Antrag der SPD-Stadtratsfraktion: Geplanter Verkauf der Grundstücke für die "Neue Rathausmitte" an einen Investor; Entscheidung über die Durchführung eines Ratsbegehrens nach Art. 18 a Abs. 2 GO


Daten angezeigt aus Sitzung:  Stadtratssitzung, 27.03.2025

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Stadtratssitzung 27.03.2025 ö 5

Sachverhalt

I. Antrag 

Mit Schreiben vom 14.3.2025 stellt die SPD-Stadtratsfraktion den Antrag zur Durchführung eines Bürgerentscheides durch ein Ratsbegehren. Dieses ist gegen den Verkauf des städtischen Grundstückes im Bereich des Bebauungsplanes „Neue Rathausmitte“ gerichtet.

Bezüglich des Antrages sowie der Begründung wird auf die Anlage 1 verwiesen.

II. Stellungnahme der Verwaltung

1. Historie 

Der Grundstein für eine Überplanung der „Neuen Rathausmitte“ wurde mit dem ersten Grundstückserwerb im Jahr 2000 gelegt. Ein weiterer Grunderwerb erfolgte Ende des Jahres 2011 sowie im Jahr 2020. 

In Summe wurden Grunderwerbskosten für die städtebauliche Überplanung des besagten Areals in Höhe von ca. 1,1 Millionen € getätigt. Folgerichtig kann dem gegenüber gestellt werden, dass unabhängig des Verfahrensausganges ein Gegenwert in Form der Grundstücke weiterhin vorhanden ist. 
Des Weiteren sind im Laufe der letzten 14 Jahre Planungsaufträge vergeben worden und insoweit Kosten in Höhe von ca. 338.800 € entstanden.

Insgesamt sind somit Ausgaben für die Projektrealisierung in Höhe von rund 1,45 Millionen € getätigt worden.

Darüber hinaus konnte sich der Stadtrat über diverse Legislaturperioden neben den eigentlichen Sitzungen des Bau- und Verkehrsausschusses sowie des Stadtrates selbst in Klausurtagungen zum Projekt intensiv austauschen. Diese fanden beispielsweise am 26.10.2011, am 25.03.2013, am 29.10.2014, am 13.02. sowie 23.10.2017, weiterhin am 05.02.2019 sowie am 13.11.2019 statt. 

Das Gremium in seiner jeweiligen Zusammensetzung hat dabei aktiv daran mitgewirkt, den Stand der Planungen über die Jahre hinweg immer konkreter zu gestalten. Der Stadtrat sowie die beteiligten Planer waren stets bestrebt, für die Stadt Vöhringen eine bestmögliche und zukunftsweisende Gestaltung dieser Örtlichkeit zu realisieren, insbesondere, da man sich der Verantwortung und Chance bewusst ist, welche diese Flächen bieten.

Sicher waren und sind, wie auch von der SPD-Stadtratsfraktion im Antrag vorgebracht, kontroverse Meinungen und unterschiedliche Ansätze der einzelnen Ratsmitglieder vertreten, was letztlich zu Beschlüssen mit einfachen Mehrheiten geführt hat. Dennoch war es bis dato ein konstruktiver demokratischer und öffentlicher Prozess, welcher den jetzigen Stand der Planungen ermöglicht hat. 
Zentrale und ortsbildprägende Elemente sind dabei bei jeder Abwägung das Kulturzentrum Wolfgang-Eychmüller-Haus, die Marienkirche, das Jugendhaus sowie das Rathaus gewesen. Auch die Straßenführung war von Anbeginn ein zentrales Element.

2. Finanzielle Situation

Im Hinblick auf den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt Vöhringen, ist mit dem Vergabeverfahren und der Veräußerung der Grundstücke sicher der richtige Weg eingeschlagen worden.
Die Leistungsfähigkeit der Stadt Vöhringen - insbesondere auch in personeller Hinsicht - zur Verwirklichung eines solch prägenden Projektes in Eigenregie dürfte realistischerweise nicht gegeben sein. Die noch zu gründende Wohn- und Projektgesellschaft soll sich nach dem erklärten Willen des Stadtrates zunächst mit oberster Priorität um die Errichtung des Ärztehauses im Bereich Memminger-/Verdistraße kümmern. Deshalb wird eine Realisierung in naher Zukunft sicher nicht erfolgen können.

Mit der Veräußerung der Grundstücke ist einerseits eine Finanzierung der Ausgaben insbesondere für den Straßenbau zu erwirtschaften. Andererseits liegen die Baukosten ebenfalls in Händen des Projektträgers und Investors und belasten damit nicht den städtischen Haushalt und Steuerzahler.

