Antrag auf Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage, Fl.Nr. 1241/5, Waltrichstraße, BA 2020/19


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 16.09.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Schäftlarn) Sitzung des Gemeinderates 16.09.2020 ö beschliessend 9

Sachverhalt

Der Gemeinderat hat dem bereits in der Sitzung vom 13.05.2020 vorgelegten Bauantrag zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. 1241/5 das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt, weil sich das Grundstück im Außenbereich gem. § 35 BauGB befindet.
Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Für das Grundstück Fl.Nr. 1241/5, das ursprünglich mit einem Wohngebäude bebaut war, welches jedoch abgebrochen wurde, gab es einen Vorbescheid der 2005 erteilt und zweimal bis einschließlich 2013 verlängert wurde. 
Im Jahr 2011 wurde für das Grundstück dann eine Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Einfamilienhäusern erteilt, welche jedoch nicht verwirklicht wurde. 
Im Jahr 2015 wurde dann erneut eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Doppelhauses im nordwestlichen Bereich des Grundstückes Fl.Nr. 1241/5 (jetzt Fl.Nrn. 1241/21 und /22) erteilt, welche auch umgesetzt wurde.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass für die (verbliebene) Fläche des Grundstückes Fl.Nr. 1241/5 derzeit kein Baurecht besteht.
Die Fläche ist im zwar im Flächennutzungsplan teilweise als Wohnbaufläche und teilweise als Grünfläche dargestellt, befindet sich jedoch nach Auffassung der Bauverwaltung im planungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB. 
Geplant ist die Errichtung eines Einfamilienhauses mit den Außenmaßen 16 m x 10 m, also einer überbauten Grundfläche von 160 qm. Die Wandhöhe ist mit 6,06 m vorgesehen.

Mit Schreiben vom 17.08.2020 hat das Landratsamt München die Gemeinde gebeten, erneut über die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu entscheiden, da sich das Grundstück nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde im planungsrechtlichen Innenbereich befinden würde. 
Das Landratsamt führt in diesem Schreiben zutreffend unter Bezugnahme auf einschlägige Kommentarliteratur aus, dass der im Zusammenhang bebaute Ortsteil grundsätzlich mit der letzten Bebauung endet. Die sich ihr anschließenden selbständigen Flächen gehören zum Außenbereich. Weiter wird dargelegt, dass bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich topographische Verhältnisse eine Rolle spielen können. Geländehindernisse, wie z.B. ein Verkehrsweg (Straße, Eisenbahn), Gewässer (Fluss, See, Graben) sowie Anhebungen (Felsen, Böschungen), bilden oftmals eine natürliche Grenze der im Zusammenhang bestehenden Bebauung und können den Eindruck ihres Abschlusses vermitteln. Dies kann auch dazu führen, dass unbebaute, hinter dem letzten Grundstück des Bebauungszusammenhangs liegende und durch das Geländehindernis begrenzte Flächen noch zum Innenbereich gezählt werden.
Die untere Baubehörde führt hierzu überdies ein Urteil des Verwaltungsgerichts München (Az. M 11K 98.718) an, wo in einer ganz bestimmten Fallkonstellation in der Gemeinde Weßling durch einen ein natürliches Hindernis bildenden Steilhang ein Bebauungszusammenhang angenommen wurde.

Maßgeblich für eine Beurteilung der Grenzziehung zwischen dem Innen- und dem Außenbereich ist, dass diese Abgrenzung nicht schematisch vorgenommen werden darf, sondern eine Frage des Einzelfalls darstellt.
Bei dieser Einzelfallbetrachtung ist weitergehend in die Prüfung einzutreten, ob es sich bei einem Geländehindernis um einen echten topographischen Abschluss (Geländezäsur) handelt oder aber ob ein sog. unechter topographischer Abschluss vorliegt.
Ein echte topographische Abschlusswirkung ist dann gegeben, wenn ein natürliches Hindernis weder tatsächlich (z. B. Grundstück wird durch einen Fluss oder eine Bahnlinie   begrenzt), noch rechtlich im Wege einer Bauleitplanung einer Anschlussbebauung zugeführt werden.
Ein unechter topographischer Abschluss liegt dagegen vor, wenn ein natürliches Hindernis sowohl tatsächlich, als auch nach dem gemeindlichen Planungsermessen (§ 1 Abs. 3 BauGB) durch Bauleitplanung einer Bebauung zugänglich gemacht werden könnte. Als eines der zahlreichen Beispiele im Gemeindegebiet lässt sich etwa die Aufkirchner Straße in Hohenschäftlarn anführen, wo die Gemeinde mit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 42 „An der Aufkirchner Straße“ einen Bereich mit deutlicher steilerer Hangneigung ausdrücklich von Bebauung freigehalten hat, während die angrenzenden Innenbereichsgrundstücke mit einer extremen Hangneigung einer Bebauung zugeführt wurden.

