Grundsteuerreform; Beratung und Beschluss der neuen Grundsteuerhebesätze ab 2025


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Stadtrates, 26.11.2024

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Sitzung des Stadtrates 26.11.2024 ö beschliessend 10

Sachverhalt

Grundsätzliches zur Reform
Im April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht wesentliche Punkte der Einheitsbewertung, für verfassungswidrig erklärt;
• Die Grundsteuerreform muss zwingend zum 01.01.2025 umgesetzt werden, da die
alte Grundsteuer ab diesem Zeitpunkt nicht mehr erhoben werden darf;
• das Bayerische Grundsteuergesetz setzt ein wertunabhängiges Modell für die
Grundsteuer B um; daraus resultieren große Belastungsverschiebungen;

Grundsteuerreform zum 01.01.2025
Im April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht wesentliche Punkte der Einheitsbewertung, die die Grundlage für die Festsetzung der Grundsteuer darstellt, für verfassungswidrig erklärt und den Kommunen noch bis zum 31.12.2024 erlaubt, die Grundsteuer nach altem Recht festzusetzen. Die durch Bundestag und Bundesrat im Oktober/November 2019 beschlossene Grundsteuerreform enthält eine Öffnungsklausel für die Länder, von der der Freistaat Bayern Gebrauch gemacht hat. Der Bayerische Landtag hat am 23.11.2021 das Bayerische Grundsteuergesetz beschlossen. Für die Grundsteuer B wurde damit ein wertunabhängiges Besteuerungsmodell eingeführt. Die Grundsteuer A wird weitestgehend nach dem Bundesgrundsteuergesetz (GrStG) vollzogen. Ferner gilt das Bundesgrundsteuergesetz für alle Punkte, die im Bayerischen Gesetz nicht geregelt sind. Die Grundsteuer ist die zweitwichtigste kommunale Steuer und trägt wesentlich zur Finanzierung des Haushalts bei. Gemäß Art. 62 Abs. 2 Nr. 2 Gemeindeordnung hat die Gemeinde, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen aus Steuern zu beschaffen. Kredite dürfen nur aufgenommen werden, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich oder wirtschaftlich unzweckmäßig ist. Dies bedeutet, dass die Grundsteuer aus haushaltsrechtlichen Gründen zwingend zu erheben ist. Zudem sind wir als Stadt Füssen dazu verpflichtet zur Genehmigung des Haushalts alle zur Verfügung stehenden Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Eine Erhebung der Grundsteuer nach altem Recht ist nach dem 01.01.2025 nicht mehr zulässig. Da auf die Steuer nicht verzichtet werden darf, muss ab 2025 eine Festsetzung nach neuem Recht erfolgen. Die Hebesätze für 2025 müssen in einer gesonderten Hebesatzsatzung festgelegt werden und nicht wie in den Vorjahren üblich in der Haushaltssatzung.

Verwaltungsverfahren zur Festsetzung der Grundsteuer
Das Verfahren zur Festsetzung der Grundsteuer ist zweigeteilt. Die Grundlagen für die Besteuerung werden durch die Finanzämter festgestellt. An die Feststellungen des Finanzamts ist die Stadt Füssen gebunden. (§§ 171 Abs. 10, 175 Abgabenordnung)
In der zweiten Jahreshälfte 2022 sollten alle Grundstückseigentümer*innen ihre Grundsteuererklärung beim zuständigen Finanzamt abgeben. Nach mehrfacher Verlängerung endete die Frist zur Abgabe der Erklärungen schließlich am 30.04.2023. Aufgrund der kurzen Umsetzungs- und Bearbeitungszeit musste auf Seiten der staatlichen Finanzverwaltung zügig ein neues Steuerverfahren eingeführt werden, das möglichst viele Steuererklärungen ohne Eingriff durch eine*n Sachbearbeiter*in prüft und die Äquivalenzbescheide und Messbescheide erlässt. Durch diese sogenannte „Dunkelverarbeitung“ ist mit einer relativ hohen Anzahl an fehlerhaften Bescheiden zu rechnen. Die Finanzämter haben bereits damit begonnen, fehlerhafte Bescheide anhand von Listen zu identifizieren und Extremfälle zu korrigieren. Dies wird in den Folgejahren fortgesetzt und mittelfristig noch zu einer hohen Zahl von geänderten Feststellungen führen. Den Kommunen wurde 2023 eine neue Schnittstelle zur Verfügung gestellt, mit der Messbescheiddaten technisch über Elster übermittelt werden. Das Steueramt der Stadt Füssen hat mit Stand 25.11.2024 alle übermittelten Messbeträge im System eingepflegt und die daraus resultierenden Fehlerprotokolle abgearbeitet. Ausreiser, bei denen die Messbeträge erheblich von der alten Bewertung abgewichen sind, wurden von uns ausgewertet und nochmals mit dem Finanzamt abgestimmt. Bei offensichtlich, falschen Bescheiden wurden teilweise bereits geänderte Bescheide vom Finanzamt erlassen. 