3. Vergabegremium

In der Sitzung des Stadtrates im November 2024 erfolgte die Vorstellung des Vergabeverfahrens für die Baugrundstücke.
Dort wurden erneut Gründe für eine Verkleinerung bzw. kreative Neuplanung und Eigenverwirklichung vorgebracht. 
In der Diskussion wurde dem Gremium nochmals verdeutlicht, dass der Bebauungsplan nicht unter dem Druck des ursprünglichen Investors zustande gekommen ist, sondern eine eigenständige Planung der Stadt Vöhringen darstellt, welche in einem kreativen Prozess zwischen dem Städteplaner sowie dem Stadtrat und der Stadtverwaltung entstand.

Darüber hinaus ist der Vorrang der Innenentwicklung vor Außenentwicklung gesellschaftlicher und fachlicher Konsens und seit 2013 auch in § 1 Abs. 5 BauGB normiert.

Durch die Einberufung eines entsprechenden Vergabegremiums mit Vertretern aus Stadtrat und Stadtverwaltung, übergeordneter Behörden sowie externen Experten, hat die Stadt schlussendlich das Vergabeverfahren ohnehin in großen Teilen selbst in der Hand, um einen geeigneten Investor mit dem Vorhaben zu betrauen.

4. Bebauungsplan Neue Rathaus Mitte mehrheitlich beschlossen und rechtskräftig

Im Hinblick auf den Inhalt muss festgestellt werden, dass der Bebauungsplan mit 17 zu sechs Stimmen mit einer deutlichen und nicht knappen Mehrheit beschlossen wurde. Dies sollte ein Signal über die grundsätzliche Einigkeit, mit dem Vorhaben eine sinnvolle Bebauung realisieren zu können, erkennen lassen.

Zur Darstellung wird auf die Anlagen 2 und Anlage 3 des Plangebietes verwiesen.

5. Kommunalrechtliche Betrachtungsweise 

Zunächst lässt sich sagen, dass der Stadtrat das demokratisch legitimierte Vertretungsorgan der Bürger ist und insofern in seinen Entscheidungen lediglich dem eigenen Gewissen und demokratischen Auftrag unterworfen ist. 
In der Entscheidung über die Zulassung des Ratsbegehrens sollte darüber hinaus bedacht werden, dass der Vorbeugung, … „ein Ratsbegehren allein aus „strategischen Gründen“ zuzulassen bis zum Jahre 1999 eine qualifizierte Mehrheit (zwei Drittel) erforderlich gewesen ist. Freilich ist somit dem Demokratieverständnis unter erleichterten Voraussetzungen Rechnung getragen worden, strittige Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises unmittelbar den Gemeindebürgerinnen und -bürgern zur Entscheidung vorzulegen. Damit erhöht sich jedoch auch die Gefahr, dass die Durchführung eines Bürgerentscheides allein aus taktischen Gründen oder aus Mangel an Verantwortungsbereitschaft beschlossen wird.“ (vergl. Kommentar zu Art. 18a GO Prandl / Zimmermann / Büchner / Pahlke). 

Mit einem Veräußerungsstopp für die Grundstücke würden zwar einerseits im Haushaltsjahr 2025 Ausgabenansätze in Höhe von ca. 1,1 Millionen Euro entfallen, welchen „lediglich“ 500.000 Euro Einnahmen aus der Veräußerung der Grundstücke gegenüberstünden.

Demgegenüber stünden mit einer angestrebten eigenen Realisierung nicht vorhandene und eingeplante Haushaltsausgaben entgegen, welche zusätzlich über Kreditaufnahmen zu finanzieren wären und somit die Leistungsfähigkeit der Stadt Vöhringen über die Grenzen hinaus belasten würde.
Auch wenn dies über die noch zu gründende Gesellschaft erfolgen würde, müsste diese zuerst mit den entsprechenden Eigenmitteln aus dem Haushalt ausgestattet werden.

Weiterhin sei an der Stelle auszugsweise auf die Geschäftsordnung des Stadtrates hingewiesen. Soweit ein Antrag mit Ausgaben verbunden ist, die im Haushaltsplan nicht vorgesehen sind, soll er einen Deckungsvorschlag enthalten.
Eine Aussage zur weiteren Vorgehensweise lässt der Antrag des Ratsbegehrens völlig offen.

Mit der Fragestellung, ob die Bevölkerung für einen Verkaufsstopp ist, ist darüber hinaus keine zukunftsweisende weitere Verfahrensweise aufgezeigt.

Wie dem Luftbild Anlage 4 zu entnehmen ist, dürfte sicher Einigkeit darüber bestehen, den derzeitigen Zustand des Ensembles nicht auf Jahre hinweg belassen zu wollen.

