Die Idee der "Verbundenen Stadt" der Ideenwerkstatt; Ansätze zur Schaffung zusätzlicher Freiräume und der Verbesserung der Verkehrssituation Vorstellung und weiteres Vorgehen


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Stadtrates, 08.09.2020

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Sitzung des Stadtrates 08.09.2020 ö beschliessend 3

Sachverhalt

Im Herbst letzten Jahres haben sich parteiübergreifend mehrere Interessierte in einer „Ideenwerkstatt“ zusammengesetzt, um gemeinsam und ohne Denkverbote über Möglichkeiten nachzudenken, um Füssens Kernproblem - die verstopfte Innenstadt - zu entzerren und diesen äußerst wertvollen Lebensraum für die Bürger auch lebenswert zu machen! So entstand eine Art „Ideenwerkstatt“ unabhängiger Bürger, die außerhalb des operativen Geschäfts und in keinerlei Konkurrenz zu den bestehenden Gremien und Parteien ihre Überlegungen zusammen trugen.
 
Die Beteiligten aus den unterschiedlichsten beruflichen Bereichen einte ein gemeinsamer Nenner: sich in die Entwicklung der Stadt einbringen und Veränderungen anstoßen. Gemeinsam war ihnen  auch die geschichtliche Prägung der letzten 30 bis 40 Jahre, in der es zumeist um die vielen vergeblichen Bemühungen ging, das Füssener Verkehrsproblem zu lösen.
 
Immer mehr reifte in diesem Prozess die Erkenntnis, dass das vermeintliche Verkehrsproblem nicht das zentrale Problem der Füssener Innenstadt ist! Das größte Problem sei der mangelnde Platz für die Bürger und Touristen in der Innenstadt.

In den Diskussionen wurde immer klarer, dass die Hauptverkehrsachsen, also die Augsburgerstraße in Nord-Süd-Richtung und die Luitpoldstraße + Sebastianstraße in West-Ost-Richtung zu einer fatalen Trennung der städtischen Füssener Wohn-, Arbeits- und Einkaufsquartiere führt. Wegweisend für diese Einschätzung waren die schon länger existierenden Verkehrsgutachten, in denen immer wieder der sehr hohe Anteil des Ziel- und Quellverkehrs am Verkehrsaufkommen in der Innenstadt festgestellt wurde. Unter diesem Aspekt erscheint eine Fortführung der Umfahrung auf den Trassen, wie sie in der Vergangenheit gefordert wurde, nicht geeignet, um das Füssener Problem der „geteilten Stadt“ zu lösen.

Was nutzt eine Trasse über/unter dem Forggensee oder am Rande des Weidachs bei ca. 60-80% Ziel- und Quellverkehr? Leider nichts, denn die Innenstadt bliebe „geteilt“. Eine solche Trasse würde nur vom touristischen Verkehr genutzt, nicht aber vom Füssener Bürger, der möchte in seiner Stadt einfach nur schnell von A nach B kommen können, zurecht!
 
Die Betrachtung der Realität führte eher zu folgender Einschätzung: Egal von welchem Quartier sie als einer von 15.000 Einwohnern in Füssen starten, sie müssen in der Regel immer über den Kaiser-Max.-Platz oder an anderer Stelle die Hauptverkehrsachsen nutzen oder queren, um dorthin zu kommen, wohin sie innerhalb der Stadt wollen. Diese Zerteilung der Füssener Innenstadt („geteilte Stadt“) ist also das zentrale Problem! Wenn nun noch der phasenweise außerordentliche touristische Verkehr hinzukommt, geht mobilitätsmäßig gar nichts mehr - weder für Autos, noch für Fußgänger, noch für Radler - und das viele Monate im Jahr!

Und somit wird jede Entwicklung in Füssens Kernbereich nahezu unmöglich. Denken wir nur an die Forderungen nach mehr qualifiziertem und familienfreundlichem Handel, denken wir an die kaum lösbare Aufgabe, den Radverkehr geordnet durch die Füssener Kernstadt zu führen, denken wir nur an den fehlenden Parkraum, an die Probleme der Eltern mit Kinderwagen, der Menschen mit Behinderungen, die einen Rollator oder einen Rollstuhl benötigen, die Verkehrswege der Kinder zu ihren Schulen, an die Diskussionen im Rahmen der Bahnhofstraße, überall fehlt der Platz!

