Gemäß Beschluss des Planungs-, Bau-, Umwelt- und Verkehrsausschusses vom 07.05.2024 hat die Stadt Füssen das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt. Begründung war die unzureichende straßenmäßige Erschließung.
Der Antrag auf Vorbescheid wurde vom Landratsamt Ostallgäu geprüft. Es kann aus nachstehenden Gründen die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens nicht stützen.
Das Vorhaben fügt sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung und der Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
Zur Erschließung wird folgendes ausgeführt:
Bauplanungsrecht:
In wegemäßiger Hinsicht umfasst das bauplanungsrechtliche Erfordernis der gesicherten Erschließung regelmäßig den hinreichenden Anschluss des Baugrundstücks an das öffentliche Straßennetz.
Es handelt sich beim Vorderegger Weg in diesem Bereich (Fl.-Nr. 531/3) nicht um einen öffentlich gewidmeten Weg. Jedoch steht der Vorderegger Weg in diesem Bereich als Anliegerweg im Eigentum der Anlieger.
Dies bedeutet, dass jedem Anlieger ein Teil der Wegfläche zum Alleineigentum gehört. Dieser Teil der Wegfläche bildet zwar einen unselbstständigen Teil des Buchgrundstücks des jeweiligen Anliegers, wird allerdings zum Wegegrundstück gezogen. Im Liegenschaftskataster wird dies durch entsprechenden Vermerk beim an den Weg angrenzenden Grundstück, z. B. „hierzu die zum Weg Flst. …gezogene Teilfläche” kenntlich gemacht. Dies führt dazu, dass das Grundstück des jeweiligen Anliegers nach herrschender Auffassung regelmäßig mit einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Grundstücke derjenigen belastet ist, die den Weg nach seiner Zweckbestimmung zu Geh- und Fahrtzwecken nutzen dürfen, üblicherweise der anderen Anlieger, und zwar bezogen auf die Teilfläche des Grundstücks, die zum Weg gehört. Besteht ein Geh- und Fahrtrecht an dem Anlieger Weg, so bedeutet dies nach den angeführten Grundsätzen, dass jedes Grundstück, zu dem in dem oben beschriebenen Sinn eine Teilfläche des Anliegerweges gehört, zugunsten des Eigentümers eines herrschenden Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit belastet ist, des Inhalts, dass der Berechtigte die zum Weg gehörende Teilfläche für Geh- und Fahrtzwecke nutzen darf (vgl. § 1018 BGB). Derartige Geh- und Fahrtrechte blieben bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches ohne Eintragung als Grunddienstbarkeit bestehen (Art. 184 Satz 1, Art. 187 Abs. 1 Satz 1 EGBGB), für die nunmehr die Vorschriften der §§ 1020 bis 1028 BGB (Art. 184 Satz 2 EGBGB) gelten (vgl. zu all dem BayObLG, U. v. 15.12.1997 – 1Z RR 610/96).
Mithin ist hinsichtlich des Vorhabengrundstücks die Erschließung gesichert, da aufgrund der Eigenschaft des Vorderegger Wegs als Anlieger Weg davon auszugehen ist, dass an den zum Grundstück des Vordergger Wegs gezogenen Teilflächen der Grundstücke der übrigen Anlieger ein Geh- und Fahrtrecht in Form einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks des Antragsstellers besteht, auch wenn dieses im Grundbuch nicht eingetragen ist. Dies ist für die dauerhafte rechtliche Sicherung der Erschließung ausreichend (Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Auflage 2016, § 34, Rn. 26).
Bauordnungsrecht:
Zwar muss das Baugrundstück für das Vorliegen einer bauordnungsrechtlich gesicherten Erschlie-ßung gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegen. „Öffentliche Verkehrsflächen“ i.d.S. sind aber jedenfalls auch beschränkt öffentliche Wege i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 53 Nr. 2 BayStrWG (Wolf, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 128. EL De-zember 2017, Art. 4, Rn. 113). Nur für den Anliegerverkehr freigegebene Straßen sind derartige beschränkt öffentliche Wege, die für eine sichere Zufahrt i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO ausreichen (Wolf, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 128. EL Dezember 2017, Art. 4, Rn. 117).
Abweichend von Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO ist innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) die Befahrbarkeit von Wohnwegen begrenzter Länge nicht erforderlich, wenn keine Bedenken wegen des Brandschutzes oder des Rettungsdienstes bestehen.
Dies ist dann der Fall, wenn die Länge des Weges so begrenzt ist, dass alle Gebäudeteile von der Feuerwehr mit Rettungs- und Löscheinrichtungen erreicht werden können. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob der Brandschutz auch ohne Zufahrt für die Feuerwehrfahrzeuge über Hydranten und entsprechende Schlauchleitungen und mit tragbaren Steckleitern noch gewährleistet werden kann.
Die Brandschutzdienststelle hat hierzu mit Stellungnahme vom 14.08.2024 folgendes mitgeteilt: „Die Mitte des zu betrachtenden Teils des Flurstücks kann von der Feuerwehr von der Straße „Alte Steige“ in Höhe Hausnummer 16 zum „Vorderegger Weg“ fußläufig in ca. 70 Metern Entfernung erreicht werden. In Bezug auf den Art. 5 BayBO könnte daher eine Personenrettung nur über tragbare Leitern erfolgen.
Ohne Kenntnis zur vorhandenen Löschwasserversorgung und detaillierten Planung für das geplante Zweifamilienhaus wären demnach wirksame Löscharbeiten und Maßnahmen zur Personenrettung aus Sicht des abwehrenden Brandschutzes trotz der Überschreitung der möglichen Entfernung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 4 BayBO möglich.“
Die Versagung des Einvernehmens wird daher als nicht ausreichend begründet eingestuft. Der Vorgang wurde zur nochmaligen Entscheidung an die Stadt Füssen zurückgegeben (Anhörung).
Für den Fall der weiteren Nichterteilung wurde angekündigt, das Einvernehmen zu ersetzen.
Anmerkung: Vor diesem Hintergrund ist es nicht verständlich, wenn die Baugenehmigungsbehörde die gesicherte Erschließung im dem nördlich anschließenden und mit KFZ befahrbaren Bereiche vor dem Abschluss des Widmungsverfahrens mit anschließenden Klageverfahren eines Anliegers nicht anerkannte.