6. Klimaschutz und Schaffung Wohnraum

Abschließend ist die Verwaltung der Auffassung, dass das genannte Projekt auch in der geplanten und beschlossenen Dimension der Verantwortung für die künftigen Generationen gerecht wird und auch ökonomisch sinnvoll ist. 

  1. Klimaschutz

Einigkeit besteht darüber, dass bei der Bauleitplanung - insbesondere der Schaffung von Wohnraum - mit den zur Verfügung stehenden Flächen sorgsam umzugehen ist. Im innerstädtischen Bereich, der bereits jetzt maximal versiegelt ist, bietet es sich daher ausdrücklich an, verdichtet zu bebauen, um auf möglichst geringen Flächen möglichst viel Wohnraum zu schaffen. Dies ist nicht nur ökologisch geboten, sondern auch ökonomisch sinnvoll, da mit sinkender Zahl der vermietbaren Fläche und letztlich gleichbleibenden Baugrundkosten die Miet- bzw. Erwerbskosten für die neu geschaffenen Flächen deutlich teurer werden.

  1. Schaffung von Wohnraum

Vor diesem Hintergrund wäre die von der SPD-Stadtratsfraktion in der Vergangenheit angesprochene Reduzierung der Gebäude damit verbunden, auf gleicher Fläche weniger Wohnraum zur Verfügung zu stellen, was dem gesellschaftspolitischen Ziel der Schaffung von Wohnraum – auch dies dürfte unstreitig sein – gegenläuft.

  1. Ökonomie

Bereits dargestellt wurde, dass die Realisierung von mehr Wohnfläche auf gleicher Grundstücksfläche für den Einzelnen sicher günstiger kommt. Zu berücksichtigen ist ferner auch, dass eine weitere Verzögerung des Projektes letztlich immer zu einer Baukostensteigerung führen wird. Dass Baukosten sinken, dürfte heute kaum mehr jemand ernsthaft in Erwägung ziehen. Auch ist die Zinssituation momentan aus historischer Sicht noch relativ gut, weshalb gerade jetzt die Chance, einen geeigneten Investor zu finden, sehr gut ist, was sich auch an der Zahl und Qualität der interessierten Investoren zeigt. 

Abschließend sei noch die Bemerkung erlaubt, dass allerorten urbane Zentren entstehen, sei es in Neu-Ulm durch den Bau des Heiner´s, in Illertissen durch den Bau der neuen Geschäftsräume der Sparkasse auch für das Landratsamt (Sparkassen-Karree), in Senden die sog. neue Mitte, in Pfuhl (Dorfplatz) oder 70 Wohnungen im Zentrum von Gerlenhofen.

Vöhringen sollte es nach über zwanzig Jahren Diskussion schaffen, ein Konzept, das nach langer Diskussion auch in Abstimmung mit dem staatlichen Bauamt zur Straßenführung verabschiedet wurde, zu realisieren. Der Antrag, mit dem es ausschließlich darum gehen kann, das Projekt zu verzögern, schadet der Stadt und dem Projekt massiv. Eine Reduzierung der Planung ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch nur nachteilig.

Die Stadtverwaltung empfiehlt, den Antrag abzulehnen.

Empfehlung

Der Vöhringer Stadtrat möge beschließen, dass über die Frage, ob das städtische Grundstück, das im Bebauungsplan „Neue Rathausmitte“ zur Erstellung von drei Wohn- und Geschäftshäusern ausgewiesen wurde, an einen Investor verkauft werden soll, ein Bürgerentscheid (Ratsbegehren) nach Art. 18 a Abs. 2 der Bayerischen Gemeindeordnung (BayGO) durchgeführt wird.

Diskussionsverlauf

Bürgermeister Neher übergibt zur mündlichen Ausführung des Antrages das Wort an Herrn Barth.

Herr Barth erinnert an eine Informationsveranstaltung im Mai 2023 bezüglich der Rathausmitte, bei dem die anwesenden Bürger geäußert hatten, mit der Situation des geplanten Kreisverkehrs und der massiven Bebauung nicht einverstanden zu sein. Daraufhin hat die SPD-Fraktion einen Antrag auf Bebauungsreduzierung gestellt, der aber mehrheitlich abgelehnt wurde. Bezüglich der Bebauung herrsche auch im Gremium keine Einstimmigkeit, was anhand der Abstimmungsergebnisse ersichtlich ist. 
Dies sei kein Antrag auf eine Änderung des Bebauungsplans oder Einstellung des Projekts. Hier werde eine  Entscheidung für Jahrzehnte getroffen, bei der die Bürger mit abstimmen sollten. Das Ratsbegehren soll ein Bürgerbegehren vermeiden.

