In der Sitzung vom 24.01.2023 wurde dem Gemeinderat der Antrag auf Aufstellung eines Bebauungsplans für den Ortsteil Steingassen zur Kenntnis gegeben.
Der Gemeinderat hat seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, einen Bebauungsplan aufzustellen. Zunächst sollte jedoch mit einer Voranfrage bei den wichtigsten Fachbehörden abgestimmt werden, ob die Voraussetzungen für eine Bebauungsplanaufstellung grundsätzlich gegeben sind.
Die Fachbehörden haben folgende Stellungnahmen abgegeben:
Stellungnahme Wasserwirtschaftsamt Rosenheim, E-Mail vom 24.02.2023
Sehr geehrte Damen und Herren,
grundsätzlich ist die Ausweisung neuer Baugebiete im Überschwemmungsgebiet verboten.
Abweichend von diesem Verbot kann die Bauleitplanung ausnahmsweise zugelassen werden, wenn die Anforderungen nach § 78 Abs. 2 WHG kumulativ erfüllt werden. Regelmäßig scheitert dies jedoch bereits an Nr. 1: es müsste keine andere Fläche im Gemeindegebiet für die Siedlungsentwicklung mehr vorhanden sein. Dies ist hier nicht der Fall, da im Gemeindegebiet weitere Flächen vorhanden sind.
Da mit dem Bebauungsplan auch für die bereits bebauten Grundstücke Baurecht geschaffen wird (z.B. künftige Erweiterungen, weitere Gebäude, Ersatzneubau), macht es Sinn, die Grundstücke, die Teil des Überschwemmungsgebietes sind, aus der weiteren Planung herauszunehmen. Diese Grundstücke sind ohnehin bereits bebaut.
Anmerkung der Verwaltung hierzu:
Der bebaute Siedlungsbereich des Ortsteils Steingassen liegt in einem vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet. Dieser Ortsteil kann nach den Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim nicht mit einem Bebauungsplan überplant werden. Dies war von vornherein auch nicht vorgesehen, weil die gesetzlichen Bestimmungen für Überschwemmungsgebiete der Verwaltung bekannt waren. Die Flächen für die Bebauungsplanausweisung (südwestliche Erweiterung des Ortsteils) liegen nicht im Überschwemmungsgebiet, somit wäre hier eine Bebauungsplanaufstellung denkbar.
Regierung von Oberbayern, Höhere Landesplanung, Schreiben vom 06.03.2023
Das Schreiben wird dem Gemeinderat zur Kenntnis gegeben.
In ihrer Stellungnahme zur vorgesehenen Bebauungsplanaufstellung kommt die Regierung von Oberbayern zur folgenden Bewertung:
Errichtung eines Wohngebäudes auf Grundstück Fl.Nr. 563/1
Die schon viele Jahre konkret geplante Errichtung eines Wohngebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. 563/1 würde sich dem baulichen Bestand von Steingassen unterordnen und zu keiner unverhältnismäßigen Erweiterung des Weilers führen. Oben genannte Erfordernisse der Raumordnung würden dieser konkreten Planung nicht entgegenstehen.
Anmerkung der Verwaltung hierzu:
Die Errichtung des Wohngebäudes auf dem Grundstück wurde vom Landratsamt Rosenheim, Bauabteilung nicht für genehmigungsfähig erachtet, weil das Grundstück im sog. „Außenbereich“ liegt und die Voraussetzung die eine Baugenehmigung nach § 35 BauGB ausnahmsweise möglich macht, nicht vorliegen. Der Wohnhausbau kann nur über die Aufstellung eines Bebauungsplans ermöglicht werden.
Aufstellung eines Bebauungsplans für den Ortsteil Steingassen
Anders verhält es sich dagegen bei der geplanten Erweiterung von Steingassen um insg. ca. 4,6 ha. Der bauliche Bestand von Steingassen verfügt nicht über ein ausreichendes bauliches Gewicht, um als geeignete Siedlungseinheit im Sinne des LEP-Ziels 3.3 für die geplante umfangreiche bauliche Erweiterung mit einer Größe von ca. 4,6 ha gewertet zu werden. Die Aufstellung eines Bebauungsplans für das vorgeschlagene Gebiet würde damit dem Anbindungsziel des LEP widersprechen.
Zudem stünde eine Ausweisung weiterer Wohnbauflächen in Steingassen nicht in Einklang mit LEP-Ziel 3.2, da laut unseren Informationen die Gemeinde Ramerberg in den Ortsteilen Zellerreit, Eich und Sendling über im Flächennutzungsplan dargestellte, noch unbebaute Wohn- und Mischgebietsflächen im Umfang von ca. 5 ha verfügt (ca. 1,3 ha Zellerreit, ca. 0,6 ha Eich, ca. 3 ha Sendling). Diese wären vor der Inanspruchnahme von bisher nicht für Siedlungszwecke genutzten Freiflächen vorrangig zu erschließen und zu nutzen.
