Gebiet westlich der Kolpingstraße, östlich der Ringstraße und südlich der Dr.-Wintrich-Straße (ehemals IAC-Gelände und ehemalige Kreissparkasse); Einleitungsbeschluss für die Erstellung einer städtebauliche Rahmenplanung


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Technischen Ausschusses, 08.11.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Technischer Ausschuss Sitzung des Technischen Ausschusses 08.11.2022 ö beschließend 6

Sachverhalt

Der Bereich westlich der Kolpingstraße, östlich der Ringstraße und südlich der Dr.-Wintrich-Straße war zuletzt Gegenstand der Beratungen im TA vom 05.04.2022, TOP  12, öffentlich im Zuge der Bewerbung für den Projektaufruf „LANDSTADT BAYERN“.   Der TA beschloss seinerzeit eine Bewerbung für das Modellprojekt abzugeben. Leider wurde die Bewerbung seitens des Bauministeriums nicht angenommen. 

Die Stadt hat mit der Bewerbung versucht, das o. g. Gelände vorzuschlagen. Unabhängig von dem nicht angenommenen Projektvorschlag besteht der Bedarf, das Gebiet in den nächsten Jahren u.a. aufgrund sich ändernder Besitzverhältnisse, funktionaler Anpassungen und bevorstehender Sanierungserfordernisse städtebaulich neu zu ordnen und die Neuordnung bauplanungsrechtlich abzusichern. 

Der Freistaat Bayern hat die Kommunen mit der Anpassung des LEP Ziels 3.2. im Rahmen der Flächensparoffensive dazu aufgefordert, vornehmlich Innenentwicklungspotenziale für die zukünftige Siedlungsentwicklung zu nutzen. Der Planumgriff stellt ein solches Innenentwicklungspotenzial dar. Die aus einer Überplanung entstehenden Möglichkeiten für die Stadt Ebersberg und ihre Bürger sind ausgesprochen vielfältig. Insofern spielt das öffentliche Interesse an einer Überplanung der zentralen Liegenschaften eine große Rolle und rechtfertigt einen umfassenden Planungsprozess zur Neuaufstellung bzw. Neubewertung zukünftiger Baurechte.

Die ca.  2,3763 ha große Fläche, wird derzeit als Gewerbe-/Industriestandort, als Gelände der ehemaligen Kreissparkasse, jetzt Büroräume für das Landratsamt Ebersberg, Covid-Test- und Impfzentrum genutzt. Weiterhin sind in diesem Gebiet das Vermessungsamt Ebersberg, die Polizeiinspektion sowie eine Vermittlungsstelle der Dt. Telekom angesiedelt. Derzeit ist auf dem südlichen Bereich dieser Fläche noch der Betrieb der Firma IAC Automotive ansässig, ein Betrieb der Autozulieferindustrie. Die Firma wird ihren Betrieb spätestens am 31.08.2023 einstellen. Das Grundstück wurde zwischenzeitlich von einem privaten Investor, der Firma Eurytos Entwicklungs GmbH & Co. KG aus Vaterstetten erworben.
Der Investor ist an die Stadt mit dem Wunsch herangetreten, auf der Fläche Wohnbebauung zu entwickeln.
 Im derzeit rechtswirksamen Flächennutzungsplan sind die Grundstücke der ehemaligen Kreissparkasse sowie des Gewerbebetriebes als Mischgebiet (MI) dargestellt. Die Flächen der Behörden sind jeweils als öffentliche Gemeinbedarfsfläche im Flächennutzungsplan niedergelegt. Bauplanungsrechtlich handelt es sich aktuell um einen unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB.
 
Das gesamte Plangebiet ist unterschiedlich geprägt:

• Im Norden an der Dr.-Wintrich-Straße befinden sich Verwaltungsräume des Landkreises (früher Sparkasse), Polizei, Dienstleistungen und Geschäfte. Zwischen den Solitärgebäuden gibt es wertvollen prägenden Baumbestand. In Richtung Süden folgt ein villenartiges Einfamilienhaus, das aufgrund der massiven angrenzenden Bebauung wie ein Fremdkörper zwischen den Baukörpern liegt.

• Im Westen, Süden und Osten liegen reine Wohngebiete. Westlich der Ringstraße, gegenüber dem Gewerbebau, bilden Reihenhäuser eine Raumkante.

• Südlich angrenzend an die Ringstraße 130 befindet sich Geschosswohnungsbau.

• Im weiteren Umfeld sind auch Einfamilien- und Doppelhäuser vorzufinden.

• Im Westen und Süden befinden sich in fußläufiger Entfernung große Grünflächen, die im Süden in die freie Landschaft übergehen.

• Östlich des Grundstückes und der Kolpingstraße verläuft die S-Bahnstrecke.

Der südliche Bereich im Plangebiet selbst hat einen großen Höhenunterschied: Das Gelände fällt von West nach Ost um rund 10 m ab. Im Bestand ist die Topografie durch die Bebauung überwiegend terrassenartig gegliedert. Der Großteil der Grundstücke ist nahezu vollständig versiegelt.