Herr Prestele von der CSU-Fraktion  merkt an, dass es schade sei, die Diskussion über die Neue Rathausmitte auf die Straßenführung und die Größe der Gebäude zu reduzieren. Der Antrag gebe das Gefühl, dass die SPD bereits Wahlkampf führe. Der Bereich der Bebauung wurde lange diskutiert und gemeinsam vom Stadtrat und dem Städteplaner entwickelt. Die Verlegung der Straße soll noch dieses Jahr stattfinden. In 4 Wochen tagt ein Vergabegremium. Mit dem Projekt wird ein Platz mit Aufenthaltsqualität geschaffen, der die Mitte aufwertet und sie lebenswert macht. In Eigenregie oder über die städtische Baugesellschaft sei der Bau nicht zu realisieren. Aus diesem Grund sollten die Grundstücke verkauft werden. Zudem sei ein Bürgerentscheid ein verheerendes Signal an mögliche Investoren, sowie die Beteiligten des Ärztehauses. Die CSU-Fraktion wird den Antrag ablehnen.

Herr Frick von der FWG-Fraktion regt an, die Bevölkerung mehr in den Prozess einzubinden und schlägt vor, mehr über die Gestaltung des Projekts zu informieren, um eine gemeinsame Entscheidung über die abschließende Gestaltung von Platz und Gebäude zu ermöglichen.

Bürgermeister Neher greift den Vorschlag auf. Aktuell befindet die Stadt sich im Vergabeverfahren. In einer der nächsten Sitzungen würde die Verwaltung in größerer Runde im Wolfgang-Eychmüller-Haus über das Projekt informieren. Dennoch soll das Verfahren weitergeführt werden. Er verweist auf einen Artikel, über den Bau eines Gebäudes der Sparkasse in Illertissen. Dieser Bau wäre ähnlich auch in Vöhringen möglich. Der Antrag der SPD sei ausschließlich auf die Verhinderung des Projekts gerichtet. Leserbriefe zur Neuen Rathausmitte kommen zudem überwiegend aus dem gleichen Umfeld und repräsentieren nach seiner Wahrnehmung nicht den Mehrheitswillen. Viele Bürger finden das Projekt gut und wollen, dass es umgesetzt wird. 

Herr Lepple von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen merkt an, dass die Stadt bei einer Entscheidung durch die Bürger Gewissheit hätte. 90% der Bevölkerung wollen wohl keinen Verkauf. Die Empfehlung der ISEK sei mit der aktuellen Planung nicht umsetzbar. Die Wieland-Werke AG produzieren viel Hitze. Aktuell bestünde nun die Möglichkeit, im Sinne des Klimawandels etwas zu schaffen, um die Fläche abkühlen zu können. Da das Projekt sich nun in der entscheidenden Phase befindet, sollten die Bürger darüber entscheiden können.

Ein Gremiumsmitglied merkt an, dass die SPD die Bürger zu dem geplanten Verkauf befragen will. Dabei handelt es sich nicht um politischen Wahlkampf. Ein Grundstücksverkauf, um Wohnungen zu bauen sei keine Frage des Mutes. Vielmehr sollte etwas Kreatives im Sinne der ganzen Bevölkerung gebaut werden. Das Gremiumsmitglied verweist zudem auf den Zustand des Stadtcenters und warnt davor, dass es auch in der Neuen Rathausmitte zu einem solchen Zustand kommen könnte. 

Bürgermeister Neher wiederholt, dass über das Projekt in einer der nächsten Sitzungen informiert wird. Der Wohnbau sei ein wichtiges Thema, zu dem die Stadt beitragen kann. Im Bereich zwischen den Schulen seien zudem Grünflächen vorhanden und wären auf dem neuen Platz ebenfalls vorgesehen

Herr Barth erklärt, dass die SPD innerhalb von 4 Wochen einen Bürgerentscheid vollziehen will, um das Projekt nicht zu verzögern. Das Einbeziehen der Bürger diene der Stärkung der direkten Demokratie. Eine Informationsveranstaltung für die Bürger sei schonmal ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch sollte der Mut für einen Bürgerentscheid aufgebracht werden.

Herr Barth stellt den Antrag über die Durchführung eines Ratsbegehrens nach Art. 18 a Abs. 2 GO.

Beschluss

Der Vöhringer Stadtrat möge beschließen, dass über die Frage, ob das städtische Grundstück, das im Bebauungsplan „Neue Rathausmitte“ zur Erstellung von drei Wohn- und Geschäftshäusern ausgewiesen wurde, an einen Investor verkauft werden soll, ein Bürgerentscheid (Ratsbegehren) nach Art. 18 a Abs. 2 der Bayerischen Gemeindeordnung (BayGO) durchgeführt wird.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 9, Dagegen: 13

Datenstand vom 28.04.2025 13:56 Uhr