Ganz zu schweigen davon, dass niemand, weder unsere Besucher noch unsere Bürger mit Ruhe und Muße die Schönheit dieser Stadt genießen können, es fehlen die Plätze zum Schauen, „Entschleunigen“ und Verweilen, um vom Frühling bis zum Herbst unser z.T. fast mediterranes Klima in der Innenstadt incl. der Altstadt zu genießen! Dafür Autos soweit man schaut, Enge und Hektik, Schlange stehen v.a. in der immer länger werdenden Hauptsaison.
 
Ergebnis all dieser Überlegungen war, dass als mögliche Lösungsidee für die Diskussion mit der Politik und den Bürgern vorgeschlagen wird, dass die Idee der „verbundenen Stadt“ organisiert werden muss.

Wie aber kann es gelingen eine „verbundene Innenstadt“ zu gestalten? Der Vorschlag der Ideenwerkstatt lautet deshalb: Mit dem klaren Ziel, den Menschen als Fußgängern oder Radlern die Innenstadt nutzbar zu machen, benötigt man eine verkehrsberuhigte Innenstadt vom Alten Landratsamt bis zum Kaiser-Max-Platz sowie von der Morisse zum Pulverturm!

Die entscheidende Frage aber ist: Wollen die Menschen in Füssen das auch? Diese Entscheidung steht am Anfang allen weiteren Geschehens. Und so wird sie zur wichtigsten Entscheidung, die von den Bürgern und der Politik getroffen werden müsste!
 
Gesetz den Fall, dass die Füssener diese Idee einer Ausdehnung der verkehrsberuhigten Innenstadt gefällt, sie die Chancen sehen, sie diese grundsätzliche Veränderung wollen - trotz aller damit möglicherweise verbundenen zeitbegrenzten Schwierigkeiten - dann wäre dies genau das Signal für die Politik auf allen Entscheidungsebenen, welches benötigt wird, um ein solches Projekt anzuschieben und umzusetzen.
 
Aber - natürlich ist bewusst, dass die 1. Frage als Folge dieser Grundsatzentscheidung logischer Weise lauten wird: „Und wohin dann mit dem Verkehr“?
 
Die Antwort der Ideenwerkstatt wäre, den Verkehr durch einen Tunnel unter den bisherigen Straßen (also Augsburgerstrasse ab Altem Landratsamt bis Kaiser-Maximilians-Platz und Luitpoldstraße, Sebastianstrasse bis Pulverturm auf ca. 800m Länge) hindurch zu führen. Dies ohne größeren neuen Flächenverbrauch und ohne permanente Stopps durch Fußgänger, Radler, Busse oder Ortsunkundige.

Wie das aussehen könnte, wurde auf entsprechenden Kartenausschnitten verdeutlicht. In welcher Art ein solcher Tunnel gebaut werden könnte, ist eine äußerst anspruchsvolle technische Frage. Antworten hierzu bedürfen des Fachwissens und Sachverstandes der erforderlichen Experten. Ob z.B. eine solche Verkehrsverlagerung unter die Erde in offener oder geschlossener Bauweise erfolgen würde, können wir derweil natürlich nicht beantworten, wohl aber die Sachverständigen, die zu Rate gezogen werden müssen!

Auf dem Deckel dieses Tunnels gäbe es allerdings eine Innenstadt mit breitem Raum. Genug Platz für ein behindertengerechtes Neben- und Miteinander für Fußgänger, Radler, Anwohner, Hotel-Gästen, ÖPNV, Taxis, Zulieferer & Entsorgung sowie Rettungs- und Sicherheitsdienste.
 
Die 2. zu erwartende wichtige Frage wird sicher die sein nach der Finanzierbarkeit dieses Projektes. Hierzu ergeben sich aus unserer Sicht zwei unterschiedliche Wege:

  1. Die Baumaßnahmen werden nachträglich durch politische Bemühungen als Maßnahme in den vordringlichen Bedarf (VB) im Rahmen des Bundesverkehrswegeplanes 2030 (BVWP) aufgenommen! Baustart unklar und eher in weiter Ferne! Bund aber dann mit im Finanzierungsboot aus diesem BVWP-Topf.
  2. Die Baumaßnahmen werden als Kreuzungsänderung einer Bundesstraße eingeordnet. Dies ist sehr wahrscheinlich auch so zu erwarten! Der Vorteil dieses Weges ist, dass solche Maßnahmen nicht den langen Weg über den BVWP benötigen! Der Baubeginn könnte deutlich früher starten. Die Kosten müssen über alle denkbaren und möglichen Fördermöglichkeiten der unterschiedlichen Ebenen (Bund (nur nicht über BVWP), Land, Bezirk, Landkreis und Stadt) gedeckt werden. Ein durchaus aufwendiger aber wahrscheinlich auch deutlich schneller realisierbarer Weg! Unsere 1. Präferenz

 
Aber an dieser Darstellung kann man erkennen, dass auch dieses Thema sehr komplex ist und viel Sachverstand und Unterstützung benötigt! Bedeutsam ist hierbei aber v.a. Eines: Füssen hat eine Jahrzehnte lange Erfahrung durch die kontroverse Diskussion mit der Nachbargemeinde Schwangau! Und diese Erfahrung hat uns gelehrt, dass „nix“ geht, wenn man sich in der Politik und in der Bevölkerung nicht mit klarer Mehrheit einig ist.