Aufgrund der Umsetzung der Reform wird es zu Bescheiden kommen, die auf fehlerhaften Messbescheiden beruhen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass viele Bürger*innen, die mit Widersprüchen gegen vermeintlich zu hohe Steuerbescheide der Stadt vorgehen, eigentlich den fehlerhaft zu hohen Messbescheid angreifen müssten. Die Stadt verweist hier auf das zuständige Finanzamt, da nur dieses hier Entscheidungskompetenz hat.
Mit dem Thema sind ein erhöhtes Konfliktpotential und ein entsprechender Beratungsbedarf verbunden. 
Bei der Stadt Füssen wurden die Hebesätze der Grundsteuer A und B zuletzt zum 01.01.2023 auf 415 % und 435 % erhöht. 77% der Steuerpflichtigen lassen die Forderungen abbuchen. Für viele Bürger*innen ist daher die Grundsteuerreform ein Anlass sich nun erneut mit der Grundsteuer aktiv zu beschäftigen. Insbesondere das komplexe zweigeteilte Verfahren ist für die Betroffenen oft nur schwer verständlich. Der Versand von 15.000 Grundsteuerbescheiden am Jahresanfang 2025 wird daher bei vielen Bürger*innen Informationsbedarf und Fragen aufwerfen. 

Grundsteuer A
Das Jahresaufkommen der Grundsteuer A beträgt in Füssen ca. 39.500,00 €. Eine Gegenüberstellung von alten Messbeträgen/ Grundsteuerbelastung und neuen Messbeträgen führt bei der Grundsteuer A nicht zu aussagekräftigen Ergebnissen, da nach neuem Recht die landwirtschaftlichen Wohngebäude zukünftig unter die Grundsteuer B fallen.


 
Aktueller Hebesatz
 
 
 
 
415%
400%
405%
410%
Messbeträge 2024: 9.523,16 €
39.521,11 €
 
 
 
Messbeträge 2025: 9.894,85 €
41.063,63 €
39.579,40 €
40.074,14 €
40.568,89 €
Differenz + 371,69 €
1.542,51 €
58,29 €
553,03 €
1.047,77 €


