Erlass einer Informationsfreiheitssatzung; Vorberatung zum bisherigen Sachstand und weiteres Vorgehen


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Haupt-, Finanz-, Sozial- und Kulturausschusses, 16.05.2023

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Haupt-, Finanz-, Sozial- und Kulturausschusses Sitzung des Haupt-, Finanz-, Sozial- und Kulturausschusses 16.05.2023 ö beschliessend 4

Sachverhalt

Mit dem Erlass einer Informationsfreiheitssatzung hat sich der Stadtrat der Stadt Füssen in den Jahren 2013 bis 2017 immer wieder befasst. Auf Antragstellung von Christine Fröhlich hat die Bürgerversammlung damals am 7. November 2016 mit 80 : 20 Stimmen dafür gestimmt, dass sich der Stadtrat mit dem Erlass einer solchen kommunalen Satzung befassen solle.

Wegen der Einzelheiten, der eingeholten Stellungnahmen (Bayer. Gemeindetag, Landratsamt Ostallgäu, Kommunen mit einer solchen Satzung) wird auf den beiliegenden Sitzungsauszug aus der Stadtratssitzung vom 31. Januar 2017 verwiesen.

Weiter wird auf den Sitzungsauszug der Stadtratssitzung vom 28. März 2017 verwiesen, in dem der Stadtrat sich mit der Empfehlung aus der Bürgerversammlung vom 7. November 2016 befasst und beschlossen hat, „… den Erlass einer städtischen Informationsfreiheitssatzung aufgrund der aktuell ergangenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes im Beschluss vom 27.02.2017 bis auf weiteres zurückzustellen“. Die Entscheidung des VGH’s beschäftigte sich mit den Auswirkungen des zwischenzeitlich Inkraft getretenen Art. 36 des Bayer. Datenschutzgesetzes (BayDSG), der den Bürgerinnen und Bürgern ein allgemeines Recht auf Auskunft gibt, das sich auch gegen kommunale Rechtsträger richtet.

Seitdem ist keine erneute Behandlung des Themas mehr im Stadtrat dazu erfolgt.

Der vorstehend zitierte Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofes führt nicht dazu, dass Informationsfreiheitssatzungen nicht mehr zulässig wären. Vielmehr ist der Erlass von kommunalen Informationsfreiheitssatzungen auch nach Inkrafttreten von Art. 36 BayDSG weiterhin auf Grundlage der allgemeinen Satzungsermächtigungen zulässig. Wie schon erwähnt gibt Art. 36 BayDSG den Bürgerinnen und Bürgern ein allgemeines Recht auf Auskunft, das sich auch gegen kommunale Rechtsträger richtet. Dieses Recht kann durch einen satzungsrechtlichen Informationszugangsanspruch unter Beachtung des Vorbehalts des Gesetzes ergänzt und konkretisiert, nicht aber eingeschränkt bzw. unter einen Abwägungsvorbehalt gestellt werden – auch nicht durch eine kommunale Satzung!

Kommunale Informationsfreiheitssatzungen durften schon bisher keine datenschutzrechtlich unzulässigen Informationstransfers ermöglichen. Daran hat sich durch Inkrafttreten von Art. 36 BayDSG nichts geändert.

Da die Gemeinden auf Grundlage der allgemeinen Satzungsermächtigungen keine Grundrechtseingriffe legitimieren, insbesondere keine Regelungen zur Abwägung von Informationszugangsinteressen mit gegenläufigen grundrechtlich geschützten Vertraulichkeitsinteressen erlassen dürfen, müssen ihre Informationsfreiheitssatzungen Anspruchsausschlüsse für den Fall vorsehen, dass es sich bei den Informationen, zu welchen Zugang begehrt wird, um personenbezogene Daten handelt. Regelungen dieser Art sind bereits in vielen Informationsfreiheitssatzungen enthalten. 

Der Wert kommunaler Informationsfreiheitssatzungen dürfte zukünftig im Schwerpunkt darin liegen, das in Art. 36 BayDSG vorgesehene Regelungsprogramm zu ergänzen. So kommen insbesondere Selbstbindungen des betreffenden Rechtsträgers in Betracht, was etwa eine Bearbeitungsfrist, einen einheitlichen Ansprechpartner oder einen kommunalen Informationsfreiheitsbeauftragten betrifft. Jedenfalls soweit durch die Gewährung einer Information keine rechtlich geschützten Vertraulichkeitsinteressen berührt sind, wird die Kommune das Recht auf Informationszugang durch Auskunft auch um ein Recht auf Informationszugang durch Einsichtnahme etwa in relevante Unterlagen ergänzen können.

Letztlich teilt die Verwaltung die bereits kommunizierte Einschätzung des Bayer. Gemeindetages und vieler Kommunen zum Für und Wider einer solchen Satzung:

Anbetracht der bereits bestehenden Informationsrechte in den verschiedenen Rechtsbereichen (z.B. Verwaltungsverfahrensrecht, Gemeindeordnung, Umweltinformationen usw.) und der weitgehenden Praxis, unbürokratisch Auskünfte zu erteilen, erscheint die Notwendigkeit für den Erlass einer Informationsfreiheitssatzung bzw. deren Relevanz in der Praxis fraglich, zumal die gesetzlich vorgeschriebene Wahrung des Datenschutzes, der Persönlichkeitsrechte, des Steuergeheimnisses und sonstiger geheimhaltungsbedürftiger Umstände den Umfang der bekanntgabefähigen Informationen beschränkt und den Aufwand zur Überprüfung der Vorgänge bei Gewährung der Einsicht erhöht. Soweit eine Angelegenheit der Beschlussfassung in nichtöffentlicher Sitzung vorbehalten ist, kann auch eine Informationsfreiheitssatzung diese Hürde nicht überspringen.

