Bebauungsplan W 40 - Kemptener Straße zur An- bzw. Umsiedlung verschiedener Handelsmärkte; Vorstellung (Vor-)/Entwurf; Billigung und Einleitung Beteiligung der Öffentlichkeit, Behörden und sonstige Träger öffentlicher Belange


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Stadtrates, 23.02.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat Sitzung des Stadtrates 23.02.2021 ö beschliessend 4

Sachverhalt

Seit 1984 ist die Fa. NORMA mit einem Lebensmitteldiscountmarkt an der Kemptener Straße in Füssen ansässig. Die Verkaufsfläche beträgt derzeit 372 qm - eine Fläche, die in keiner Weise einem modernen Lebensmittelmarkt entspricht und deshalb lt. Unternehmen seit Jahren nicht mehr kundenorientiert betrieben werden kann. Nach vorliegender Mitteilung erreichen den Betreiber immer wieder Beschwerden von Kunden, dass der Markt aufgrund seiner geringen Verkaufs- und Lagerfläche unaufgeräumt und unattraktiv wirkt.

Der Markt befindet sich zudem in einem Gebäude, das in städtebaulicher Hinsicht eine negative Wirkung auf das Orts- und Straßenbild vermittelt. Eine Neuordnung wäre dahingehend wünschenswert.

Entsprechende Verhandlungen über eine Verlagerung auf das südlich gegenüberliegende Areal laufen schon seit längerer Zeit. 2020 wurde nun nach einer Reihe von Voruntersuchungen die konkrete Anfrage dazu eingereicht. Mit der Verlagerung soll eine den heutigen Ansprüchen genügende Größe und Gestaltung erreicht bzw. verbunden werden. Das Areal weist eine relativ große Tiefe auf, die eine gesamtheitliche Entwicklung notwendig macht. Wie sich in der Vergangenheit bereits gezeigt hat wäre sonst der Bau einer öffentlichen Straße in das Areal zur Erschließung erforderlich.

So wurde ein Konzept vorgelegt, das eine Verbindung mit weiteren Märkten vorsieht. Durch die Lage am Rand des Gebietes, das durch Wohnnutzung geprägt ist, stellt das Projekt zumindest in einem relevanten Teil einen Beitrag zur Nahversorgung dar.

Auszug aus der Vorhabensbeschreibung:

„Geplant sind die Errichtung von zwei räumlich getrennten erdgeschossigen Gebäuden mit Flach‐ oder Pultdachausführung im Süden und Westen des Grundstücksareals sowie eine gemeinschaftlich genutzte erdgeschossige Parkplatzanlage mit ca. 142 Stellplätzen (davon 4 Behinderten‐ und 5 Eltern‐Stellplätze). Die Zu‐ und Abfahrt zum Nahversorgungsstandort erfolgt über die Kemptener Straße.
In den vorgesehenen Gebäuden sind jeweils zwei Ladeneinheiten, also gesamt vier Mieteinheiten geplant. Das im Süden des Grundstücks angeordnete Gebäude ist für einen Lebensmittel‐ Discounter nach aktueller Planung „Norma“, mit ca. 1.200 m² Verkaufsfläche und für einen Anbieter im Segment „Tiernahrung/ Tierbedarf“ mit ca. 650 m² Verkaufsfläche vorgesehen. Das westliche Gebäude ist für einen Bio‐Lebensmittelmarkt mit ca. 650 m² Verkaufsfläche und einen Getränkemarkt mit ca. 700 m² Verkaufsfläche angedacht. Gesamt sieht die aktuelle Planung eine Verkaufsfläche von ca. 3.200 m² vor.“

Die Verträglichkeit der Handelsnutzung wurde gutachterlich untersucht und bestätigt. Das Ergebnis wurde vorab bereits mit der Regierung von Schwaben erörtert und dem Grunde nach als tragfähig erachtet. Das Gutachten behandelt auch die Kombinationswirkung im Bezug auf den Stellplatznachweis.

Desweiteren wurde eine Verkehrsuntersuchung in Auftrag gegeben. Nach derzeitigem Stand ist als Maßnahme zur Verbesserung die Einrichtung einer Fußgängerquerung vorgesehen, die voraussichtlich als Bedarfsampel gelöst werden soll.

