Antrag auf Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Ainring zur Errichtung eines PV-Parks, nähe ehem. Brunnengrundstück (Nord-Osten v. Mitterfelden)


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 25.07.2023

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Nicht sichtbar
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 25.07.2023 ö beschließend 5.1

Vorgang

Die PV Ainring GmbH & Co.KG, beabsichtigen auf dem Grundstück Flurnummern 2305, 2306, 2308, 2308/1 Gemarkung Ainring einen PV Park mit 3300 kWp zu errichten. Die Flächen werden derzeit landwirtschaftlich genutzt.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2023 wird als planungsrechtliche Voraussetzung die Änderung des Flächennutzungsplanes und in weiterer Folge die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes beantragt.

Dem Antragsschreiben können folgende Informationen entnommen werden:

Bauwerber ist die PV Ainring GmbH & Co.KG, Münchner Allee 2, 83435 Bad Reichenhall, eine Tochter der VR EnergieGenossenschaft Oberbayern Südost eG.

EEG Förderung:
Die Fläche ist über das EEG 2023, in der Flächenkulisse entlang von Schienenwegen, im Bereich von 500 Metern ab Schienenkante förderbar.
Anbindung:
Die Fläche wird über den öffentlichen Weg an der Bahnlinie entlang angebunden.
Die elektrische Anbindung erfolgt voraussichtlich über die am Grundstück vorbeilaufende Mittelspannungsleitung der Bayernwerk Netz GmbH.
Landwirtschaft:
Die Problematik des Flächenentzuges für die Landwirtschaft kann insofern entkräftet werden, zumal auch nach dem Bau noch Landwirtschaft in Form einer Schafbeweidung erfolgen wird.
Im bereits bestehendem PV-Park Mülldeponie Eham-Freilassing mit 1377 kWp wird dies bereits erfolgreich praktiziert. Dort beweiden 20-30 Mutterschafe plus Lämmer, also zeitweise bis zu 45 Tiere die Fläche.
Pachtinteressensbekundungen seitens regionaler Schafhalter liegen vor.
Nach Jahrzehnten intensiver Bewirtschaftung wird die Fläche für 30 Jahre beruhigt und einer bodenschonenden, extensiven Bewirtschaftung zugefügt. Ziel der Bewirtschaftung wird neben der Energieproduktion eine hohe Biodervisität durch Beruhigungs- und Ausgleichsmaßnahmen sein.
Gewerbesteuer:
Mit Einführung des § 29 (1) Nr. 2 GewStG seit 01.07.2013, gilt ein neuer Zerlegungsmaßstab für Neuanlagen, die nach dem 30.06.2013 genehmigt werden.
Demnach wird beim Gewerbesteuermessbetrag nur noch drei Zehntel nach dem Verhältnis der gezahlten Arbeitslöhne und zu sieben Zehntel im Verhältnis der Summen des in der jeweiligen Betriebsstätte (hier Gemeinde Ainring) nach steuerlichen Vorschriften angesetzten Sachanlagevermögens des gesamten Unternehmens zerlegt.
Dies bedeutet, dass die Betreibergesellschaft ca. einen 9/10-Anteil aus der Neuanlage an die Gemeinde zahlt, auf deren Gebiet die PV-Anlage betrieben wird.
CO² Bilanz :
Mit der geplanten PV Anlage werden jährlich ca. 4.400.000 kWh Strom erzeugt. Dies entspricht einer Einsparung von 2.900 Tonnen CO² pro Jahr.
Regenerative Energie für die Gemeinde Ainring:
Rechnerisch können 1100 3-Personen-Haushalte mit Energie aus dieser regenerativen Quelle versorgt werden.
Der Anteil der erneuerbaren Energien am kompletten Stromverbrauch der Gemeinde erhöht sich um 11% auf dann 61%.
Bürgerbeteiligung:
Die Errichtung des PV Park und deren Finanzierung ermöglicht die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Ainrings am PV Park bzw. an der Genossenschaft in Form von Genossenschaftsanteilen, die zur Finanzierung des Parks herangezogen werden (exklusives Eintrittsrecht).