Die vorgeschlagene Idee ist im Unterschied zu voran gegangenen Diskussionen nun eine primär von Füssener Bürgern zu entscheidende Idee, selbst wenn wir überzeugt sind, dass sie im Benehmen mit den Nachbargemeinden umgesetzt werden sollte. Unterstützung bei der Umsetzung wurde im Vorfeld unter Hinweis auf die erforderliche Bürgerakzeptanz schon von der Politik zugesichert. Ein wichtiges politisches Signal. Wenn also Einigkeit in Bezug auf dieses Projekt als Masterplan für Füssens Stadtentwicklung in der Politik und bei den Bürgern besteht, wird es nach unserer Einschätzung gelingen, dieses Projekt ohne eine unverantwortliche Überschuldung der Stadt finanziert zu bekommen.
 
Die Ideenwerkstatt glaubt, dass die Menschen in Füssen, die Perspektiven und Chancen der Idee erkennen können und so die Ideenwerkstatt hierfür bei den Bürgern und der der Politik um breite und öffentliche Unterstützung.

Die Überlegungen werden durch einen Vertreter der Ideenwerkstatt in der gebotenen kompakten Art nochmals vorgestellt; anschließend soll der Stadtrat darüber beraten und das weitere Vorgehen beschließen.

Da die Stadt Füssen der Schauplatz vieler Aufgabenstellungen ist, werden sowohl an die Stadtverwaltung wie auch an deren Tochterunternehmen Füssen Tourismus und Marketing AöR  die verschiedensten Projekte herangetragen, für die Füssen ein idealer Show Case sein kann. Dies deckt sich mit der Bereitschaft und dem Willen Füssens, innovative, nachhaltige, gut vernetzte… in einem Wort: smarte Lösungen zu finden. Eine wesentliche Herausforderung besteht darin, den Überblick nicht zu verlieren, verschiedene Handlungsstränge zu verknüpfen, zu synchronisieren und zu koordinieren. Allein für Füssen wurden die folgenden Projekte und Konzepte relevant, die parallel nebeneinander bzw. sich ergänzend verfolgt werden:
 
       Nahverkehrsstudie Bayern für den ÖPNV (Träger: Landkreise)
       Mobilitäts- und Buskonzept Füssen (gemeinsam mit Schwangau)
       Smart City Füssen & Schwangau
       Mobilitätskonzept Ostallgäu (Masterplan Mobilitätskonzept Süd)
       Modellregion Mobilität auf Allgäu-Ebene
       Aktivitäten des Bayerischen Zentrums für Tourismus und des Wissenstransferzentrums
 
Hinzu kommt noch das ganz aktuelle Bundesprojekt AIR, in das FTM „hineingerutscht“ ist, das sich aber für Füssen und das Allgäu als sehr erfolgversprechend erweisen könnte: KI-basierte Besucherlenkung. Da wir uns mit FTM AöR einig waren, dass Füssen bzw. das Allgäu dabei sein möchten, galt es, eine Aufgabenstellung zu priorisieren und einzubringen (z.B. digitale Parkraumbewirtschaftung). Gleichzeitig können die Lösungen in der Regel nicht lokal, sondern müssen regional verankert sein. Mit Herrn Professor Bauer von der Hochschule Kempten haben wir früh bereits den Abstimmungsbedarf thematisiert.

Zu guter Letzt:
Auch das in Kürze seine Arbeit in Füssen aufnehmende Wissenstransferzentrum der Hochschule Kempten wird einen ganz wesentlichen Beitrag für die anstehenden Projekte leisten können, ganz abgesehen davon, dass auch hierfür bereitgestellte Mittel zumindest teilweise entsprechend umgeleitet werden sollten.

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Beschlussvorschlag

Der Stadtrat der Stadt Füssen begrüßt die mit der Idee der „Verbundenen Stadt“ verfolgten Ziele der Schaffung zusätzlicher Freiräume, Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie der Erhöhung der Aufenthaltsqualität einschl. der damit erwarteten Verkehrsentlastung und beauftragt die Verwaltung, die technische Machbarkeit einer Untertunnelung mit Anbindung der Zu- und Abfahrtsstraßen einschl. der finanziellen Auswirkungen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie vorab prüfen zu lassen.

