Vollzug des Baugesetzbuches (BauGB); Planersetzender Beschluss gemäß § 125 Abs. 2 BauGB für die rechtmäßige Herstellung der Witzighauser Straße zwischen den Südgrenzen der anliegenden Grundstücke Flur-Nrn. 986/1 und 1109, jeweils Gemarkung Illerberg und der Nordgrenze des Grundstückes Flur-Nr. 986/2, Gemarkung Illerberg


Daten angezeigt aus Sitzung:  Stadtratssitzung, 26.11.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Stadtratssitzung 26.11.2020 ö Beschließend 4

Sachverhalt

Die rechtmäßige Herstellung einer Erschließungsanlage (hier Straße) setzt nach
§ 125 Abs. 1 BauGB grundsätzlich einen Bebauungsplan voraus.

Bis zur Änderung des Baugesetzbuches im Jahre 1998 durften Erschließungsanlagen ohne Bebauungsplan nur mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde hergestellt werden.
Eine Zustimmung der Regierung von Schwaben zur Herstellung der Witzighauser Straße in ihrem rechtlich selbständigen Teil im wesentlichen vor den Grundstücken Fl-Nrn. 986/1, 986/3 und 986/2, jeweils Gemarkung Illerberg wurde vor dem 1. Januar 1998 nicht eingeholt.

Soweit kein Bebauungsplan vorliegt, darf eine Anlage nach der aktuellen Gesetzeslage
nur hergestellt werden, wenn sie den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB entspricht (§ 125 Abs. 2 BauGB).

Soweit ferner Erschließungsbeiträge erhoben werden sollen, ist ein Beschluss über die rechtmäßige Herstellung durch den Stadtrat der Stadt Vöhringen zu fassen.
Dies ist im vorliegenden Falle des in Frage stehenden Teilstücks der Witzighauser Straße insbesondere deswegen der Fall, da bei der Erhebung der Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag ein entsprechender Beitragsbescheid mit der Begründung angegriffen wurde, dass der gegenständliche Bebauungsplan „Wohngebiet Witzighauser Straße Nord“ nicht ordnungsgemäß abgewogen wurde und somit nichtig sei.
Sollte dieser Argumentation in einem möglichen gerichtlichen Verfahren gefolgt werden, läge eine nicht rechtmäßige Herstellung der Straße vor, was eine rechtlich sichere Erhebung von Erschließungsbeiträgen, zu deren Erhebung die Stadt Vöhringen verpflichtet ist, wesentlich erschweren oder unmöglich machen würde. Der nachstehend angestrebte Beschluss könnte dies ggf. verhindern, da die sog. „Planersetzende Entscheidung“ für die Rechtmäßigkeit der Herstellung der Straße genügt.

Der gegenständliche rechtlich selbständige Teil der Witzighauser Straße beginnt an den Südgrenzen der anliegenden Grundstücke Flur-Nrn. 986/1 und 1109, jeweils Gemarkung Illerberg und endet auf Höhe der Nordgrenze des Grundstückes 986/2, Gemarkung Illerberg.

Die Witzighauser Straße bestand in diesem Teil früher als Feldweg (asphaltiert). Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde wegen der Bauabsicht von Anliegern der Schmutzwasserkanal bis zu den Baugrundstücken Fl-Nrn. 986/1, 986/3 und 986/2, jeweils Gemarkung Illerberg verlängert. Weitere Erschließungsarbeiten fanden bis zum Jahr 2017 in diesem Bereich nicht statt.
Die Witzighauser Straße im angesprochenen Teil wurde nun im Laufe der Jahre 2018 bis 2020  komplett hergestellt.

Auf den beigefügten Lageplan sowie den ebenfalls beigefügten Ausbauplan wird verwiesen.  