Die Antragsflächen sind in nachfolgendem Lagekartenausschnitt ersichtlich:

Baurechtliche Beurteilung:

Erfordernis der Bauleitplanung und des Baugenehmigungsverfahrens 
PV-Freiflächenanlagen werden grundsätzlich nicht von den Privilegierungstatbeständen des § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) erfasst. Auch eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit als sonstige Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB wird in aller Regel ausscheiden, da regelmäßig eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vorliegen wird. 
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von PV-Freiflächenanlagen, die im Außenbereich errichtet werden sollen, erfordert daher generell eine gemeindliche Bauleitplanung, d.h. grundsätzlich die Aufstellung eines Bebauungsplans und die entsprechende Änderung des Flächennutzungsplans.

Im Flächennutzungsplan kann die Gemeinde eine „Fläche für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien – Sonnenenergie“ darstellen. Dies stellt die Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) BauGB klar.

In der Gemeinde Ainring wurde ein Standortkonzept für Freiflächen-PV-Anlagen im angefertigt. Dieses deckt sich mit der zwischenzeitlich im Entwurf vorliegenden Raumwiderstandskarte der Regierung von Oberbayern. Schon jetzt ist absehbar, dass es sich bei der Antragsfläche um einen geeigneten Standort handelt.
Gemäß den Hinweisen des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr hinsichtlich der Bau - und landesplanerischen Behandlung von Freiflächen – Photovoltaikanlagen sind insbesondere geeignete Standorte (Auszug, für diesen Standort zutreffend):

o Trassen entlang größerer Verkehrstrassen (Schienenwege und Autobahnen) und Lärmschutzeinrichtungen 
o Sonstige durch Infrastruktur-Einrichtungen veränderte Landschaftsausschnitte, z.B. Hochspannungsleitungen 
o Flächen ohne besondere landschaftliche Eigenart, insbesondere in Lagen ohne Fernwirkung. Auf den grundsätzlichen Vorrang vorbelasteter Standorte wird hingewiesen. 
In der am 01.06.2023 in Kraft getretenen Fortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes stellen die Regierungsfraktionen fest, dass dem Ausbau von erneuerbaren Energien ein überragendes öffentliches Interesse zukommen soll.

Die Gemeinden sind verpflichtet, eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung – auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz – zu gewährleisten (§ 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB), die den Belangen der Baukultur sowie der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes ebenso gerecht wird wie den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie der Nutzung erneuerbarer Energien (§ 1 Abs. 6 Nr. 5, 7 BauGB).

Demzufolge wird die Gemeinde größten Wert auf eine Naturverträglichkeit der PV-Anlage legen, etwa nach den ausgearbeiteten Kriterien der BSW — Bundesverband Solarwirtschaft e. V. und dem Naturschutzbund Deutschland e. V.

Nach heutigem Erkenntnisstand beträgt die Nutzungs- und Lebensdauer von PV-Freiflächenanlagen mindestens 20 Jahre. Ob und in welcher Form vergleichbare Anlagen zu einem späteren Zeitpunkt auf diesen Standorten weitergeführt werden, wird vor dem Hintergrund der Entwicklung auf dem Energiesektor sowie im Hinblick auf die Herstellungskosten und die Ausgestaltung der künftigen Förderpolitik entschieden. Wenn ein wirtschaftlicher Weiterbetrieb des Standortes dann nicht mehr gegeben ist, besteht die Gefahr, dass die PV-Freiflächenanlage nicht zurückgebaut wird. 
Um den Rückbau einer PV-Freiflächenanlage rechtlich abzusichern empfiehlt sich die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB. Die Gemeinde kann im begleitenden Vorhaben- und Erschließungsplan mit Durchführungsvertrag die Verpflichtung zum Rückbau der Anlage vereinbaren. Die Verpflichtung kann über Bürgschaften, Dienstbarkeiten oder ähnliches gesichert werden. Darüber hinaus bietet der vorhabenbezogene Bebauungsplan eine Vielzahl weiterer Vorteile und Gestaltungsmöglichkeiten. 

