angefragt und um nähere Infos gebeten.

Bezüglich der Transportkosten dürfte es ebenfalls keine Einsparung geben, da ja auch beim Wertmarkensystem alle Straßen abgefahren werden müssen, ob nun die Tonnen zur Leerung bereit stehen oder nicht. Vom Umweltgedanken her wird somit keine Verbesserung erreicht.

Kostensparend wirken sich diese Maßnahmen somit u.E. nicht aus.


Empfehlung / Lösungsvorschlag:
Um die Bürger zu einer weiteren Abfallvermeidung und Wertstoffsortierung anzuhalten, wäre aus Sicht der Verwaltung die einfachste und am leichtesten umsetzbare Lösung die Einführung einer kleineren Restmülltonne mit 40 l. Damit würde tatsächlich nochmals die jetzige kleinste Restmülltonnengröße (80 l Tonne) halbiert werden und jeder Einzelhaushalt könnte eine solche Tonnengröße beantragen. Bisher haben wir satzungsrechtlich eine Reduzierung des Restmüllvolumens zugelassen, wenn die kleinste Restmülltonnengröße vorhanden war und wenn sich dann Nachbarn zusammen eine solche Tonne teilen wollten, also eine Tonnengemeinschaft gebildet haben.

Allerdings wäre auch dieser Vorschlag nicht ganz problemlos und schnell umsetzbar.
Zuerst müssten hier von der Verwaltung die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu würde gehören:
 
- Verhandlungen mit der jetzigen Entsorgerfirma führen, ob vor Vertragsablauf Ende 2023 eine
  Vertragsänderung hinsichtlich der Einführung einer 40 l Restmülltonne möglich wäre.

- Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung einer kleinen Restmülltonne mit
  40 l Volumen , d. h. Änderung der aktuellen Satzungen (Abfallwirtschaftssatzung /
  Abfallgebührensatzung).

- Gebührenkalkulation für eine 40 l Restmülltonne. Dies dürfte kalkulatorisch bzgl. einer neuen
  Jahresfestgebühr für diese Tonnengröße möglich sein. Zu klären wäre in diesem   Zusammenhang allerdings, ob weiterhin eine Kalkulation für beide Tonnen gemeinsam oder   eine Gebührentrennung in Restmüllgebühr und extra Biotonnengebühr erfolgen muss.

Sobald dies alles geklärt, geändert und organisiert wäre, könnte dann bei Interesse eine Tonnenänderung beantragt und ggfs. zukünftig eine 40 l Restmülltonne von einzelnen Haushalten in der Gemeinde Poing genutzt werden.

Insgesamt erscheint uns die Umsetzung dieses Vorschlags - vorausgesetzt die Entsorgerfirma macht hier mit - ohne zu großen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und ohne zu große finanzielle Auswirkungen auf die jetzige Gebührenkalkulation realisierbar.

Gleichzeitig würde u.E. hier ein Anreiz, zumindest für den einzelnen Haushalt, geschaffen, verstärkt auf die Mülltrennung zu achten und insgesamt die eigene Restmüllmenge zu reduzieren.

Beschlussvorschlag

Dem Antrag wird zugestimmt / nicht zugestimmt.

Alternativ:
Die Verwaltung wird beauftragt, die Einführung einer 40 l Restmülltonne zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu realisieren.

Auswirkungen auf den Klimaschutz

       ja, positiv
       ja, negativ
x        nein

Beschluss

Die Verwaltung wird beauftragt, die Einführung einer 40 l Tonne zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu prüfen und eine entsprechende Gesamtkalkulation, auch im Hinblick auf die anderen Tonnengrößen, aufzustellen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 25, Dagegen: 0

Datenstand vom 23.04.2021 14:17 Uhr