Bauleitplanverfahren "Logistikpark Stocka" des Marktes Rohr: Stellungnahme des Marktes Langquaid als Träger öffentlicher Belange gem. § 4 Abs. 1 BauGB


Daten angezeigt aus Sitzung:  17. Marktgemeinderat, 09.04.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.Lfd. BV-Nr.
Marktgemeinderat Langquaid (Markt Langquaid) 17. Marktgemeinderat 09.04.2024 ö beschließend 6

Beschluss

  1. Sachverhalt 
Auf einer Fläche an der Staatsstraße St 2230 in 93352 Rohr in Niederbayern ist die Entwicklung eines Logistikstandortes mit zwei Logistikzentren beidseits der St 2230 geplant. Die Gemeinde hat die Änderung des Flächennutzungsplans sowie die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans mit integriertem Grünordnungsplan für den Logistikpark Stocka am 20.2.2024 beschlossen. Die Bauleitplanung umfasst eine Fläche von ca. 38,04 ha; gerechnet wird mit einer Neuversiegelung von ca. 23,6 ha.
Die Firma Panattoni Germany Properties GmbH plant im bisherigen Gewerbegebiet Stocka den Neubau von zwei Logistikzentren (West und Ost).
Das Konzept geht bei beiden Logistikzentren von einem Dreischichtbetrieb aus. 
Für den Logistikpark im Westteil sind 849 Pkw Stellplätze und 206 Lkw Stellplätze eingeplant. Nach der Vorhabenbeschreibung wird von ca. 750 Lkw-Fahrten in 24 Stunden ausgegangen sowie 4500 Kfz Fahrten. Die Anzahl der Beschäftigten zum Schichtwechsel beträgt ca. 1716 weitere 60 Mitarbeiter sind außerhalb der Regelschichten tätig. Dabei dient das Logistikzentrum, welches von der Tochtergesellschaft der Amazon Europe Core S.a`r.l. angemietet werden soll, der Verteilung verpackter Waren; es umfasst unter anderem Bücher, Elektronik, Spielzeug, Haushaltswaren, Sport - und Freizeitartikel und andere Produkte.

Für den Ostteil werden 5 Lkw Stellplätze und 208 Pkw Stellplätze vorgesehen es wird von ca. 650 Lkw-Fahrten und ca. 550 Kfz Fahrten in 24 Stunden ausgegangen. Die Anzahl der Mitarbeiter soll insgesamt 340 Beschäftigte betragen. Die Logistikgebäude sollen werktags sowie an Sonn- und Feiertagen durchgängig 24 Stunden in einem Dreischichtbetrieb genutzt werden. Das Logistikzentrum, welches von Panattoni Stocka betrieben wird, soll die Lagerung Kommissionierung Auslieferung und Montage von Gütern unterschiedlicher Art nebst zugehöriger Bürotätigkeit umfassen. 

Das Vorhabengebiet soll über die Landstraße St 2144 erschlossen werden. Der überwiegende Verkehr von Pkw und Lkw soll dann über die Landstraße St 2144 in östlicher Richtung zur Autobahn A 93 geführt werden. Nach der Vorhabenbeschreibung fahren die LKWs der Logistikzentren über den nordöstlichen Kreisverkehr an der St 2230 an. 


  1. Rechtliche Stellungnahme
Aufgrund der Größe des Projekts sind die Auswirkungen auf die Umgebung sorgsam zu prüfen. Nach unserer Auffassung ist hierfür ein Raumordnungsverfahren erforderlich.

    1. Beachtung der Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms

Die Gemeinde Rohr ist bei Ihrer Bauleitplanung gemäß § 1 Abs. 4 Bau GB verpflichtet, die Vorgaben der Raumordnung zu beachten. Das geplante Logistikzentrum kann dann ohne Einhaltung des Anbindegebots nach 3.3 des Landesentwicklungsprogramms geplant werden, sofern es auf einen unmittelbaren Anschluss an eine Autobahnanschlussstelle oder deren Zubringer angewiesen ist und ohne wesentliche Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbilds geplant ist . Die Frage, ob das Anbindegebot eingehalten ist, richtet sich danach, ob die Staatsstraße 2230 als ein unmittelbarer Anschluss zur A 93 anzusehen ist. Dies ist im Raumordnungsverfahren von der Regierung von Niederbayern zu beurteilen.