Hingewiesen wird letztlich noch auf den Grundsatzbeschluss, gefasst mit Beschluss-Nr. 27 in der Sitzung des Umwelt- und Gemeindeentwicklungsausschusses vom 18.10.2017.
Der Beschluss lautet: „Der Umwelt- und Gemeindeentwicklungsausschuss beschließt, dass das Thema Freiflächen-Photovoltaikanlagen in Zukunft in der Gemeinde Ainring nicht weiterverfolgt werden soll. -Grundsatzbeschluss-.“
Anhand in der Zwischenzeit vorliegender Erkenntnisse kann dieser vom Vorgängergremium gefasste Beschluss neu überdacht werden.
Inzwischen wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen in einigen Punkten geändert und die Unsicherheiten hinsichtlich der planungsrechtlichen Beurteilung sind ausgeräumt. Es gibt Praxisbeispiele und Handlungsleitfäden die aufzeigen, wie solche Anlagen naturverträglich ausgestaltet werden können. Somit sind die Wissenslücken, die seinerzeit bestanden, ausgeräumt und es wurde Wissen und Erfahrungswerte aufgebaut. Auch sind die Themen des Klimaschutzes und der Sicherung der Energieversorgung zunehmend in den Fokus gerückt. Die Standortanalyse für das gesamte Gemeindegebiet zeigt, dass sich die Antragsfläche grundsätzlich eignet. Letztlich ist auch zu berücksichtigen, dass durch die Nutzung der bestehenden Strukturen der Energiegenossenschaft auch diese Unsicherheiten überwunden wurden und ein Mehrwert für die Bürger durch Anteilskäufe möglich ist.

Die in der Bauausschusssitzung vom 14.03.2023 geforderten Untersuchungen wurden zwischenzeitlich durchgeführt.

Für sämtliche gemeindlichen Gebäude wurde ein „PV-Steckbrief“ als Grundlagenuntersuchung angefertigt. Nach einer Vorauswahl wurden 27 Gemeindegebäude betrachtet. 14 betreffen die Rückstellung hinsichtlich der Erstellung eines Transformationsplanes durch die Gemeindewerke und können in einem nächsten Schritt näher betrachtet werden. 
Von den verbleibenden 13 Gebäuden wurden weitere zunächst zurückgestellt. Kriterien waren hier beispielsweise Wirtschaftlichkeit (unter 25 kW nicht darstellbar oder längere Strecke Kabelerstellung notwendig etc.), anstehende Sanierungen, Statik fraglich, bestehende Bürgersolaranlagen und ähnliches.
Von den verbleibenden Gebäuden können grundsätzlich durch die VR-Energiegenossenschaft folgende gemeindlichen Gebäude in einem ersten Schritt mit einer PV-Anlage ausgestattet werden:
-Thundorf Lehrerwohnhaus
-Thundorf Schule (macht Gemeinde)
-Thundorf Mehrzweckanbau
-Haus der Kultur und Kindergarten Ainring
-ehemaliges Feuerwehrhaus Ainring

Das Potential dieser Dachflächen wird auf insgesamt ca. 160 bis 170 kWp geschätzt.

Darüber hinaus wurde das Gemeindegebiet anhand von Ausschluss- und Restriktionskriterien untersucht. Diese Untersuchung deckt sich mit der zwischenzeitlich im Entwurf vorliegende Raumwiderstandskarte der Regierung von Oberbayern.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die antragsgegenständliche Fläche in diesem Sinne als geeignet anzusehen ist und nur wenige alternativen Flächen zu Verfügung stünden. Bei den antragsgegenständlichen Flächen liegt die Mitwirkung der Grundeigentümer vor.

