Sachverhalt:
Am 01.02.2024 sprach Frau Gabriele Noreisch beim Ersten Bürgermeister Martin Öttl vor und hat einen Ordner mit 1536 Unterschriften für einen Bürgerantrag abgegeben. Vereinzelt wurden Unterschriften schriftlich zurückgezogen.
Der Bürgerantrag und das formelle Verfahren sind in Art. 18b GO geregelt.
In der Sitzung des Gemeinderates am 20.02.2024 hat der Gemeinderat die formelle Zulässigkeit des Bürgerantrages nach Art. 18b Abs. 4 GO festgestellt.
Ist die Zulässigkeit des Bürgerantrags festgestellt, hat ihn das zuständige Gemeindeorgan innerhalb von drei Monaten zu behandeln (Art. 18b Abs. 5 GO).
Der Bürgerantrag lautet wie folgt:
Dem Bürgerantrag liegt ein Begleitschreiben vom 01.02.2024 vor, welches -bis auf den Teil, welcher lediglich den Bürgerantrag wiederholt- verlesen wird.
Derzeitiger Verfahrensstand:
In der Sitzung des Gemeinderates vom 18.10.2022 wurde -bei jeweils vier Gegenstimmen- folgendes beschlossen:
- Beschluss-Nr. 141/2022
Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Flächennutzungsplanes mit dem Inhalt der Änderung der Sondergebietsbezeichnung von „SO Erholungs- und Kongresszentrum“ in ein „SO Gesundheit und Erholung“.
- Beschluss-Nr. 142/2022
Aufstellungsbeschluss zur Neuaufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes „REHA-Klinik Reiter Alm“.
Weitere formelle Verfahrensschritte wurden noch nicht eingeleitet.
Im Januar 2023 wurde eine Bürgerinformationsveranstaltung abgehalten.
Die Durchführung der formellen Verfahrensschritte „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit“ nach § 3 Abs. 1 BauGB und „frühzeitige Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange“ nach § 4 Abs. 1 BauGB war nach Ausarbeitung und Prüfung aller notwendigen Unterlagen für Februar 2024 vorgesehen, wurden aber nach Eingang des Bürgerantrages zurückgestellt.
Das vergangene Jahr wurde genutzt, notwendige Gutachten zu erstellen und die Planung nach den hohen Qualitätsansprüchen der Gemeinde weiterzuführen. Auf Basis der bisher erstellten Gutachten und fachlichen Stellungnahmen haben sich keine Planungshindernisse gezeigt, die einer Umsetzung des Vorhabens nachhaltig entgegenstehen würden.
Anmerkungen zum Inhalt des Bürgerantrages:
- Bestimmtheit hinsichtlich der/des Verfahrens, welches eingestellt werden soll
Laut Bürgerantrag wird beantragt, das Bauleitplanverfahren zur Errichtung einer psychosomatischen Reha-Klinik auf der Reiter Alm sofort einzustellen.
Wie oben unter „derzeitiger Verfahrensstand“ ausgeführt, wurden Aufstellungsbeschlüsse für zwei Bauleitplanverfahren beschlossen, nämlich die Änderung des Flächennutzungsplanes und die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes.
Es wird seitens der Verwaltung davon ausgegangen, dass der Bürgerantrag sinngemäß dahingehend ausgelegt werden soll, dass die Einstellung beider Bauleitplanverfahren beabsichtigt ist.
- Unzutreffende Sondergebietsbezeichnung
Es wird beantragt, das „geltende Sondergebiet für Gastronomie und Wellness“ zu erhalten.
Es gibt jedoch kein geltendes Sondergebiet für Gastronomie und Wellness.
Im rechtsgültigen Flächennutzungsplan der Gemeinde Ainring wurde in der vergangenen Legislaturperiode ein Sondergebiet „Erholungs- und Kongresszentrum“ dargestellt. Die Darstellung im Flächennutzungsplan begründet jedoch kein Baurecht, sondern stellt lediglich eine interne Planungsvorgabe für die Gemeinde dar.
Ein Bebauungsplan existiert für das Areal bislang nicht. Änderungen, Erweiterungen oder Umnutzungen wären nach aktueller Rechtslage daher nur auf Basis der Möglichkeiten des § 35 BauGB möglich.
Der „Erhalt des geltenden Sondergebiets für Gastronomie und Wellness“ ist daher tatsächlich nicht möglich; die Ausweisung eines solchen Sondergebietes würde ebenfalls eine Änderung des Flächennutzungsplans oder – je nach Verständnis – sogar die
Neuaufstellung eines Bebauungsplans erfordern.
