Bürgerbegehren auf Durchführung eines Bürgerentscheids (Art. 18a GO) mit der Fragestellung "Sind Sie dafür, dass die 19. Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Gerolsbach aufgehoben wird?"; Beschlussfassung über die Zulässigkeit


Daten angezeigt aus Sitzung:  8. Sitzung des Gemeinderates, 20.08.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Gerolsbach) 8. Sitzung des Gemeinderates 20.08.2019 ö 2

Sachverhalt

Eingangs muss erwähnt werden, dass die Aussagen von Herrn Breyer im Zeitungsartikel vom 02.08.2019 „Ein Blick in die Gemeindeordnung würde für Aufklärung sorgen“ (SOB-Zeitung), nicht korrekt sind. In der besagten, Gemeinderatssitzung war Herr Breyer nicht anwesend. In dieser wurde nämlich erklärt, dass eine Unterschriftenabgabe eines Bürgerbegehrens keine Sperrwirkung auslöst, eine Sperrwirkung nach Feststellung der Rechtmäßigkeit eines Bürgerbegehrens ist unumstritten.
Eine weitere Aussage in der von „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ gesprochen wird, muss auf`s schärfste zurück gewiesen werden. Hr. Breyer sollte diesbezüglich seine Wortwahl überdenken!

Anmerkung: Erster Bürgermeister Martin Seitz wird aufgrund Art. 49 GO von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen.

  1. Einreichung eines Antrags auf Bürgerentscheids (Bürgerbegehrens) mit folgendem Inhalt:

Am 24.07.2019 reichte Herr Stefan Breyer (Vertreter der Unterzeichneten) einen Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids (Bürgerbegehren) mit der Fragestellung:
„Sind Sie dafür, dass die 19. Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Gerolsbach aufgehoben wird.“
ein.
Auf den insgesamt abgegebenen 17 Unterschriftenlisten sind 350 Eintragungen für die vorgenannte Fragestellung zu finden. Im Anschluss an die Fragestellung ist auf der ersten Seite folgende Begründung abgedruckt:
  1. Stopp der Zerstörung des Dorfkerns und der anliegenden Natur
  2. Keine weitere Belastung der Bürger durch Lärm und Schwerlastverkehr, keine Gewerbegebiete inmitten unserer Dörfer
  3. Für den Erhalt eines lebenswerten Dorfumfelds, sodass auch in Zukunft Familien ihr Lebensglück bei uns finden können und nicht wegziehen müssen.

  1. Grundsätzliches zur Zulässigkeitsprüfung bzw. -voraussetzungen:
Nach Art. 18 a Abs. 8 Satz 1 GO entscheidet der Gemeinderat unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung des Bürgerbegehrens über dessen Zulässigkeit.
Ein Bürgerbegehren ist zulässig, wenn die mit ihm verlangte Maßnahme zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinde gehört, die Angelegenheit nicht unter den Ausschlusskatalog des Art. 18a Abs. 3 GO fällt, die Unterschriftenlisten den formellen Anforderungen entsprechen, die erforderliche Unterschriftenzahl erreicht worden ist und die Fragestellung in materiellrechtlich zulässiger Weise den Bürgerinnen und Bürgern zu Abstimmung unterbreitet werden kann.

  1. Eigener Wirkungskreis - Art. 18a Abs. 1 GO:
Darunter sind solche Angelegenheiten zu verstehen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben und die eine Gemeinde im Rahmen ihres durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV garantierten Selbstverwaltungsrechts nach eigenen Ermessen (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 GO) frei von Zweckmäßigkeitserwägungen anderer Verwaltungsträger und damit selbstständig und eigenverantwortlich regeln kann. Zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinde gehört ferner die Bauleitplanung.

  1. Ausschlusskatalog – Art. 18a Abs. 3 GO
Die aufgeführte Fragestellung beinhaltet keine im „Negativkatalog“ stehende  Gegenstände (Art. 18a Abs. 3 GO).

  1. Gemeindebürger / Unterschriftenzahl - Art. 15 Abs. 2 GO // Art. 18a Abs. 6 GO
Gemeindebürger sind diejenigen Gemeindeangehörigen, die in Ihrer Gemeinde das Recht besitzen, an den Gemeindewahlen teilzunehmen. Zum Zeitpunkt der Abgabe des Antrags auf Durchführung eines Bürgerentscheids am 24.07.2019 gab es in Gerolsbach 2.850 Gemeindebürger.