 

Beratung

Nach den Berichten von Herrn Pastötter, Herrn Zollhauser und Herrn Münch berichtet GR Josef Ramstetter von einer Sendung im Bayerischen Fernsehen. Es werden jeden Tag 10 Fußballfelder mit Freiflächenphotovoltaikanlagen zugebaut. Der produzierte Strom wird tagsüber billig verkauft und am Abend oder nachts muss der Strom teuer zurückgekauft werden. Weiterhin wird der Pachtpreis für die Fläche in die Höhe getrieben und da macht er nicht mit. Er sei kein Pachtreiber. Weiterhin steht die Fläche dann nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion zu Verfügung. Herr Zollhauser antwortet kurz, dass er die Sendung auch gesehen hat. Dabei ging es um die Flächenversiegelung. GR Dr. Friedhelm Schneider berichtet, dass in Laufen, Petting und Freilassing wegen der Pachtpreise angefragt hat. In keiner Kommune wurde der Pachtpreis durch den Bau von Freiflächenphotovoltaikanlagen in die Höhe getrieben. 
GR Ernst Peter dankt allen Beteiligten für die Aufbereitung des spannenden Themas. Es viele gute Gründe dafür und auch dagegen. Der Gemeinderat soll sich weiter Gedanken machen hinsichtlich Freiflächenphotovoltaikanlagen. Deshalb wird ein Antrag zur Geschäftsordnung (Anlage 1) gestellt, der von GR Bernhard Dusch vorgetragen wird. Es wird beantragt den TOP zurückzustellen, bis die Punkte im Antrag geklärt sind. Bauamtsleiter Thomas Fuchs erklärt, dass die Abarbeitung nach den Empfehlungen des Bauministeriums erfolgt ist. Die ganzen Detailfragen stellen sich erst später im Verfahren. Dritter Bürgermeister Martin Strobl findet den Antrag in Ordnung, aber er kommt zu spät. Dieses Projekt entspricht allen Punkten, die bei der Veranstaltung in Freilassing vorgestellt wurden. Seiner Meinung nach soll das Verfahren jetzt gestartet werden. Parallel dazu können die Punkte abgearbeitet werden. Gerne kann sich auch ein Arbeitskreis mit dem Thema beschäftigen. Erster Bürgermeister Martin Öttl findet den Vorschlag gut. GR Dr. Friedhelm Schneider dankt allen Beteiligten für die gute Ausarbeitung. Er versteht den Antrag nicht. Seine Fraktion und er fühlen sich sehr gut informiert. Die Planungshoheit der Gemeinde ist weiterhin gegeben. Seiner Meinung nach sollten sich die Gemeinderäte öfter nach den Sitzungen im Wirtshaus treffen, um ungezwungen über das ein oder andere Thema zu sprechen. GR Dietrich Nowak war bei der Veranstaltung in Freilassing. Die Begründung des heutigen Antrags geht auf die damalige Vorstellung zurück. Seiner Meinung nach wurde heute alles vorgestellt und erläutert. GR Ernst Peter erklärt, dass mit dem Antrag der Verwaltung Arbeit erspart werden sollte. Die parallele Abarbeitung der Punkte ist eine gute Lösung. Der Antrag wird dahingehend abgeändert, dass die Zurückstellung rausgenommen wird, die Punkte parallel zum Verfahren geklärt werden und das ein Arbeitskreis gebildet wird. Erster Bürgermeister Martin Öttl lässt über den Antrag abstimmen.
Mit 13:6 wird der Antrag angenommen. Dagegen stimmen die GRe Dr. Friedhelm Schneider, Ulrich Tretter, Franz Wimmer, Ludwig Moderegger, Dietrich Nowak und Josef Reichenberger. Abschließend ergänzt Herr Zollhauser, dass er dem Arbeitskreis gerne zur Verfügung steht, da es immer wieder neue Anforderungen gibt.  

Beschluss

Der Gemeinderat beschließt, dem vorliegenden Antrag auf Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Ainring zur Errichtung eines PV-Parks nähe dem ehem. Brunnengrundstück (Nord-Osten von Mitterfelden), zuzustimmen (Aufstellungsbeschluss).

Abstimmungsergebnis
Dafür: 16, Dagegen: 3

Datenstand vom 21.09.2023 10:47 Uhr