In den Unterlagen finden sich nur sehr knappe Aussagen, ob das im Landesentwicklungsprogramm unter Z. 3.1 verankerte Gebot des Flächensparens eingehalten wird und zudem eine nachhaltige und ressourcenschonende Siedlungsentwicklung gewährleistet ist.
Der Logistikpark soll in zwei Teilen östlich und westlich der ST 2330 mit zwei eigenständigen Logistikzentren errichtet werden.
Die Größe der im Bebauungsplan hierfür vorgesehenen Fläche beträgt ca. 38 ha. Die Flächen für die Logistik betragen im Teilgebiet 1 Ost 50244 m² und im Teilgebiet West 61261 m². Die restlichen Flächen werden in öffentliche Flächen (Staatsstraßen Autobahnzubringer) Verkehrsflächen, Versorgungsflächen und Grünflächen aufgeteilt. Zugelassen wird eine überbaute Grundfläche von 0,8 GRZ. Nach der Begründung zum Bebauungsplan (Seite 29) wird eine Grundfläche von ca. 230.153 m² überbaut. Hinweise zur Erforderlichkeit der versiegelten Flächen fehlen.

Die Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur erscheinen problematisch. Nach Z. 5.1G sollen die Standortvoraussetzungen für die bayerische Wirtschaft insbesondere für die leistungsfähigen kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie für die Handwerks – und Dienstleistungsbetriebe erhalten und verbessert werden. Durch die Anzahl von über 2000 Mitarbeitern in dem Logistikzentrum wird es für die örtliche Wirtschaft schwieriger, die notwendigen Fachkräfte zu finden. Zudem wird durch den weiteren Ausbau des Internethandels der innerstädtische Einzelhandel verstärkt beeinträchtigt

Das im Landesentwicklungsprogramm 2023 in Z. 3.1.1 verankerte Harmonisierungsgebot wird in den Unterlagen nicht berücksichtigt. Danach soll die Entwicklung von Flächen für Wohnzwecke, gewerbliche Zwecke sowie für Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen abgestimmt erfolgen. Die Gemeinde Rohr hat keine Aussagen getroffen, ob sie in der Lage ist, den Wohnraum für die Mitarbeiter des Logistikzentrums bereitzustellen. Ein interkommunales Entwicklungskonzept zur Schaffung des entsprechenden Wohnraums ist nicht geplant (Landesentwicklungsprogramm Z. 3.1 Absatz 3). Insofern muss im Rahmen der Bauleitplanung auch berücksichtigt werden, welche Auswirkungen die Ansiedlung des Logistikzentrums in den Nachbargemeinden auf den bereits angespannten Wohnungsmarkt in den Nachbargemeinden haben wird , die zudem erhebliche Herausforderungen für die soziale Infrastruktur z.B. bei dem Bedarf bei Kinderkrippen, Kindergärten, Schulen etc. nach sich ziehen können.

Nach dem Regionalplan der Planungsregion 11 Regensburg ist der Markt Rohr in Niederbayern in der Raumstrukturkarte als Grundzentren im allgemeinen ländlichen Raum gekennzeichnet. Die westliche Projektseite liegt überwiegend innerhalb des landschaftlichen Vorbehaltsgebiets Nr. 17 „Talräume der großen Laber und der Abens mit Seitentälern“. Auch wenn in einem Vorbehaltsgebiet kein grundsätzlicher Ausschluss für eine Umnutzung der Flächen vorliegt, bedürfen jedoch neue und landschaftsverändernde Nutzungen einer sorgfältigen Prüfung, ob die natürlichen Entwicklungsgrundlagen beeinträchtigt werden. Aussagen hierzu wurden nicht getroffen. Notwendig ist es daher, dass der Regionale Planungsverband im Rahmen seiner Stellungnahme beurteilen muss, ob eine Änderung des Regionalplans in Betracht kommt oder ob die Schutzwürdigkeit des Vorbehaltsgebiets der Planung entgegensteht.

    1. Gebot der gerechten Abwägung im Rahmen der Bauleitplanung
Hinsichtlich des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB sind Defizite festzustellen. Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiellrechtliche Abwägungsgebot um die Verfahrensanforderung, dass die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten sind. Nach Maßgabe der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in BVerwG vom 14. 2 1975,
4 C 21.74 BVerwGE 48,56 ist das Gebot gerechter Abwägung verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Ferner ist es auch verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Somit sind von der kommunalen Bauleitplanung im Wesentlichen folgende Anforderungen zu erfüllen:

Es muss eine gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander stattfinden es darf keine Bindung der Abwägung durch Vorentscheidungen stattfinden. Das Gebot der planerischen Konfliktbewältigung ist zu beachten, eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots darf nicht stattfinden, die Eigentumsgarantie darf nicht verletzt werden und die Bauleitplanung muss den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, Erforderlichkeit und Bestimmtheit genügen.

