Aussprache über den Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung


Daten angezeigt aus Sitzung:  46. Sitzung des Marktgemeinderates, 09.05.2017

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Marktgemeinderat 46. Sitzung des Marktgemeinderates 09.05.2017 ö beschliessend 2

Sachverhalt

Der Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung wurde von Seiten der Verwaltung schon längere Zeit nicht mehr zur Diskussion gestellt.
Zuletzt erfolgte im März 2015 eine Information des Marktgemeinderats. Hier wurden aber weitere Pläne zum Erlass einer Satzung mit Hinweis auf das Geothermieprojekt zurückgestellt.

In der Sitzung am 06.12.2016 wurden einige Straßensanierungen beschlossen, unter anderem eine Sanierung der Ortsstraße Am Abensberg.
Das letzte Mal, dass in größerem Umfang Straßensanierungen durchgeführt worden sind, war im Jahr 2008. Danach wurden in der Erwartung des Ausbaus eines Fernwärmenetzes nur noch kleinere Ausbesserungsarbeiten durchgeführt.

Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG „sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile biete“. Dabei ist auf den objektiven Vorteilsgedanken abzustellen.
Diese „Soll“-Vorschrift wird sowohl vom Bayerischen Innenministerium, als auch dem Bayerischen Gemeindetag und dem Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband als „Muss“-Vorschrift ausgelegt.
Gemäß einer bayernweiten Statistik vom Juli 2015 haben in Bayern 72,6 % der Gemeinden eine solche Satzung. Anders sieht die Zahl in Niederbayern aus. Hier liegt der Anteil nur bei 39,1 %.
Für den Landkreis Landshut hat das Landratsamt Landshut mitgeteilt, dass aktuell 8 von 35 Gemeinden (22,9 %) über eine Satzung verfügen.

Als Argumente gegen den Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung werden folgende Punkte vorgebracht.
  • Einschränkung der kommunalen Finanzhoheit (Art 22 Abs. 2 GO)
  • Ungerechtigkeit (Schwierigkeiten bei Verteilung des Aufwandes)
  • Erhöhter Personal- und Verwaltungsaufwand
  • Abgrenzungsschwierigkeiten zu Ersterschließungen
  • Rechtsstreitigkeiten
  • Zusätzliche Erschwernis von Grunderwerb (Ausbau Fahrradweg u.ä.)

Im Urteil vom 09.11.2016 des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH), welches den Mitgliedern des Marktgemeinderats mit der Ladung zugestellt wurde, wurde die grundsätzliche Verpflichtung der Kommunen zum Satzungserlass nochmals bekräftig.

Zu den Ausnahmetatbeständen und den finanziellen Voraussetzungen bezogen auf dem Markt Altdorf wird von der Kämmerei wie folgt Stellung genommen:

„Nach aktueller Rechtslage ist der Markt Altdorf haushaltsrechtlich dazu verpflichtet, eine StrABS zu erlassen. Maßgeblich ist hier die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG durch die ständige Rechtsprechung des BayVGH, zuletzt bestätigt im Urteil vom 09.11.2016.

Danach ist die „Soll-Vorschrift“ des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG grundsätzlich als „Muss-Vorschrift“ zu lesen. Begründet wird dies im Wesentlichen mit den in Art. 62 Abs. 2 und 3 GO verankerten Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und der sich daraus ergebenden zwingenden Rangfolge. Vorrangig sind sonstige Einnahmen heranzuziehen, an zweiter Stelle die besonderen Entgelte (ein solches ist u. a. der Straßenausbaubeitrag), zum dritten Steuern, und nur, falls diese drei Einnahmequellen nicht ausreichen, dürfen Kredite aufgenommen werden.

Lediglich bei Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalles kann eine Gemeinde vom Erlass einer StrABS absehen. Ein solcher ist laut BayVGH-Urteil jedoch nicht bereits gegeben, falls eine Gemeinde „haushaltsmäßig mehr oder weniger gut dastehe und sich den Beitragsausfall finanziell leisten könne.“ Sofern der gemeindliche Haushalt nicht unerheblich kreditfinanziert ist oder ein wesentlicher Teil der gemeindlichen Einnahmen aus gemeindlichen Steuern bestehe, dürfe eine Gemeinde nicht vom Erlass einer StrABS absehen, sondern habe die in Art. 62 Abs. 2 und 3 GO festlegte Reihenfolge zur Beschaffung der Einnahmen einzuhalten.