Auf Grund der im Vergleich zu anderen Ortsteilen geringen Größe des Weilers Steingassen steht die Planung auch den Regionalplanzielen B II 3.2, B II 3.3 und B II 3.4 entgegen, denn eine Konzentration der Bevölkerung auf die Hauptorte und nicht auf kleine Weiler ermöglicht eine wirtschaftliche Auslastung der Infrastruktur, eine günstige Zuordnung von Wohn- und Arbeitsstätten und eine Teilhabe der Bevölkerung an den dortigen Ereignissen. Versorgungseinrichtungen sind auf kurzen Wegen zu erreichen. Eine auf die Außenentwicklung orientierte Siedlungsentwicklung führt hingegen zu erhöhten Kosten und Unterauslastung bestehender Infrastrukturen und würde Teilen der Bevölkerung zum Einkaufen, Arbeiten etc. zusätzlich erhebliche Wege aufbürden. Für eine weitere wohnbauliche Entwicklung im Gemeindegebiet empfehlen wir der Gemeinde diese wie geplant im Hauptort Ramerberg zu verwirklichen.
In Ihrem Schreiben vom 21.02.2023 werfen Sie noch explizit die Frage auf, ob für eine weitere Siedlungsentwicklung im Gemeindegebiet (hier konkret die von Ihnen angesprochene geplante Ausweisung eines Wohngebiets am Hauptort Ramerberg) ein Flächenbedarfsnachweis vorzulegen sei. Für den geplanten Umfang von ca. 20 Wohneinheiten hat dies im Sinne des Flächensparens und einer dem demographischen Wandel angepassten Planung zu erfolgen.
Ergebnis
Die geplante Errichtung eines Wohngebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. 563/1, Gmkg. Ramerberg kann noch als Abrundung des Weilers Steingassen gesehen werden und steht den Erfordernissen der Raumordnung nicht entgegen.
Eine bauliche Erweiterung des Weilers über dieses Grundstück hinaus widerspricht dem Anbindungsziel gem. LEP 3.3 und läuft den Festlegungen gem. LEP 3.2 Z und RP 18 B II 3.2 Z, B II 3.3 und B II 3.4 entgegen. Wir empfehlen der Gemeinde für eine weitere Wohnbauentwicklung vorrangig die noch unbebauten, im Flächennutzungsplan dargestellten Wohn- und Mischgebietsflächen in den o.g. Ortsteilen heranzuziehen.
Stellungnahme Landratsamt Rosenheim, Bauleitplanung, E-Mail vom 07.03.2023
(…)
die gestrige Stellungnahme der Regierung von Oberbayern, bestätigt die von uns ortsplanerisch und rechtlich grundsätzlich bereits kritisch gesehene großflächige Entwicklung von Steingassen.
Ortsplanerisch schwierig bleibt auch eine kleine Entwicklung nach Süden/Südosten im Bereich der Flnrn. 558, 563, 563/1, deren Vereinbarkeit mit den Zielen der Raumordnung auch erst noch geklärt oder durchgesetzt werden müsste.
Da ein Bebauungsplan Auswirkungen auf die Kreisstraßenanbindung/Verkehrssicherheit, Immissionsschutz (Gewerbe-Wohnen sowie Verkehrslärm), Ortsrandgestaltung hat, müssen zur Vermeidung von Konflikten auch planerische Lösungen entwickelt und aufgezeigt werden.
Ob und wie diese Lösungen ggfs. aussehen und gestaltet sein können, müsste sorgfältig geprüft und festgesetzt werden.
Stellungnahme Landratsamt Rosenheim, Immissionsschutzabteilung, E-Mail vom 06.03.2023
Durch die Verkehrsgeräusche der RO 43 sind Beurteilungspegel an den nächstgelegenen Immissionsorten von tags > 60 dB(A) und nachts > 50 dB(A) zu erwarten; dies entspricht dem Lärmpegelbereich III der DIN 4109 (Tabelle 7, Januar 2018 bzw. Juli 2016).
Durch die Änderung bzw. Erweiterung des Bebauungsplans entstehen neue Immissionsorte mit hohem Schutzanspruch (MD oder WA) gegenüber Geräuscheinwirkungen, ausgehend von diesen Verkehrswegen.
Innerhalb des dargestellten möglichen Geltungsbereichs befindet sich im nordöstlichen Bereich eine Kfz-Werkstatt (Flurnummer 563).
Erforderliche Maßnahmen:
Verkehrslärm
Durch eine schalltechnische Untersuchung ist nachzuweisen, dass die schalltechnischen Orientierungswerte der DIN 18005 bzw. die Immissionsrichtwerte der TA Lärm, entsprechend der Schutzwürdigkeit (MD oder WA), an den maßgeblichen Immissionsorten im Planungsgebiet, gegenüber den o.g. Verkehrswegen und der Kfz-Werkstatt eingehalten werden.