Im Rahmen der Bauleitplanung für die Logistikzentren wurde von der Firma in INROS LACKNER eine schalltechnische Untersuchung vom 19.1.2024 erstellt, welche jedoch bei der Beurteilung des anlagenbezogenen Verkehrs auf öffentlichen Verkehrswegen im wesentlichen auf einen Umkreis von 500 m vom Betriebsgelände abgestellt hat. (aaO Seite 27).Eine mögliche Lärmbelastung durch die Zunahme des Verkehrs auf der St 2144 in Richtung B 15 neu mit Auswirkungen auf dem Markt Langquaid wurde überhaupt nicht geprüft. 

Dies stellt ein Abwägungsfehler dar. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 17. 03.2005,4 A 18.04 (Frankenschnellweg) festgestellt ,dass Gemeinden, deren Baugebiete vom Lärmzuwachs betroffen sind, ihr Interesse an der Bewahrung der in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung vor nachhaltigen Störungen als eigenen abwägungserheblichen Belang geltend machen können. Dabei bieten für die Abwägung die Immissionsgrenzwerte des 16. BImschV eine Orientierung. 

Insofern werden im Immissionsschutzgutachten die Belange der Nachbargemeinden, dass im Rahmen der Bauleitplanung für die Logistikzentren auch eine Zunahme der Verkehrsbelastung in ihren Gemeindegebieten zu berücksichtigen ist, fehlerhaft nicht geprüft. 
Zudem ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der 500 m Radius in Z. 7.4 der TA Lärm keine abschließende Begrenzung der Zurechenbarkeit des Verkehrslärms darstellt. Daher ist die planende Gemeinde im Rahmen der Abwägung nicht von der Verpflichtung befreit, auch die Auswirkungen der durch den Betrieb verursachten Verkehrsbelastung auf die Nachbargemeinden insbesondere den Markt Langquaid no in die Abwägung einzustellen. Der Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung zu der Bauleitplanung für ein Logistikzentrum im Landkreis Ansbach vom 10.12.2020, 9 CS 20.892 ausgeführt, dass das Gebot der Konfliktbewältigung nach § 1 Abs. 7 BauGB verfehlt ist, wenn auch die Verkehrsproblematik in Bezug auf die Wohnbebauung in den Nachbargemeinden nicht berücksichtigt wird. Der VGH führt in der Entscheidung aus: Das Fehlen jeder weiteren Befassung mit diesem Punkt dürfte aber im Hinblick darauf, dass Verkehrslärmschutzbelange grundsätzlich dann in die Abwägung einzubeziehen sind, ermittlungsdefizitär und abwägungsfehlerhaft sein, wenn die Lärmbelastung infolge des Bebauungsplans ansteigt (vergleiche Bay VGH Urteil vom 27.4.2016 – 9N13.1408 – juris Rn. 21; Urteil vom 24.11.2017, 15N 16.2158 – juris Rn. 24 mit weiteren Nachweisen) und hiervon nur abgewichen werden kann, wenn der Lärmzuwachs völlig geringfügig ist.
Dabei kann diese Beurteilung nicht anhand eines Vergleichs von Lärmmesswerten vorgenommen werden, sondern es bedarf stets einer einzelfallbezogenen wertenden Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter Berücksichtigung der Vorbelastung sowie der Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets (vergleiche Bay VGH Urteil vom 12.8.2019 – 9 N 17.1046 – juris Rn. 47) 

  1. Zusammenfassung
Die Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Logistikpark Stocka“ wirft erhebliche rechtliche Probleme auf. Die Planung ist aufgrund der fehlenden Berücksichtigung der Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms und der Nichtbeachtung des Gebots der gerechten Abwägung nach aktuellem Planungsstand nicht zulässig. Insbesondere die fehlende Behandlung der interkommunalen Belange ist für unsere Mandantschaft und ihre Gemeindebürger nicht zumutbar.
Der Markt Langquaid lehnt die vorgelegte Planung zum „Logistikpark Stocka“ ab und behält sich rechtliche Schritte vor.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 16, Dagegen: 0

Datenstand vom 16.04.2024 09:52 Uhr