Die wichtigste materiell-rechtliche Bindung, in deren Rahmen sich jede Gemeinde bei der bebauungsplanersetzenden Planung einer Erschließungsanlage nach § 125 Abs. 2 BauGB halten muss, ist das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Gebot, alle von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
Dieses Gebot bezieht sich sowohl auf das Abwägen als Vorgang, insbesondere also darauf, dass überhaupt eine Abwägung stattfindet und dass bei dieser Abwägung bestimmte Interessen in Rechnung gestellt werden, als auch auf das Abwägungsergebnis, also auf das, was bei dem Abwägungsvorgang „heraus kommt“.
§ 125 Abs. 2 BauGB erfordert also zunächst einmal einen der Gemeinde vorbehaltenen Abwägungsvorgang.
Dem folgend verlangt die Rechtsprechung, dass eine Abwägung durch das zuständige Organ einer Gemeinde erfolgt.
Ein Abwägen als Vorgang setzt ein positives Handeln voraus, das als solches auch dokumentiert sein muss.
Wegen der bebauungsplanersetzenden Wirkung des § 125 Abs. 2 BauGB kann auf einen positiven Planungsakt nicht verzichtet werden.

Das Vorliegen der Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB stellt sich wie folgt dar:
 
a)        Raumordnung
Die endgültige Herstellung der Witzighauser Straße im angesprochenen Teil steht den Zielen der Raumordnung und einer geregelten städtebaulichen Entwicklung nicht entgegen.

b)        Städtebauliche Entwicklung/Städtebauliche Ziele
Die Witzighauser Straße im fraglichen Teil war als Feldweg vorhanden und in geringem Maße (asphaltierter Feldweg mit Schmutzwasserentsorgung) zur Erschließung der genannten Baugrundstücke ausgebaut.

Insbesondere durch und aufgrund des neu projektierten und mittlerweile fast komplett bebauten „Wohnbaugebiets Witzighauser Straße Nord“ empfahl es sich, die Witzighauser Straße im fraglichen Teil städtebaulich geordnet und den konkreten Erschließungsanforderungen sowohl der drei genannten Baugrundstücke als auch des gesamten Baugebiets „Wohnbaugebiet Witzighauser Straße Nord“ gerecht werdend auszubauen.

c)        Ausgestaltung der Erschließungsanlage unter Berücksichtigung städtebaulicher und sonstiger Belange
Die Verlängerung der Witzighauser Straße wurde im Bereich der bestehenden Grundstücke (986/1, 986/3 und 986/2 jeweils Gemarkung Illerberg) mit einem einseitigen Gehweg (Breite 1,5 m) auf der Westseite und einer Fahrbahnbreite von 6 m vorgenommen. Diese vorgenommene Ausbauweise der Straße gewährleistet auch einen sicheren Begegnungsverkehr und stellt somit eine ausreichende Erschließung dar.

ca)        Straßenverlauf
       Die Witzighauser Straße im fraglichen Teil war als Feldweg vorhanden und in geringem Maße (asphaltierter Feldweg mit Schmutzwasserentsorgung) zur Erschließung der genannten Baugrundstücke ausgebaut.

cb)        Funktion der Straße und Anforderungen
       Die Witzighauser Straße im fraglichen Teil dient der Erschließung der vorhandenen und genannten drei Baugrundstücke und des gesamten Baugebiets „Wohnbaugebiet Witzighauser Straße Nord“.

Ein über den Erschließungscharakter der Grundstücke und des Baugebietes hinausgehender Durchgangsverkehr findet mit Ausnahme von landwirtschaftlichem Verkehr nicht statt.
Das Straßenteilstück ist als Wohnstraße (mit zusätzlichem landwirtschaftlichem Verkehr) zu qualifizieren.
Es ist als Tempo-30-Zone ausgewiesen.
Die Verkehrsbelastung dieses Straßenteilstücks ist aufgrund seiner oben dargestellten Erschließungsfunktion (plus landw. Verkehr) noch als gering zu werten, da das Wohnbaugebiet Witzighauser Straße Nord sowie die drei genannten Grundstücke lediglich mit Einfamilienhäuser bebaut sind.

Die Anlegung eines einseitigen Gehweges erscheint aufgrund des zu erwartenden Fußgängerverkehrs aus dem genannten Baugebiet in diesem Teilstück als erforderlich.

cc)        Parkmöglichkeiten
Im fraglichen Straßenbereich werden keine extra Parkplätze ausgewiesen oder angelegt.

cd)        Grünflächen
Im fraglichen Straßenbereich werden keine Bäume gepflanzt.

ce)        Entwässerung
Die Ableitung des Straßenwassers erfolgt aus topographischen Gründen über eine eigene Niederschlagswasserleitung in den Niederschlagswasserkanal, der auch das anschließende Gebiet „Wohnbaugebiet Witzighauser Straße Nord“ entwässert.