In der Gemeindeverwaltung wurden 17 Seiten abgegeben. Auf diesen Seiten sind 350 Eintragungen (Unterschriften) aufgeführt. Die Unterschriften sind nur gültig, wenn die Unterzeichner identifizierbar und am Tag der Einreichung des Bürgerbegehrens Gemeindebürger sind. Nach Durchsicht der Unterschriftslisten erfolgen 33 Streichungen (13 nicht lesbar, 2 Nebenwohnungen, 7 unkorrekte/falsche Adressangaben, 7 keine Gemeindebürger [davon 3 keine Deutschen/EU-Bürger, 3 kürzlich gemeldet, 1 unter 18 Jahre], 3 keine Zuordnung möglich [nur Angabe des Nachnamen], 1 doppelter Eintrag). Somit liegen 317 gültige Unterschriften vor, das benötigte Zulassungsquorum von 285 Unterschriften wurde erreicht.  

  1. Formerfordernisse – Art. 18a Abs. 4 GO

Zum Gegenstand des Bürgerbegehrens gehören neben dem Antrag und die Fragestellung, auch die Begründung und die Benennung der Vertreterinnen oder Vertreter. Auf alle vier Elemente muss sich der Wille der Unterzeichnenden nachweislich beziehen.
Nicht ausreichend wäre demgegenüber die bloße von Einlageblättern oder die hintereinander Klammerung loser Listen, sofern dort nicht auf jedem Blatt neben den Unterschriften auch der Antrag, die Fragestellung, die Begründung und die bis zu drei Vertreter bezeichnet sind. Sinn und Zweck dieses Formerfordernisses ist, Streitigkeiten und Beweiserhebungen darüber, was bei der Unterschriftensammlung gesprochen wurde und wie die Unterschriften eingeholt wurden, weitestgehend zu vermeiden. Denn grundsätzlich muss gewährleistet sein, dass ein Unterzeichner zur Kenntnis nehmen kann, was er auf der Unterschriftenliste unterschreibt.
Die abgegebenen Listen sind lose Blätter die auf ein Klemmbrett geklammert wurden. Auf dem ersten Blatt ist der oben aufgeführte Inhalt eingetragen. Auf den Folgeseiten sind der Antrag und die Fragestellung zu finden. Die Begründung und die vertretungsberechtigten Personen sind nicht aufgeführt. Es erscheint nur ein Hinweis.

Beim eingereichten Antrag auf Bürgerentscheid ist der zwingende inhaltliche Zusammenhang zwischen den Unterschriften einerseits und dem Antrag, der Fragestellung, der Begründung und der Vertreterbenennung andererseits nicht hinreichend gegeben. Denn die lose Blattsammlung auf ein Klemmbrett geheftet schafft nicht hinnehmbare Streitigkeiten darüber, ob sich der Wille der Unterzeichner des Bürgerbegehrens auf alle vier geforderten Elemente/Angaben bezieht. Gemessen daran ist bei den vorliegenden Unterschriftenlisten – völlig ungeachtet der Frage, ob ein konkreter Verdacht auf Manipulation besteht – nicht gewährleistet, dass die Blätter bereits bei der Sammlung der Unterschriften verbunden. Somit steht nicht unumstößlich fest, dass die Personen, die ihre Unterschrift auf Seite 2 bis 17 der Liste geleistet haben, auch die Angaben auf Blatt 1 (Begründung, Namen der Vertreter) lesen und zur Kenntnis nehmen konnten, denn es bestand kein hinreichender stofflicher Zusammenhang zwischen den folgenden Blättern und der auf Blatt 1 enthaltenen Begründung sowie der Nennung der Vertreter. Inhalt und Form der eingereichten Unterschriftenlisten genügen damit nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Der vorgelegte Antrag auf Bürgerentscheid ist, aufgrund der Nichteinhaltung der geschilderten formellen Anforderungen (Art. 18a Abs. 4 GO) unzulässig.

  1. Materielle Zulässigkeit

Eine abschließende materielle Frage in einem Bauleitplanverfahren, wie hier die Aufhebung eines Flächennutzungsplans, kann nicht Gegenstand eines Bürgerentscheids sein, da die Aufhebung eines Bauleitplans (ebenso wie die Aufstellung) eine komplexe planerische Abwägungsentscheidung darstellt, die keiner Beantwortung mit „Ja“ oder „Nein“ zugänglich ist. Aus den zentralen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen hierzu ergibt sich zwar, dass eine Auslegung wohlwollender Tendenz im Einzelfall dazu führen kann, dass die Frage dergestalt ausgelegt werden kann, ob die Einleitung eines Aufhebungsverfahrens durch Gemeinderatsbeschluss durchgeführt werden soll. Genau diese Auslegung verbietet sich aber in diesem aktuellen Verfahren, in welcher die Genehmigung des LRA noch gar nicht eingeholt und auch noch keine Bekanntgabe vorliegt wegen rechtlicher Unmöglichkeit.