Im Vorgriff auf dieses frühestens mittelfristig realisierbare Projekt wird die Verwaltung gleichzeitig beauftragt, gemeinsam mit dem Landkreis Ostallgäu und dem Regionalverkehr Allgäu GmbH (RVA) die Einführung eines Shuttle-Bus-/Stadtbus-Service auf den stark frequentierten Strecken auch durch Schaffung zusätzlicher Anreize (z.B. in der Form der kostenpflichtigen Parkraumbewirtschaftung, Rabatt-Aktionen bzw. Gutschein-Aktionen o.ä.) zunächst und nach Möglichkeit schon zur kommenden Hauptsaison testweise zu prüfen.

 

Diskussionsverlauf

Erich Nieberle befürchtet, dass keine Reduzierung des Verkehrs erzielt werde. Außerdem fehlen ihm derzeit die zu- und Abfahrten.

Dr. Martin Baier antwortet, dass sich der Verkehr nicht ändern lasse. Allerdings glaube er nicht, dass es unterirdisch viel Stau geben werde. Eine intelligente Ampellösung, evtl. ein Kreisverkehr werden dies verhindern. Außerdem gebe es keine Mehrfachnutzung der Straße. Er weist außerdem darauf hin, dass Meran derzeit die Stadt untertunnle. Für Zu- und Abfahrten müsse ein ingenieurtechnische Verkehrsplanung beauftragt werden.

Julius Hofmann ergänzt, dass zu- und Abfahrten der Tunnel in Telfs angesehen besichtigt werden. Dort könne man schön sehen, wie diese Problemstellung gelöst werden könne. Ähnlich gelte es auch für Füssen.

Parkplätze vor den Tunnelzufahrten könnten die Morisse oder das Krankenhaus sein. Lediglich von Norden her sei es vielleicht schwieriger.

Magnus Peresson fragt, wie mit der Statik der Häuser, der Infrastruktur, den Bäumen und dem Regenwasserkanal verfahren werde. Dies müsse unbedingt bedacht werden. Es seien vier Fahrspuren notwendig.

Dies müsse eine Machbarkeitsstudie zeigen, so der Vorsitzende.

Wolfgang Bader erklärt, dass es sich um eine mittel- bis langfristige Lösung handle. Er vermisse den ÖPNV. Wie soll der Verkehr aus der Stadt gehalten werden, bzw. auch aus dem Tunnel gehalten werde.

Christine Fröhlich findet die Diskussion jetzt kontraproduktiv. Man solle die Idee nicht zerreden, bevor sie überhaupt näher untersucht werden konnte.

Bezüglich der Parkplätze erklärt Bürgermeister Maximilian Eichstetter, einen Shuttleservice vom Achmühlparkplatz auszuprobieren, der vielleicht auch bis Hohenschwangau fahre.

Außerdem soll ein Nachtbus nach Hopfen, Hopferau, Weißensee und Füssen getestet werden. Auch in Hopfen könnte ein Parkplatz eingerichtet werden. Dann könnte ein Shuttleservice nach Füssen oder Ho’gau funktionieren.  

Beschluss

Der Stadtrat der Stadt Füssen begrüßt die mit der Idee der „Verbundenen Stadt“ verfolgten Ziele der Schaffung zusätzlicher Freiräume, Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie der Erhöhung der Aufenthaltsqualität einschl. der damit erwarteten Verkehrsentlastung und beauftragt die Verwaltung, die technische Machbarkeit einer Untertunnelung mit Anbindung der Zu- und Abfahrtsstraßen einschl. der finanziellen Auswirkungen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie vorab prüfen zu lassen.

Im Vorgriff auf dieses frühestens mittelfristig realisierbare Projekt wird die Verwaltung gleichzeitig beauftragt, gemeinsam mit dem Landkreis Ostallgäu und dem Regionalverkehr Allgäu GmbH (RVA) die Einführung eines Shuttle-Bus-/Stadtbus-Service auf den stark frequentierten Strecken auch durch Schaffung zusätzlicher Anreize (z.B. in der Form der kostenpflichtigen Parkraumbewirtschaftung, Rabatt-Aktionen bzw. Gutschein-Aktionen o.ä.) zunächst und nach Möglichkeit schon zur kommenden Hauptsaison testweise zu prüfen.

 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 23, Dagegen: 0

Datenstand vom 23.09.2020 09:02 Uhr