cf)        Umwelt
Die Belange des Umweltschutzes werden berücksichtigt und die versiegelten Flächen auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt.  
Als externe Ausgleichsfläche für das Bebauungsplangebiet „Wohngebiet Witzighauser Straße Nord“ wurde eine ca. 2.500 m² große Fläche des Grundstückes Flur-Nr. 379 der Gemarkung Tiefenbach festgelegt.

cg)        private Belange
Die betroffenen Anlieger werden in die Planungsabsicht einbezogen, d. h. konkret, dass sie ins Bauleitplanverfahren „Bebauungsplan Wohngebiet Witzighauser Straße Nord“ in der vorgeschriebenen Form einbezogen wurden. Darüber hinaus fanden mehrere Einzelgespräche mit den betroffenen Eigentümern der Grundstücke FlNrn. 986/1, 986/2 und 986/3, jeweils Gemarkung Illerberg, statt.
In diesem Verfahren und in den erwähnten Einzelgesprächen wurde den Eigentümern die Planungsabsicht erläutert und deren Äußerungen und Stellungnahmen entgegen genommen.
Vor der abschließenden Entscheidung über die Ausbauplanung wurden dem Stadtrat die Stellungnahmen der Anlieger im Zuge des Verfahrens des Bebauungsplanes zur Kenntnis gebracht.

ch)        Immissionsschutz
       Die Straße dient ganz überwiegend dem Anliegerverkehr, daneben auch dem landwirtschaftlichen Verkehr. Diese Nutzung lässt keine nennenswerten Beeinträchtigungen hinsichtlich des Immissionsschutzes auf die anliegenden Grundstücke erwarten.


d)        Abwägungsergebnis
Nach Abwägung aller von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander ist festzustellen, dass durch die erstmalige Herstellung der rechtlich selbständigen Erschließungsanlage „Witzighauser Straße zwischen den Südgrenzen der anliegenden Grundstücke Flur-Nrn. 986/1 und 1109, jeweils Gemarkung Illerberg und der Nordgrenze des Grundstückes 986/2, Gemarkung Illerberg“ nicht den Zielen der Raumordnung widersprochen wird und die Belange des Kataloges des § 1 Abs. 6 BauGB berücksichtigt werden.
Die entsprechend der Planung hergestellte Anlage wird sich als sachgerecht erweisen und trägt sowohl städtebaulichen als auch den privaten Interessen Rechnung.
Die Herstellung der Witzighauser Straße im fraglichen Teil entspricht daher den Anforderungen des § 1 Abs. 4 – 7 BauGB und ist somit rechtmäßig im Sinne des § 125 Abs. 2 BauGB.

Empfehlung

„Die Erschließungsstraße „Witzighauser Straße zwischen den Südgrenzen der anliegenden Grundstücke Flur-Nrn. 986/1 und 1109, jeweils Gemarkung Illerberg und der Nordgrenze des Grundstückes Flur-Nr. 986/2, Gemarkung Illerberg“ entspricht den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen und dem Ausbauwillen der Stadt Vöhringen.

Durch die Beschlussfassung liegt die nach § 125 Abs. 2 BauGB geforderte Voraussetzung für die rechtmäßige Herstellung vor.

Die Sitzungsvorlage samt Lageplan und Ausbauplan ist Bestandteil des Beschlusses.“

Diskussionsverlauf

Ohne weitere Beratung ergeht folgender

Beschluss

„Die Erschließungsstraße „Witzighauser Straße zwischen den Südgrenzen der anliegenden Grundstücke Flur-Nrn. 986/1 und 1109, jeweils Gemarkung Illerberg und der Nordgrenze des Grundstückes Flur-Nr. 986/2, Gemarkung Illerberg“ entspricht den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen und dem Ausbauwillen der Stadt Vöhringen.

Durch die Beschlussfassung liegt die nach § 125 Abs. 2 BauGB geforderte Voraussetzung für die rechtmäßige Herstellung vor.

Die Sitzungsvorlage samt Lageplan und Ausbauplan ist Bestandteil des Beschlusses.“

Abstimmungsergebnis
Dafür: 25, Dagegen: 0

Datenstand vom 16.02.2021 07:33 Uhr