Insgesamt ist eine Entwicklung über eine Bebauungsplanung geboten (Vorentwurf und gutachterliche Untersuchungen siehe Anlagen im Ratsinformationssystem). Aufgrund des unmittelbaren Vorhabensbezuges erfolgt dies in Abstimmung mit dem Projektentwickler in Verbindung mit einem städtebaulichen Vertrag. Wie in solchen Fällen üblich sind danach sämtliche projektbezogenen Kosten vom Vorhabenträger zu übernehmen.

Aufgrund von Vorberatungen wurde untersucht, ob hier zusätzlich eine Wohnnutzung unterzubringen ist. Als Ergebnis wird antragstellerseitig folgendes vorgetragen:

a) Variante mit wohnwirtschaftlicher Obergeschossnutzung
Bereits im August 2019 wurde ein Variante erstellt, bei welcher versucht wurde, eine wohnwirtschaftliche Nutzung in Obergeschossen in das Konzept zu integrieren. Nachdem die ebenerdig geplanten Stellplätze für den Handel benötigt werden, war hierfür eine Tiefgarage vorgesehen. Diese Variante wurde schon damals aus folgenden Gründen nicht weiterverfolgt:
  • bzgl. der Problematik Schallschutz sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
    • das Areal ist komplett von Gewerbegebieten mit teilweise auch lärmintensiveren Bestandsnutzungen umgeben. Dies führt einerseits zu Belästigungen der neuen Bewohner, andererseits aber auch zu erwartbaren Einsprüchen der umliegenden Betriebe, wenn deren Möglichkeiten, ihren Tätigkeiten nachzugehen wie sie bisher im genehmigten Gewerbegebiet möglich waren, durch den Schutz der dann neuen benachbarten Wohnungen eingeschränkt werden.
    • weiterer Lärm wirkt auf das Grundstück von der Kemptener Str. ein – täglich ca. 10.600 KFZ;
    • durch den Handel entsteht zusätzlicher Lärm/Immissionen: Anliefer- und Parkverkehr, Abladevorgänge, Einkaufswägen, Gespräche auf dem Parkplatz, etc.;
    • durch die Summe der Immissionen würden, um die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten, diverse Schallschutzmaßnahmen notwendig, z.B. schalldämmende Bauteile, Loggien bzw. Vorbauten vor Aufenthalts-/Schlafräumen oder sog. „Grundrissorientierungen“. Das ist gerade für kleine Wohnungen eher schwierig, da technisch aufwändig oder nur zu hohen Kosten realisierbar;
  • aus der Schallproblematik, der Bequemlichkeit mancher Bewohner bzgl. der Nutzung ebenerdiger Parkplätze und weiteren Aspekten heraus sind Konflikte zwischen den Wohnungsinhabern und den Betreibern der Einzelhandelsgeschäfte absehbar.

b) „Betriebsleiterwohnungen“
In Gewerbegebieten sind nach der BauNVO regelmäßig keine Wohnungen zulässig. Eine Ausnahme gilt für sog. „Betriebsleiterwohnungen“ (§ 8 Abs. III Nr. 1 BauNVO). Die Voraussetzungen für die Schaffung dieser Spezialwohnungen werden bei diesem Projekt allerdings nicht als gegeben angesehen. Solche Wohnungen dürften eben nur von den Leitern der ansässigen Betriebe bewohnt werden – es muss also eine personelle Beziehung des Nutzers der Wohnung zum Betrieb bestehen. Dies ist bei den geplanten Handelsbauten regelmäßig nicht der Fall. Selbst wenn Gewerbetreibende auf dem Grundstück wohnen wollten, dürften die Wohnungen lt. Gesetz nur - gegenüber dem Gewerbebetrieb selbst - in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sein. D.h., dass die Wohnungen nur einen Bruchteil der Fläche der Gewerbebetriebe haben dürften. Zur Schaffung von Wohnraum ist diese Ausnahmeregel somit nicht geeignet.

In einer Rücksprache am 03.12.2020 wurden die Bedenken seitens des Landratsamtes Ostallgäu geteilt:
  • Lage inmitten eines Bereiches der von gewerblichen Nutzungen geprägt ist.
  • Problem des Schallschutzes
  • Problem, eine korrekte Gebietsart festzusetzen:
    - Mischgebiet scheidet wegen der Großflächigkeit der Handelsnutzung mit
      zentrenrelevanten Sortimenten aus;
    - Gewerbegebiet dto. und dort keine uneingeschränkte Wohnnutzung möglich (s. o.).
    - Urbanes Gebiet: Im Hinblick auf die großflächigen Handelsbetriebsformen nicht gegeben;
       eine andere Struktur der Betriebsarten und –größen wäre notwendig;
    - Sondergebiet: an der Stelle mit Wohnnutzung nicht vertretbar.