Eine Beschlussfassung über die Aufhebung der 19. Flächennutzungsplanänderung (FlNP-Änderung) im Gemeinderat ist derzeit nicht möglich, da die 19. FlNP-Änderung noch nicht in Kraft ist. Es wurde lediglich der Feststellungsbeschluss am 24.06.2019 gefasst. Die Unterlagen sollen alsbald zur Genehmigung im Landratsamt Pfaffenhofen vorgelegt werden. Somit liegt eine objektive Unmöglichkeit vor einen erfolgreichen Bürgerentscheid zu vollziehen (Eine Aufhebung der 19. Flächennutzungsplanänderung ist derzeit nicht möglich).

Auch aufgrund dieser materiellen Tatsachen ist der eingereichte Antrag auf Bürgerentscheid unzulässig.

f)        Begründung – Art. 18a Abs. 4 GO
Da bereits mit der Unterzeichnung eines Bürgerbegehrens das Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt in Gestalt der Abstimmungsfreiheit (Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 BV) ausgeübt wird, ergeben sich aus der Bayerischen Verfassung auch Mindestanforderungen an die Richtigkeit der Begründung. Die Bürger können nur dann sachgerecht über die Unterstützung eines Bürgerbegehrens entscheiden und von ihrem Eintragungsrecht Gebrauch machen, wenn sie nicht durch den vorgelegten Begründungstext in wesentlichen Punkten in die Irre geführt werden. Es ist daher mit dem Sinn und Zweck einer Abstimmung auch auf kommunaler Ebene nicht vereinbar, wenn in der Begründung des Bürgerbegehrens in einer entscheidungsrelevanten Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder wenn die maßgebende Rechtslage unzutreffend bzw. unvollständig erläutert wird.

Wie bereits aufgeführt zielt die vom Antrag auf Bürgerentscheid angegriffene Bauleitplanung in Form einer Flächennutzungsplanänderung (19.) auf die Betriebserweiterung von zwei bereits seit Jahrzehnten verwurzelten Gewerbebetriebe an den Ortsrandlagen von Alberzell und Singenbach ab. Betrachtet man die Begründungen im Einzelnen.

  1. Stopp der Zerstörung des Dorfkerns und der anliegenden Natur“

Das Verfahren zur Flächennutzungsplanänderung bezieht sich nicht auf einen Dorfkern. Im Gegenteil man versucht die bestehenden Gewerbebetriebe weiter vom Ortskern weg entwickeln zu lassen.

  1. „Keine weitere Belastung der Bürger durch Lärm und Schwerlastverkehr, keine Gewerbegebiete inmitten unserer Dörfer“

Auch hier wird wieder suggeriert, dass in einen Dorfzentrum Gewerbeflächen überplant/ausgewiesen werden sollen. Dies ist wie oben erwähnt nicht der Fall.

  1.  „Für den Erhalt eines lebenswerten Dorfumfelds, sodass auch in Zukunft Familien ihr Lebensglück bei uns hier finden können und nicht wegziehen müssen.“ 

Zu einem lebenswerten Dorfumfeld gehört sowohl eine gute Wohnqualität, als auch eine gesunde Handwerker- und Gewerbestruktur vor Ort (Ziele des Landesentwicklungsplans LEP). Wenn ein Gewerbebetrieb am eigenen Standort investieren möchte (Erweiterung) entstehen i. d. R. neue Arbeitsplätze, hiervon profitieren natürlich die Gemeindebürger und die Kommune. Neben der Einnahme von Gewerbe- und Einkommenssteuern, profitieren oftmals auch die örtlichen Feuerwehren die auch über Tags besetzt sein müssen (Erreichung Einsatzstärke). Darüber hinaus kann durch eine gezielte Bauleitplanung eine vernünftige Co-Existenz zwischen Wohnen und Gewerbe geregelt werden.

Hier wurde eine Begründung aufgeführt, die die Unterzeichner objektiv in die Irre führen.
Aufgrund der irreführenden Begründung, liegt auch in diesem Hinblick eine Unzulässigkeit des eingereichten Bürgerbegehrens vor.
Übersicht festgestellte  19. Flächennutzungsplanänderung

Beschluss

Der eingereichte Antrag auf Bürgerentscheid ist, wie oben aufgeführt, unzulässig. Ein Bürgerentscheid wird nicht durchgeführt.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 14, Dagegen: 1

Abstimmungsbemerkung
Anmerkung: GRM Stefan Maurer stimmte mit Nein. Anmerkung: BGM Seitz war von der Beratung und Abstimmung aufgrund Art. 49 GO ausgeschlossen.

Datenstand vom 24.10.2019 10:06 Uhr