Die straßenmäßige Erschließung ist für das Plangebiet über die Dr.-Wintrich-Straße, Kolpingstraße und die Ringstraße sichergestellt. 
Aus städtebaulicher Sicht liegt das Grundstück Ringstraße 130 im Übergang von gewerblicher Nutzung/Dienstleistung und Wohnnutzung. Durch eine Neuordnung kann eine Verschränkung dieser beiden Nutzungsarten auf dem Grundstück erfolgen und damit einen adäquaten Übergang Richtung Norden, zu den Gebäuden mit der Dienstleistung, und Süden und Westen zu den bestehenden Wohngebäuden schaffen. D. h. sowohl nicht störendes Gewerbe als auch Wohnen und soziale Einrichtungen sind in Anteilen auf dem Grundstück denkbar.





Städtebauliche Zielvorstellungen: 

1. Kein reiner Wohnstandort sondern Entwicklung eines „Stücks Stadt“
Attraktive Nutzungsmischung von Wohnen, Gewerbe, Arbeiten sowie gastronomischem Angebot mit wohnungsnahen Freiflächen im Quartier sowie guten öffentlichen Durchwegungen für Fußgänger und Radfahrer. 
Durch Ausnutzen der vorhandenen Topografie können auch Dachflächen für eine gemeinschaftliche Nutzung im Freien zur Verfügung gestellt werden. 

2. Bezahlbares Wohnen – die örtlichen Firmen treten immer wieder an die Stadt heran und sprechen den Fachkräftemangel an, der u. a. auch daraus resultiert, dass kein geeigneter Wohnraum im bezahlbaren Segment für Facharbeiter u. ä. zur Verfügung steht. Die Idee ist, zusammen mit den Firmen spezielle Wohnformen für das gewerbliche Personal zu entwickeln, dass diese am Arbeitsplatz wohnen können und somit teilweise weite Anfahrtswege zwischen Wohn- und Arbeitsort vermieden werden können. Hier kann mittels serieller Bauweise und eine angemessene Verdichtung kostengünstiger Wohnraum angeboten werden.  

3. Gemeinschaftlich-generationenübergreifende Wohnformen – gerade durch die Lage in fußläufiger Entfernung zum S-Bahnhof und zu den zentralen Einkaufsmöglichkeiten der Altstadt bieten sich solche Wohnformen in dem Quartier an. 
Gemeinschaftsräume – und Außenanlagen sollen entstehen, die einen gerne genutzten Treffpunkt für alle Bewohnergruppen bilden. 
Zur Nachbarschaftsbildung und zur Identifikation ist ein kleiner Treffpunkt/Platz zu planen, der ggf. kombiniert mit einer Mobilitätsstation und der Paketstation zu einer Quartiersmitte wird. 

4. Einrichtung von Co-Working-Spaces – die Stadt hat festgestellt, dass für solche Nutzungen in Ebersberg durchaus Bedarf vorhanden ist. Die Stadt steht diesen Entwicklungen offen gegenüber, da dies ein wichtiger Beitrag zu Minimierung der Pendlerverkehre von und nach München sein kann. Die Einrichtung solcher Arbeitsplätze kann die oft nicht optimalen Arbeitsverhältnisse im Homeoffice (Küchentisch) ergänzen. Darüber hinaus bestehen weiterhin kurze Wege, zu den örtlichen Kinderbetreuungseinrichtungen.
 Durch die günstige Lage von Glasfaserleitungen in der Dr.-Wintrich-Straße (nördlichen des Plangebietes) erscheint eine leistungsfähige Versorgung mit schnellen Datenanbindungen machbar. 
Mit diesem Angebot wird auch die Ansiedlung von Start-Up-Unternehmen angestrebt. 
Einrichtungen der Nahversorgung aus regionaler Erzeugung (Hofladen) mit angeschlossenen gastronomischen Nutzungen sollen entwickelt werden. 

5. Integriertes Mobilitätskonzept – das Thema Mobilität und Verkehr stellt innerhalb der städtischen Diskussion ein breites Feld dar. Die Stadt stellt derzeit ein integriertes Mobiltätskonzept auf. Darin sollen Ansätze gefunden werden, Mobilität abseits des MIV zu fördern und attraktiv zu gestalten. 
Das neue Quartier sollte möglichst frei von Autoverkehr funktionieren, barrierefrei sein und eine hohe Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer haben. 
Es sollen zentrale Ablage-/Sammelstellen für Lieferdienste geschaffen werden, so dass nicht jeder Paketlieferdienst das neue Quartier befahren muss. 
Eine Mobilitätsstation mit Verleihmöglichkeit von E-Lastenrädern sowie Car-Sharing-Angebote und einer Möglichkeit Fahrräder selbst zu reparieren sind einzuplanen.  