Eventuell erforderliche Schallschutzmaßnahmen sind im Zuge der Gutachtenerstellung auszuarbeiten.
landwirtschaftliche Immissionen
Umliegend des dargestellten möglichen Geltungsbereichs befinden sich mehrere landwirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung (Rinder oder Pferde):
Nach der Abstandsregelung des Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ betragen die erforderlichen Mindestabstände zu Wohngebäuden im Dorfgebiet, ausgehend von
offenen Außenwänden / Lüftungsöffnungen:
Anmerkung der Verwaltung hierzu:
Hier hat die Immissionsschutzabteilung die einzelnen Abstände der landwirtschaftlichen Betriebe zu dem vorgesehenen bzw. beabsichtigten Geltungsbereich angegeben. Auf die Angaben der Abstände wird verzichtet. Bei einigen Tierhaltungsbetrieben wird der erforderliche Mindestabstand zum Geltungsbereich nicht eingehalten.
Stellungnahme Landratsamt Rosenheim, Tiefbauabteilung, E-Mail vom 29.03.2023
Zur Anfrage in welchen Bereichen eine Anbindung der beabsichtigten Wohnbebauung an die RO 34 möglich ist wurde mitgeteilt, dass
- zur nordöstlichen Anbindung erst nach Vorlage einer konkreten Planung eine Aussage erteilt werden kann und
- ebenso trifft dies auch auf eine Anbindung des südwestlichen Bereichs der RO 34 zu. Als primäre Lösung sind die vorhandenen Zufahrten zu nutzen.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die bei der Anfrage beteiligten Behörden der Aufstellung eines Bebauungsplans „Steingassen“ sehr kritisch gegenüberstehen.
Die Regierung von Oberbayern hat sich gegen eine Aufstellung eines Bebauungsplans „Steingassen“ ausgesprochen, weil eine Baugebietsausweisung in diesem Ortsteil bzw. Weiler den Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms Bayern sowie den Zielen des Regionalplans Südostoberbayern widerspricht. Die Regierung von Oberbayern empfiehlt für eine weitere Wohnbauentwicklung vorrangig die noch unbebauten, im Flächennutzungsplan dargestellten Wohn- und Mischgebietsflächen heranzuziehen.
Das Landratsamt Rosenheim, Bauleitplanung sieht eine Bebauungsplanaufstellung aus ortsplanerischer und rechtlicher Sicht kritisch.
Das Landratsamt Rosenheim, Immissionsschutz hat darauf hingewiesen, dass die von der RO 34 ausgehenden Verkehrsgeräusche die Orientierungswerte der DIN 18005 bzw. die Immissionsrichtwerte der TA Lärm überschreiten. Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans ist durch eine schalltechnische Untersuchung nachzuweisen, dass an den maßgeblichen Immissionsorten im Plangebiet, gegenüber der RO 34 und der Kfz-Werkstatt die Orientierungswerte eingehalten werden. Eventuell erforderliche Schallschutzmaßnahmen sind im Zuge der Gutachtenerstellung auszuarbeiten. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass nicht zu allen Tierhaltungsbetrieben die erforderlichen Mindestabstände eingehalten werden.
Antrag auf Einbeziehung des Grundstücks Fl.Nr. 845 der Gemarkung Ramerberg in die Bebauungsplanaufstellung
Zwischenzeitlich ist mit Schreiben vom 01.03.2023 ein Antrag der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 563 der Gemarkung Ramerberg bei der Gemeinde eingegangen, mit dem die Aufnahme dieses Grundstücks in die Baugebietsausweisung beantragt wurde. Das Grundstück liegt nördlich der Kreisstraße RO 43 und östlich des Grundstücks Fl.Nr. 563 der Gemarkung Ramerberg. Das Grundstück ist durch einen Entwässerungsgraben von den o.g. nordwestlich gelegenen Grundstücken getrennt. Die Einbeziehung des gesamten Grundstücks in den Bebauungsplan ist aus ortsgestalterischen Gründen sehr bedenklich.
Weitere Vorgehensweise
Der Gemeinderat soll entscheiden, ob aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen der Fachbehörden die einer Bebauungsplanaufstellung nicht positiv gegenüberstehen, noch mit den betroffenen Grundstückseigentümer Verbindung aufnehmen werden soll, ob diese eine Bebauungsplanaufstellung befürworten. Bei der schriftlichen Anfrage sollte den Grundstückseigentümer auch mitgeteilt werden, unter welchen Voraussetzungen die Gemeinde bzw. unter welchen Forderungen die Gemeinde Ramerberg bereit ist, das Aufstellungsverfahren zu eröffnen.
Ebenso hat der Gemeinderat zu entscheiden, ob das Grundstücks Fl.Nr. 845 der Gemarkung Ramerberg oder eine Teilfläche davon in den Bebauungsplan mit aufgenommen werden soll.
Bei einer Bebauungsplanaufstellung sind alle anfallenden Kosten von der Gemeinde Ramerberg zu tragen.
Mit folgenden Kosten ist zu rechnen:
- Honorarkosten für die Aufstellung des Bebauungsplans und Änderung des Flächennutzungsplans mit integriertem Landschaftsplan,
- Kosten für die Erstellung eines Umweltberichts
- Kosten für eine schalltechnische Untersuchung für die Immissionsauswirkungen der Kreisstraße RO 43 auf die neue Wohnbebauung sowie des Kfz-Betriebes bei Steingassen 6 zur vorgesehenen Wohnbebauung südöstlich des Betriebes
Über die Höhe der Gesamtkosten können keine Aussagen getroffen werden.