Das beste Beispiel dafür ist die in der Geschäftsordnung verankerte Bürgerfragestunde, die – von wenigen Ausnahmen abgesehen – weitgehend von den gleichen Bürgerinnen und Bürgern genutzt wird. Die weit überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürgern wendet sich ohnehin jetzt schon direkt an das Rathaus – und erhält in der Regel die gewünschten Auskünfte.

Ganz allgemein haben wir bei den Kommunalen Spitzenverbänden wegen dieses Themas der Informationsfreiheitssatzung angefragt. Vom Bayer. Gemeindetag wurde uns dazu mitgeteilt, dass „… Anfragen zu Informationsfreiheitssatzungen erreichen uns seit 2017 kaum noch (der „Peak“ war im Umfeld der Kommunalwahl 2014 erreicht). Eine Statistik zu Gemeinden und Städten mit solchen Satzungen führen wir nicht. Wir schätzen, dass ca. 70 bis 80 Gemeinden (von 2056; daneben auch einige Landkreise) solche Satzungen haben. Dies mag an den bereits bestehenden Informationsrechten in den verschiedenen Rechtsbereichen (z.B. Art. 39 BayDSG; Art. 29 VwVfG; Art. 52, 54 Abs. 3 Satz 2 GO; BayUIG usw.) und der weitgehenden Praxis liegen, bei Anfragen von Bürgern unbürokratisch Auskünfte zu erteilen.“

Die Rechtsaufsichtsbehörde am Landratsamt Ostallgäu hat uns dazu folgendes mitgeteilt: „…an unserer Einschätzung bzw. Bewertung hat sich seit dem mit E-Mail vom 05.01.2017 überlassenen Stellungnahme nichts wesentliches geändert. Auch darüber hinaus gibt es aus unserer Sicht derzeit keine neuen oder anderen Erkenntnisse.  

Im Landkreis Ostallgäu hat nach unserer Kenntnis bislang keine Gemeinde eine solche Informationsfreiheitssatzung erlassen. Nach den Informationen auf der Homepage https://informationsfreiheit.org/ubersicht/ haben bislang insgesamt nur 80 Kommunen in Bayern (von 2056) eine solche eingeführt. In Schwaben unter anderem die Städte Memmingen, Augsburg, Nördlingen, Bobingen, Friedberg und Illertissen sowie der Landkreis Augsburg und die Gemeinde Weißenhorn.“

Hingewiesen wird darauf, dass der Vollzug der Informationsfreiheitssatzung – wenn diese denn so angenommen werden würde wie man sich das vielleicht erwartet – einen zusätzlichen Personal- und Sachaufwand erfordert, der im Widerspruch zu den Bemühungen um die Stabilisierungshilfe und zur Haushaltskonsolidierung steht.

Sollte sich im Stadtrat zum Erlass einer Informationsfreiheitssatzung eine Mehrheit herauskristallisieren, stellt sich aus politischer Sicht die Frage, ob man den Streit um (mangelnde) Transparenz tatsächlich austragen möchte oder nicht zur Befriedung doch eine solche Satzung erlässt. Auch der Gemeindetag bestätigte uns auf Anfrage, dass es häufig so ist, dass nach Erlass einer Informationsfreiheitssatzung die Bürgerschaft kaum hiervon Gebrauch macht (andererseits genügen natürlich einige Wenige, um nicht unerheblich Verwaltungskraft zu binden, die an anderer Stelle fehlt, was aber auch aufgrund der bestehenden gesetzlichen Auskunftsrechte schon möglich ist). 

Beschlussvorschlag

Nach weiterer kurzer Diskussion empfiehlt der Haupt-, Finanz-, Sozial- und Kulturausschuss dem Stadtrat den Erlass der im Entwurf beiliegenden Informationsfreiheitssatzung.

Diskussionsverlauf

Christine Fröhlich erinnerte an die früheren Behandlungen dieses Themas und den eigentlich dafür schon gefassten, aber nicht vollzogenen Beschluss. Im Einzelnen habe sie noch einige Anregungen zum Satzungsinhalt, wozu aber auf den von ihr eingereichten Schriftverkehr verwiesen wird.

Ilona Deckwerth sprach sich auch dafür aus, eine solche Satzung endlich auf den Weg zu bringen. Es sei schließlich, darin waren sich beide Rednerinnen einig, das ureigenste Recht der Bürgerinnen und Bürger, entsprechende Informationen einholen zu können.

Mathias Friedl entgegnete, dass es aus seiner Sicht dazu keiner solchen Satzung bedarf. Seine Erfahrungen belegen, dass er die nötigen Informationen auch in der Vergangenheit problemlos erhalten habe.

Beschluss

Nach weiterer kurzer Diskussion empfiehlt der Haupt-, Finanz-, Sozial- und Kulturausschuss dem Stadtrat den Erlass der im Entwurf beiliegenden Informationsfreiheitssatzung.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 11, Dagegen: 2

Dokumente
FQA Informationsfeiheitssatzung (.pdf)
Informationsfreiheitssatzung_Entwurf 05-2023 (.pdf)

Datenstand vom 01.10.2024 16:35 Uhr