Novelle der Bayerischen Bauordnung - Neuerungen im Abstandsflächenrecht


Daten angezeigt aus Sitzung:  Bau-, Planungs- und Ortsentwicklungsausschuss, 19.10.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau-, Planungs- und Ortsentwicklungsausschuss (Gemeinde Schäftlarn) Bau-, Planungs- und Ortsentwicklungsausschuss 19.10.2020 ö informativ 7.1

Sachverhalt

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus (Drs. 18/8547); Novelle der Bayerischen Bauordnung

Zusammenfassung wesentlicher Inhalte und Bewertung:

a) Abstandsflächenrecht

Die Bayerische Staatsregierung beabsichtigt das Abstandsflächenrecht nach dem Modell der Musterbauordnung anzupassen: Die Ermittlung der für die Abstandsflächentiefe maßgeblichen Wandhöhe (= H) soll durch eine einfachere Anrechnung von Dach und Giebel des Gebäudes erleichtert werden. Ferner soll zukünftig die Abstandsflächentiefe von 1 H auf 0,4 H verkürzt werden, in Gewerbe- und Industriegebieten von 0,25 H auf 0,2 H, jeweils aber mindestens 3 m. 
Im Zuge der Neuregelung soll das „16 Meter-Privileg“ entfallen. Eine weitere Verkürzung der ohnehin schon deutlich verringerten Abstandsflächentiefe findet dann nicht mehr statt. Das ist konsequent, denn eine Reduzierung von Abstandsflächen auf 0,2 H (also die Hälfte von 0,4 H) ist jedenfalls außerhalb von Gewerbe- und Industriegebieten mit den erforderlichen Sozialabständen nicht vereinbar.
Die Gemeinden können per Satzung aus Gründen der Ortsbildgestaltung oder Erhaltung der Wohnqualität größere Abstandsflächentiefen festlegen. Daneben gibt es die Möglichkeit der Bauleitplanung. Zur Anpassung des Ortsrechts an die neue Rechtslage sollen die Neuregelungen in einem Jahr nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten.

Bewertung:
Der Bayerische Gemeindetag erkennt die Notwendigkeit des Flächensparens, aber auch die Notwendigkeit der Anpassung bebauter Siedlungsbereiche an den Klimawandel stehen außer Frage. Die damit für Städte und Gemeinden verbundene Herausforderung einer doppelten Innenentwicklung (Nachverdichtung bei gleichzeitiger Entwicklung und Stärkung der grünen Infrastruktur) wird durch eine pauschale Verkürzung der Abstandsflächen jedoch nicht gelöst, sondern zusätzlich erschwert. Es steht zu befürchten, dass mit der geplanten Neuregelung, viele Städte und Gemeinden in aufwändige Planungsverfahren zur Sicherung des vorhandenen Grünbestands gedrängt werden. 
Die Gemeinden sollen die nötige Abstandsflächentiefe von 0,4 H erhöhen können, um das Ortsbild im Gemeindegebiet oder in Teilen davon zu erhalten oder um für eine Verbesserung oder Erhaltung der Wohnqualität zu sorgen, vgl. Art. 81 Abs. 1 Nr. 7 a) BayBO n.F. Ihnen kommt damit eine besondere Rolle für den Schutz des städtebaulichen Charakters in den Gemeinden zu.

Die Verwaltung empfiehlt das bisher geltende Abstandsflächenrecht beizubehalten. Die ÖBV könnte bei Inkrafttreten der Neufassung der Bayerischen Bauordnung durch die nachfolgende Regelung ergänzt werden:
1Abweichend von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 beträgt die Abstandsfläche in der Gemeinde Schäftlarn außerhalb von Gewerbe-, Kern- und Industriegebieten sowie festgesetzten urbanen Gebieten 1 H, mindestens jedoch 3 m. 2Vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge genügen in diesen Fällen 0,5 H, mindestens jedoch 3 m, wenn das Gebäude an mindestens zwei Außenwänden Satz 1 beachtet. 3Abweichend von Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO wird die Höhe von Dächern mit einer Neigung von mehr als 45 Grad zu einem Drittel, mit einer Neigung von mehr als 70 Grad voll der Wandhöhe hinzugerechnet.


b) Einführung einer Genehmigungsfiktion 

Bauanträge für Vorhaben, die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienen und im vereinfachten Verfahren genehmigt werden, gelten nach Ablauf einer dreimonatigen Frist als genehmigt, sollte die Bauaufsichtsbehörde nicht anderweitig entscheiden. Die Frist soll drei Wochen nach Zugang des Bauantrags oder drei Wochen nach Zugang verlangter Unterlagen, die vor Fristbeginn nachgefordert wurden, beginnen. Die Fiktion ist gegenüber dem Antragssteller zu bescheinigen. Die Bescheinigung ist dem Antragssteller, der Gemeinde sowie jedem Nachbarn zu-zustellen, der dem Bauantrag nicht zugestimmt hat. Der Bauantragsteller kann auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion in Textform verzichten. Der Umfang der Genehmigungsfiktion soll sämtliche Vorschriften umfassen, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, insbesondere auch das Denkmalschutzrecht. Die Genehmigungsbehörde kann im laufenden Verfahren weitere Unterlagen nachfordern, dieses Nachforderung hat jedoch keinen Einfluss auf die Fiktionsfrist. Die Frist kann einmal angemessen verlängert werden, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Angelegenheit gerechtfertigt ist. 

Bewertung: 

In mehreren Gesprächen auf Ebene des Vorsitzenden und der Ministerin sowie auf Arbeitsebene ist es dem Bayerischen Gemeindetag zumindest gelungen, das Konstrukt der Genehmigungsfiktion weitestgehend zu entbürokratisieren. Dennoch bleibt die Einführung der Genehmigungsfiktion – nicht zuletzt angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels - weiterhin kritisch und wird mit Nachdruck abgelehnt. Inwieweit sich der Vollzug der Neuregelung wie im Gesetzesvorblatt dargestellt tatsächlich kostenneutral gestaltet, bleibt abzuwarten. Die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen der Neuregelung plant die Geschäftsstelle, nach einem Jahr bei den betroffenen Mitgliedern abzufragen.

Beschluss

Abstimmungsergebnis
Dafür: 0, Dagegen: 0

Datenstand vom 14.02.2024 19:42 Uhr