Eine atypische Situation kommt ferner in Betracht, falls der Verwaltungsaufwand für die Beitragserhebung die Beitragseinnahmen so wesentlich übersteigt, dass durch den Verzicht auf eine Beitragserhebung sogar eine Kostenersparnis möglich ist. Diese Situation dürfte bei der Größenordnung der im Markt Altdorf anstehenden Straßensanierungsmaßnahmen (allein in der Sitzung am 06.12.2016 wurden Maßnahmen in einem geschätzten Volumen von ca. 646.000 Euro beschlossen) jedoch nicht gegeben sein. Zudem würde eine solche Situation nach Auffassung des BayVGH nur im Einzelfall den Verzicht auf Abrechnung der betreffenden Baumaßnahme, nicht jedoch das Absehen vom Erlass einer StrABS rechtfertigen.

Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband (BKPV) hat in seinen Berichten über die überörtliche Rechnungsprüfung der Jahresrechnungen 2003-2006 (Bericht vom 06.11.2007, TZ 7), 2007-2009 (Bericht vom 02.03.2011, TZ 26) und 2010-2012 (Bericht vom 05.03.2014, TZ 5) festgestellt, dass der Markt Altdorf zum Erlass und Vollzug einer StrABS verpflichtet ist. Eine atypische Ausnahmesituation, wie z. B. eine herausragende Finanzlage, liege beim Markt Altdorf nicht vor. In den Berichten von 2011 und 2014 wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "bewusst in Kauf genommene Beitragsausfälle ggf. haftungsrechtliche Ansprüche der Kommune bzw. strafrechtlich relevante Tatbestände begründen können“ und bezieht sich dabei u. a. auf ein Urteil des OLG Naumburg vom 18.07.2007 sowie eine Abhandlung in der BayGT-Zeitung 2012, S. 274 (Hesse).
 
Als mögliche Folgen des Absehens vom Erlass einer StrABS sind in haushaltsrechtlicher Hinsicht insbesondere zu nennen:
-        Versagung der Genehmigung von in der Haushaltssatzung vorgesehenen Kreditaufnahmen durch die Rechtsaufsicht (Art. 71 Abs. 2 GO) wg. Verstoßes gegen Art. 62 GO (Rangfolge der Einnahmebeschaffung)
-        ggf. Versagung von Bedarfszuweisungen gemäß Art. 11 FAG, da das Vorliegen einer StrABS eine der allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung ist“


Wird auf den Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung verzichtet kann dies von der Kommunalaufsicht und der überörtlichen Rechnungsprüfung beanstandet werden.

Inwieweit eine straf- oder haftungsrechtliche Konsequenzen beim Nichterlass einer Satzung in Betracht zu ziehen sind wird diskutiert.
In Bayern wird dies weitestgehend abgelehnt, da durch die Möglichkeit der rückwirkenden Erhebung der Vermögensnachteil (= Schaden) entfallen kann, es kann aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Nach Art. 5 Abs. 8 KAG kann der Erlass dieser Satzung auch rückwirkend erfolgen. Dies kann dann notwendig werden, wenn die Kommune zum Erlass einer Satzung verpflichtet wurde und bereits Sanierungen durchgeführt wurden. Mit dieser Möglichkeit soll eine mögliche Ungerechtigkeit vermieden werden.
Grundsätzlich sollte die Kommune die Bürger aber zeitnah (im Vorfeld) und umfassend über eine mögliche Abrechnung informieren. Ein Vertrauensschutz der Bürger bei Verzicht auf den Erlass einer Satzung kann nicht entstehen.


Ebenfalls kurz eingegangen werden sollte auch auf die Möglichkeit nach Art. 5 b KAG anstelle eines einmaligen Beitrags jährlich wiederkehrende Beiträge für Verkehrsanlagen zu erlassen. Dazu wird das Gemeindegebiet in Abschnitte aufgeteilt und die Höhe der Beiträge bestimmt sich durch die Umlegung des jährlichen Investitionsaufwandes oder aber durch eine Prognoseberechnung des durchschnittlichen Aufwands in einem Zeitraum von bis zu 5 Jahren.
Der Grundgedanke dahinter ist, dass die Bürger mit einer gleichbleibenden jährlichen Belastung und eines größeren Umlegungsgebietes nicht „plötzlich“ mit sehr hohen Summen belastet werden.

Beschlussvorschlag

Die Verwaltung wird beauftragt den Entwurf einer Straßenausbaubeitragssatzung zu erarbeiten und dem Gremium zur Entscheidung vorzulegen.

Beschluss

Der Vorschlag der Verwaltung wird abgelehnt .

Abstimmungsergebnis
Dafür: 23, Dagegen: 0

Datenstand vom 16.05.2017 13:35 Uhr