In der Sitzung am 15.12.2020 wurde über das Projekt beraten. Bedenken wurden vorgetragen hinsichtlich des Flächenverbrauchs der Parkplätze. Das Landesplanungsgesetz schreibe eine Halbierung der Flächen vor. Besser wäre die Errichtung eines Parkhauses bzw. einer Tiefgarage. Dem war die fehlende Akzeptanz der Mieter entgegenzuhalten. Geschäfte werden nur eingeschränkt aufgesucht, wenn die Kunden nicht direkt dort parken können. Der Einwand bezog sich auch auf neuere Märkte in der Umgebung, bei denen dies ebenfalls nicht gefordert wurde.

Eine Entscheidung wurde vertagt, um mit den Mietern über die Ausgestaltung der Parkplätze erneut verhandeln zu können. Ergebnis: Die Fa. NORMA als Ankermieter lehnt eine solche Lösung ab. Seitens der Kunden liege an einer solchen Stelle keine ausreichende Akzeptanz vor. Bei dem erst in der jüngeren Vergangenheit genehmigten Lidl-Markt in der Nähe sei eine solche Lösung ebenfalls nicht gefordert worden. Bei dem aktuellen Projekt würde dies zu einem entscheidenden Wettbewerbsnachteil führen und sei mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar.  

Beschlussvorschlag

Der Stadtrat beschließt, dem vorgelegten baulichen Konzept grundsätzlich zuzustimmen. Der vorgelegte Vorentwurf des Bebauungsplanes wird gebilligt und die Verwaltung beauftragt, die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit durch Auslegung der Unterlagen über den Zeitraum eines Monats durchzuführen und gleichzeitig dazu die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange frühzeitig zu beteiligen.

Diskussionsverlauf

Aus dem Gremium wurde angeregt, den Tagesordnungspunkt zu vertagen, um festzustellen, ob die Eingeschoßigkeit weg zu bringen ist. Die Vorlage dazu sei sehr dünn gewesen. Hier könnte ein urbanes Gebiet entstehen. Es müsse  umgedacht werden, um etwas nachhaltiges zu schaffen. Zu beachten sei eine zusätzliche Verkaufsfläche von 3.200 m2 . Der V-Markt hat 2.500 m2. Das Einzelhandelsgutachten sei vom Bauwerber in Auftrag gegeben worden, nicht durch die Stadt Füssen. Auch die ausgerechneten Stellplätze erscheinen sehr viel. Eine Größe von 20 qm pro Stellplatz sei sehr groß.

Weiter wird von einem eventuellen Schnellschuss gewarnt. Wohnnutzung sei wichtig, ebenso aber auch Gewerbeansiedlung. Eventuell könnten hier hochwertigere Geschäfte untergebracht werden. Zwei Jahre lang wurde hier etwas entwickelt. Vielleicht könnten exklusivere Geschäfte gefunden werden.

Weiterhin wurde angeregt, nun endlich damit zu beginnen, dem Flächenverbrauch gegen zu steuern. Natürlich müsse berücksichtigt werden, dass die Kosten für ein Parkhaus oder eine Tiefgarage entsprechend refinanziert werden müssen. Ob und inwieweit dies von den künftigen Nutzern finanzierbar sei, müsse der Vorhabenträger prüfen.  

Armin Angeringer wies auf die Einschätzung des Landratsamts hin. Danach könne an diesem Standort kein Mischgebiet bzw. ein Urbanes Gebiet dargestellt werden. Den Vergleich zum V-Baumarkt stellte er richtig.

Christoph Weisenbach stellt nach weiterer kurzer Beratung den Antrag zur Geschäftsordnung auf  sofortige Abstimmung.

Beschluss

Der Stadtrat beschließt, dem vorgelegten baulichen Konzept grundsätzlich zuzustimmen. Der vorgelegte Vorentwurf des Bebauungsplanes wird gebilligt und die Verwaltung beauftragt, die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit durch Auslegung der Unterlagen über den Zeitraum eines Monats durchzuführen und gleichzeitig dazu die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange frühzeitig zu beteiligen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 19, Dagegen: 5

Datenstand vom 19.03.2021 09:41 Uhr