Dem zitierten Urteil des VG München (Az. M 11K 98.718) lag ein sog. echter topographischer Abschluss mit Geländezäsurwirkung zugrunde. Ferner entsprach es in dem dortigen Ausgangsfall auch der gemeindlichen Willensbildung, dass der Lückenschluss vollzogen werden sollte. 
Das auf dem vorstehenden Luftbild auf dem Grundstück Fl.Nr. 573/1 in der Gemeinde Weßling errichtete Gebäude wird im Norden durch eine vorhandene öffentliche Erschließungsstraße sowie durch ein langgestrecktes Bestandsgebäude (Fl.Nr. 572) eingefasst. Im Osten wird das fallgegenständliche Grundstück ebenfalls durch ein Bestandsgebäude (Fl. 572/1) eingefasst. Im Süden wird das Grundstück durch einen bewaldeten Steilhang (FlNr. 573; Landschaftsschutzgebiet) begrenzt, der hier sowohl in tatsächlicher Hinsicht, als auch rechtlich eine Geländezäsur darstellt (=> echte topographische Abschlusswirkung). 

Das VG München hat in seinem Urteil vom 25.03.1999 (Az. M 11K 98.718) auf S. 9 ausgeführt, dass die zur Bebauung vorgesehene Grundstücksfläche „durch die umgebende Bebauung, und nicht durch die umgebenden Freiflächen geprägt sein“ muss. Die vom VG München vorstehend getroffene Feststellung ist rechtserheblich, da der Wortlaut von § 34 BauGB tatbestandlich einen "im Zusammenhang bebauten Ortsteil" voraussetzt. Das Verwaltungsgericht stellt mit der vorstehend zitierten Aussage klar, dass ein nicht hinreichendes Gewicht an Bebauung (d.h. ein mangelnder Bebauungszusammenhang) nicht entgegen dem gesetzlichen Wortlaut (contra legem) durch ein völlig konturenloses Plus an naturräumlicher Geländeprägung überkompensiert werden kann.
So aber verhält es sich beim vorgelegten Bauantrag zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. 1241/5. Das hinter dem Ortsrand situierte Antragsgrundstück grenzt ausschließlich in nordwestlicher Richtung Grundstück Fl.Nr. 1241/22 an den Bebauungszusammenhang an, so dass das mangelnde Gewicht an Bebauung im Übrigen ausschließlich durch die weit hinter der klaren Ortsrandfluchtline umgebenden Freiflächen hergeleitet werden würde, um entgegen des öffentlichen Interesses an der Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft ein Außenbereichsgrundstück einer Bebauung zuführen zu können.
Im gegenständlichen Fall handelt es sich vorliegend bei dem angrenzenden Hang um zudem einen unechten topographischen Abschluss, da der Hang als Rodungsinsel im vorliegenden Fall sowohl in tatsächlicher Hinsicht bebaubar wäre (vgl. das vorstehend genannte Beispiel des Bebauungsplans Nr. 42 „An der Aufkirchner Straße“), als auch im Wege einer Bauleitplanung bebaubar gemacht werden könnte, sofern dies dem gemeindlichen Planungswillen entsprechen würde. 
Vorliegend ist im Flächennutzungsplan die Hangkante jedoch einschließlich eines Teilbereichs des Grundstücks Fl.Nr. 1241/5 als nicht bebaubare Grünflache dargestellt. Überdies hat die Gemeinde das angrenzende Grundstück Fl.Nr. 1238/3 bereits vor längerer Zeit mit der Zielsetzung erworben, als auch Grundeigentümer zur Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft beitragen zu können.
Bei dem hier gegebenen unechten topographischen Abschluss wird das Grundstück Fl.Nr. 1241/5 nicht mit einer im echten Geländezäsur mit Abschlusswirkung im Sinne des § 34 BauGB erfasst, so dass es vorliegend der Gemeinde im Rahmen kommunalen Planungshoheit (=> grundrechtsähnliches Recht auf kommunale Selbstverwaltung gem. Art. 11 Abs.  2 Satz 2 Halbsatz 1 der Bayerischen Verfassung sowie Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes) obliegt, ob der Ortsrand weiter ausgedehnt werden soll oder aber ob der Ortsrand mit der gegebenen klaren Begrenzung seinen Abschluss finden soll.
Da jedenfalls durch den vom Gemeinderat beschlossenen Erlass der Klarstellungssatzung für den Ortsrand von Hohenschäftlarn südlich der Klosterstraße und südöstlich der Waltrichstraße vom 16.09.2020 klargestellt ist, dass sich das Grundstück FlNr. 1241/5 weder formell, noch materiell im Innenbereich befindet, bedeutet dies, dass weiterhin kein Baurecht besteht.


Frau  Fröhlich verlässt ab diesem Tagesordnungspunkt die Sitzung und nimmt an der Abstimmung nicht teil. 

Beschluss

Das gemeindliche Einvernehmen wird nicht erteilt.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 18, Dagegen: 0

Datenstand vom 14.02.2024 19:25 Uhr