6. Klimaanpassung Ökologie und Energie
Aufgrund der Nähe zum Ebersberger Forst besteht die Möglichkeit das neue Quartier ausschließlich ohne fossile Energieträger zu versorgen. Es ist beabsichtigt, das neue Baugebiet mittels Hackschnitzel über eine zentrale Nahwärmeversorgung zu beheizen. Bei der Bauweise sollen hohe solare Gewinne entstehen. Zur Rückhaltung des anfallenden Niederschlagswassers sollen Lösungen im Sinne der „Schwammstadt“ gefunden werden (z. D. Dachbegrünungen zur Rückhaltung von Regenwasser). Raumgreifende unterirdische Rückhalteanlagen (Zisteren etc.) sind aufgrund der dadurch einhergehenden hohen Versiegelung zu vermeiden.  
Stromversorgung durch regionalen Anbieter (EBERwerk) bzw. durch eigene PV-Anlagen die möglichst 100% des Eigenbedarfs decken können. 

Die Eigentümerin des südlich gelegenen Grundstücksbereichs (IAC-Gelände) stellte dem TA in seiner letzten Sitzung ein Planungskonzept für ihr Gelände vor. Der Stadtrat befasst sich in seiner Klausurtagung am 22.10.2022 nochmals intensiv mit der städtebaulichen Entwicklung des gesamten Areals. 

Zur Umsetzung bzw. Sicherung der städtebaulichen Zielsetzungen der Stadt für das Gesamtareal wurde vorgeschlagen, den einmal schon vorbereiteten Weg im Rahmen „LANDSTADT BAYERN“ wieder aufzugreifen und für den gesamten Planungsbereich, von der Dr. Wintrichstraße im Norden bis zur Südgrenze des IAC-Grundstücks und zwischen Ring- und Kolpingstraße einen Rahmenplan (=städtebaulicher Vorentwurf in Anlehnung an das Merkblatt 51 der Baden-Württembergischen Architektenkammer) aufzustellen. Hierzu sollen mindestens 3 geeignete Stadtplanungsbüros eingeladen werden, die unter den o. g. städtebaulichen Zielvorgaben einen Entwurf abgeben sollen (Mehrfachbeauftragung). 
Der Rahmenplan soll neben der Klärung des vorhandenen Baurechts, die Wünsche und Forderungen der betroffenen Eigentümer (Bauträgerfirma Eurytos, Landkreis Ebersberg und Freistaat Bayern) als auch die Wünsche der Stadt für diese Quartier berücksichtigen und kompromissfähige Entwürfe entwickeln. Dabei ist die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen ebenso zu berücksichtigen, wie das öffentliche Interesse. Hier bestehen zwischen den beteiligten Eigentümern und der Stadt bislang unterschiedliche Vorstellungen. 
Als Nutzungsschablone könnte ein urbanes Gebiet (MU; § 6a BauNVO) angestrebt werden, da hier die größtmögliche Flexibilität bei den Nutzungen möglich ist.  
Aus diesem Rahmenplan können dann entsprechende Teilbebauungspläne für abgrenzbare Nutzungen (z. B. der südliche bisher gewerblich genutzte Bereich) abgeleitet werden. 

Als weiterer Aspekt müssen in diesem Rahmen die Folgekosten ermittelt sowie die Möglichkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, geklärt werden. 

Seitens der Verwaltung wird daher vorgeschlagen, wie oben dargestellt und in der letzten Klausurtagung erarbeitet, für das Gesamtgelände westlich der Kolpingstraße, östlich der Ringstraße und südlich der Dr.-Wintrich-Straße einen Rahmenplan im Wege einer Mehrfachbeauftragung (3 Büros) unter Berücksichtigung der vorgenannten städtebaulichen Zielsetzungen und unter der Vorgabe eines urbanen Gebietes entwickeln zu lassen. Sollte der TA diesem Vorschlag zustimmen, würde die Verwaltung die notwendigen Schritte unmittelbar einleiten (Verfahrensbetreuung, Klärung von Fördermöglichkeiten, Vorbereitung Auslobungstext, Vorschlagsliste für geeignete Büros). 
  

Diskussionsverlauf

StRin Behounek und StR Schechner schlagen vor, auch die Einrichtung von Co-Working-Spaces für kleinere Handwerksbetriebe und nicht nur für Büronutzung mitaufzunehmen.
StR Otter stimmt diesem Vorschlag zu und nennt Beispiele für mögliche Nutzungen. Er stellt wiederholt die hohe Bedeutung von Arbeitsplätzen in Bahnhofsnähe dar. In der Rahmenplanung als vorbereitendes Verfahren für einen Bebauungsplan sieht er eine zeitliche Beschleunigung zur Festlegung unserer Zielvorstellungen.  

Beschluss

Für das Gebiet westlich der Kolpingstraße, östlich der Ringstraße und südlich der Dr.-Wintrich-Straße wird ein Rahmenplan im Wege einer Mehrfachbeauftragung (3 Büros) unter Berücksichtigung der im Vortrag genannten städtebaulichen Zielsetzungen und unter der Vorgabe eines urbanen Gebietes aufgestellt. 

Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Schritte hierfür einzuleiten. 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 11, Dagegen: 0

Datenstand vom 17.11.2022 17:21 Uhr