Grundsteuer B 
Das Jahresaufkommen der Grundsteuer B beträgt in Füssen ca. 3.260.000,00 €. Mit dem Bayerischen Grundsteuergesetz (BayGrStG) wird ein wertunabhängiges Modell für die Grundsteuer B umgesetzt. Prägendes Element der Lastenverteilung ist der Äquivalenzgedanke. Es wird davon ausgegangen, dass je größer das Grundstück ist, den einzelnen Grundstückseigentümer*innen in der Regel, umso mehr Aufwand für bestimmte lokale öffentliche Leistungen der Gemeinde zuordenbar sei. Ausgangspunkt sind die physikalischen Flächengrößen von Grundstück und Gebäude. Je größer also das zu besteuernde Grundstück (Grund und Boden einschließlich Gebäudeflächen), desto höher die steuerliche Belastung. Beispiele für lokale öffentlichen Leistungen im Sinne des Gesetzes sind der Schutz des Privateigentums durch Brandschutz oder Räumungsdienste, Infrastrukturausgaben, Ausgaben für Kinderbetreuung und Spielplätze, Ausgaben für kulturelle Einrichtungen und Ausgaben zugunsten der Wirtschaftsförderung. Kurz zusammengefasst: Zwei Grundstücke mit identischen Flächenmerkmalen innerhalb einer Gemeinde, sollen gleich hoch belastet werden.
Bei dem im Jahr 2018 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Grundsteuerrecht handelte es sich um ein wertabhängiges Modell. Für unbebaute Grundstücke wurden als Bemessungsgrundlage für den Einheitswert die Bodenrichtwerte herangezogen, für bebaute Grundstücke wurde der Einheitswert in der Regel nach dem Ertragswertverfahren ermittelt. Hierbei wurden neben der Lage auch das Baujahr eines Gebäudes, die Bauweise und eine Reihe wertmindernder und werterhöhender Umstände berücksichtigt. Ein Systemwechsel von einem wertabhängigen Modell zu einem wertunabhängigen Modell führt zwangsläufig zu deutlichen Verschiebungen in der Belastung der einzelnen Steuerpflichtigen. Es gibt Objekte, die deutlich entlastet werden und andere, die deutlich höher belastet werden.
Belastungsverschiebungen in Füssen (auf Basis der Messbeträge).
Um die Belastungsverschiebungen in Füssen zu prüfen, wurden vom Steueramt verschiedene Auswertungen vorgenommen. Dem Steueramt liegen jedoch keine Informationen zu den Details der Besteuerung nach altem Recht vor (Baujahr, Größe des umbauten Raumes, angewendeter Lagefaktor). Insbesondere ist für die Stadt nicht erkennbar, ob im Rahmen der Steuererklärung andere wirtschaftliche Einheiten gebildet wurden, also Objekte zusammengefasst wurden. Daher konnten lediglich die Veränderungen im Messbetrag betrachtet werden. Aufgrund einiger Gespräche und Rücksprachen mit den zuständigen Bearbeitern der Bewertungsstelle des Finanzamtes Kaufbeuren mit Außenstelle Füssen konnten allerdings einige Fälle aufgeklärt werden. Das Steueramt konnte beim Vergleich zum Vorjahr feststellen, dass noch ca. 100 Erklärungen vom Finanzamt übermittelt werden müssen, was einer Summe von Messbeträgen in Höhe von ca. 5.000,00 EUR entspricht. Zudem kommen noch Erklärungen von Neubauten, welche nach dem 01.01.2022 fertiggestellt wurden. Diese beiden Faktoren wurden bei der folgenden Berechnung nicht berücksichtigt. 


Stand: 26.11.2024

Beschlussvorschlag

Der Stadtrat der Stadt Füssen nimmt den Sachvortrag und die Grundsteuerreform 2025 zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung, derzeit den Hebesatz der Grundsteuer A mit 415% zu belassen und die Anpassung des Hebesatzes für die Grundsteuer B mit 475% für das Jahr 2025 umzusetzen und beschließt die beiliegende Satzung mit anschließender Bekanntmachung.

Diskussionsverlauf

Stadträtin Fröhlich sieht die Entscheidung über die Anhebung des Hebesatzes zweigeteilt. Zum einen sollte die Stadt durch eine Unterdeckung eine Auge darauf haben, nicht ins Minus fallen. Eine Anhebung belastet aber sicherlich auch den Geldbeutel der Bevölkerung.

Beschluss

Der Stadtrat der Stadt Füssen nimmt den Sachvortrag und die Grundsteuerreform 2025 zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung, derzeit den Hebesatz der Grundsteuer A mit 415% zu belassen und die Anpassung des Hebesatzes für die Grundsteuer B mit 475% für das Jahr 2025 umzusetzen und beschließt die beiliegende Satzung mit anschließender Bekanntmachung.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 19, Dagegen: 3

Datenstand vom 25.03.2025 15:48 Uhr