Die Verwaltung geht aber in Zusammenschau mit den weiteren Ausführungen des Antrags davon aus, dass mit der Formulierung das Ziel verfolgt werden soll, den aktuell gültigen Flächennutzungsplan nicht zu ändern und keinen neuen Bebauungsplan aufzustellen.
- Bewertung der Auswirkungen der Baumaßnahme
Auch der Gemeinderat nimmt im laufenden Verfahren für sich in Anspruch, die Ainringer Högl-Landschaft bewahren zu wollen und legt allergrößten Wert darauf, dass das harmonische Landschaftsbild nicht zerstört wird.
Die daher seitens der Gemeinde formulierte Zielvorgabe ist die schonende Einbindung des geplanten Bauvorhabens in den landschaftlichen Kontext und das gewachsene Ortsbild des Högl unter Einbeziehung und Umnutzung des bestehenden Haupthauses der Reiter Alm. Um vorstehender Zielvorgabe gerecht zu werden, orientiert sich der geplante Neubau nach dem aktuellen Planungsstand bewusst am Gebäudebestand und berücksichtigt dabei ausdrücklich die Topographie.
Die Gestaltung der Fassade des Neubaus soll sich an der regionaltypischen Erscheinung von landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäuden orientieren. Die im Rupertiwinkel vorzufindende traditionelle Gliederung in gemauertes Sockelgeschoss und Holzfassade im Obergeschoss wird übernommen. Die Planung nimmt für sich in Anspruch, einen vor allem in der Fernwirkung ruhigen und zurückhaltenden ländlich geprägten Baukörper entstehen zu lassen, dessen First nicht höher sein darf als der First des Bestandsgebäudes (welches erhalten wird).
Bewertung von und Umgang mit den Auswirkungen der Baumaßnahme wären Gegenstand des weiteren Planungsverfahrens, das – gemäß der gesetzlichen Vorgaben – ergebnisoffen und unter Berücksichtigung und Abwägung aller relevanten städtebaulichen Belange betrieben würde.
- Bedarf an psychosomatischen Einrichtungen
Der Bedarf an medizinischer Versorgung psychosomatischer Krankheitsbilder steigt. Jährlich sind etwa 27,8 % aller Erwachsenen in Deutschland von psychischen Erkrankungen betroffen.15,4% haben eine Angsterkrankung. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit der Prävalenz psychischer Erkrankungen im Mittelfeld. Auf Basis vergleichbarer Angaben wird die 12-Monats-Prävalenz psychischer Erkrankungen in der Erwachsenenbevölkerung europaweit auf 27 % geschätzt. Die 12-Monats-Inzidenz liegt bei 11%. Nur 12-50% der Diagnosen werden tatsächlich behandelt – in Deutschland herrscht nach Angaben berufsständischer Interessenvertretungen der Psychotherapeuten eine Unterversorgung.
(Quelle: Report Psychotherapie2021, Deutsche PsychotherapeutenVereinigung e.V).
- Nutzen für das Gemeinwohl
Die Gemeinde könnte durch die Reha-Klinik in verschiedener Hinsicht profitieren. Neben dem Beitrag zur Schließung der Versorgungslücke in der Region schafft sie Arbeitsplätze und stärkt die lokale Wirtschaft. Als Bildungs- und Forschungseinrichtung trägt die Klinik zur Weiterentwicklung medizinischer Kenntnisse und Fähigkeiten bei. Patienten und ihre Angehörigen, die zur Rehabilitation kommen, nutzen auch lokale Tourismus- und Gastgewerbeangebote, was den Tourismus ankurbelt und zusätzliche Einnahmen für lokale Unternehmen generiert. Der Fokus der Reha-Klinik auf Regionalität kommt lokalen Unternehmen, Produzenten und Dienstleistern zugute.
In erster Linie würde aber vor allem erkrankten Menschen geholfen!
Entscheidungsgegenstand:
Rein rechtlich gesehen ist eine Abstimmung über den Bürgerantrag nicht zwingend vorgeschrieben, er muss lediglich „behandelt“ werden. Insofern wäre auch eine bloße Kenntnisnahme des Bürgerantrags durch den Gemeinderat denkbar.
Diskutiert und auch entschieden werden sollte aber aus Sicht der Verwaltung die Frage, ob der Gemeinderat nach wie vor durch ein - ergebnisoffenes - Verfahren aufgezeigt bekommen möchte, ob und ggf. wie das Vorhaben umgesetzt werden kann.