Gemeinde Gauting; 43. Änderung des Flächennutzungsplans Gewerbegebietserweiterung östlich des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen sowie Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 14-1/UNTERBRUNN Gewerbegebietserweiterung östlich des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen; Beteiligung nach §§ 4 Abs. 1 und 3 Abs. 1 BauGB


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Haupt- und Bauausschusses, 17.09.2018

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Haupt- und Bauausschuss Sitzung des Haupt- und Bauausschusses 17.09.2018 ö beschließend 8

Sachverhalt

Derzeit liegt in der Gemeinde Gauting die 43. Änderung des Flächennutzungsplans Gewerbegebietserweiterung östlich des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen sowie Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 14-1/UNTERBRUNN Gewerbegebietserweiterung östlich des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen aus. Die Gemeinde Gilching wird im Verfahren beteiligt. Die Beteiligung erfolgt nach §§ 4 Abs. 1 und 3 Abs. 1 BauGB. Sämtliche Unterlagen können im Internet abgerufen werden unter 


Die Verwaltung weist darauf hin, dass durch die Beteiligung der Öffentlichkeit jedermann (nicht nur Gautinger BürgerInnen) die Möglichkeit hat, seine Einwendungen im Verfahren in Gauting vorzutragen.

Herr Rechtsanwalt Geislinger von der Kanzlei Seufert Rechtsanwälte, München hat in Zusammenarbeit mit der Verwaltung die im Beschlussvorschlag beigefügte Stellungnahme zu o.g. Bauleitplanverfahren erarbeitet. Herr Rechtsanwalt Geislinger wird in der Sitzung des Haupt- und Bauausschusses anwesend sein.

Finanzielle Auswirkungen

Gesamtkosten der Maßnahmen
Beschaffungs-/ Herstellungskosten
EUR
Jährliche Folgekosten/-lasten
EUR

Veranschlagung im Verwaltungshaushalt
 

im Vermögenshaushalt
 
im Haushaltsplan nicht veranschlagt
Haushaltsansatz

Haushaltsstelle


Deckungsvorschlag (Finanzierung):

Beschlussvorschlag

Die Gemeinde Gilching gibt im Verfahren der Gemeinde Gauting zur 43. Änderung des Flächennutzungsplans Gewerbegebietserweiterung östlich des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen sowie Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 14-1/UNTERBRUNN Gewerbegebietserweiterung östlich des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen innerhalb offener Frist in beiden Verfahren folgende Stellungnahme ab:
Auf der Grundlage der derzeit zur Verfügung stehenden Unterlagen ist die Bauleitplanung nicht ansatzweise beurteilungsfähig. Jedenfalls verletzt die Planung der Gemeinde Gauting das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB und zugleich das Gebot gerechter Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB).
Hierzu im Einzelnen:
1.        Die Gemeinde Gauting unterliegt bei ihrer Planung dem interkommunalen Abstimmungsgebot des §§ 2 Abs. 2 BauGB. Danach sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Die Abstimmungspflicht wird ausgelöst, wenn nachbargemeindliche Belange mehr als geringfügig betroffen sind. Der damit umrissene „einfache Abstimmungsbedarf“ wandelt sich in einen „qualifizierten Abstimmungsbedarf“ dann, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die Nachbargemeinde in Betracht kommen.
Solche Auswirkungen gewichtiger Art liegen aus folgenden Gründen nahe:

1.1        Die Erschließung des geplanten Gewerbegebiets soll ausschließlich über Gilchinger Flur und das Gewerbegebiet Gilching-Süd und über die dort vorhandenen Straßen in der Baulast der Gemeinde Gilching abgewickelt werden.
Sowohl das bestehende Straßennetz der Gemeinde Gilching als auch der Kreisverkehr die Staatsstraße 2069 sind für den erheblichen zusätzlichen Verkehr, den die Gemeinde Gauting durch ihre Ansiedlungsbemühungen auslöst, nicht ausgelegt. Die dazu vorgelegte gutachtliche Betrachtung des Büros Lang + Burkhardt vom 25. September 2017 bestätigt dies. 

Es kann offenbleiben, ob die das dort einfach angenommene „flächenspezifische Verkehrsaufkommen von 20 Kfz-Fahrten/1000 m² Bruttobauland und Tag“ zutrifft. Der dazu angebrachte Verweis auf ein „ähnliches flächenspezifisches Verkehrsaufkommen wie im GE Gilching-Süd“ ist schon deshalb unzulässig, weil gänzlich offen ist, welche Geschossflächen mit welchen Nutzungen im geplanten Gebiet künftig zugelassen werden sollen. Davon hängt aber das Kfz-Aufkommen maßgeblich ab.
Dem muss deshalb im jetzigen Stadium nicht näher nachgegangen werden, weil fest-steht, dass auch in diesem Fall das Verkehrsnetz auf dem Gebiet der Gemeinde Gilching für den insgesamt zu erwartenden zusätzlichen Verkehr nicht ausreicht. Es bleibt also der Gemeinde Gilching überlassen, die verkehrliche Situation zu bewältigen.

Schon darin zeigt sich, dass die von der Gemeinde Gauting unternommene Planung nicht ohne Zusammenarbeit mit der Gemeinde Gilching verwirklicht werden kann. Die Gemeinde Gauting ist auf die Erschließung über die Gemeinde Gilching angewiesen und greift insoweit unmittelbar in die Planungskompetenz der Gemeinde Gilching ein. 
Der von Gauting beauftragte Verkehrsplaner weist selbst auf die Erforderlichkeit um-fangreicher Umbau- und Ertüchtigungsmaßnahmen im Bereich Dornierstraße, Verkehrskreisel und ST 2069 hin.

1.2        Schon derzeit sieht sich die Gemeinde Gilching einem erheblichen Siedlungsdruck ausgesetzt. Die Folgen hiervon sind schwer steuerbare Nachverdichtungen in den Innenbereichslagen § 34 BauGB und eine kaum zu bewältigende Nachfrage nach Wohnraum. Schon derzeit kann Gilching den Siedlungsdruck kaum vernünftig bewältigen. Die permanente Nachverdichtung ehemals lockerer Baugebiete führt nicht nur dazu, dass die bestehende Straßeninfrastruktur schon derzeit häufig nicht mehr ausreicht. Gewichtiger ist der Umstand, dass auch die sonstige Infrastruktur mit dem nicht vollständig kontrollierbaren Wachstum nur schwer Schritt halten kann. Gleichzeitig sind die Baulandpreise in der Gemeinde sehr hoch und steigen weiter. 
Die aus diesen dysfunktionalen Entwicklungen resultierenden Folgelasten (z.B. für die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen etc.) sind schon heute erheblich.

Auf diese Situation treffen die Planungsabsichten der Gemeinde Gauting und verschärfen sie ein weiteres Mal. Es liegt nicht fern, dass ein nicht unwesentlicher Anteil der künftigen Beschäftigten in dem geplanten Gewerbegebiet seinen Wohnsitz in Gilching nehmen will, einfach weil die Verbindung nach Gilching sehr viel kürzer ist, als nach Gauting. Das ist Konsequenz des Umstandes, dass die Gemeinde Gauting die ehrgeizigen Ansiedlungspläne exakt an der Gemarkungsgrenze zu Gilching verwirklicht wissen will.
Eine Gewerbeansiedlung des geplanten Umfangs in unmittelbarer Nachbarschaft zu den weiteren, mobilisierungsfähigen und großflächigen Gewerbeflächen auf dem Flugplatzgelände wirft daher unweigerlich die Frage auf, welche siedlungsstrukturellen Auswirkungen die Planung hat. Das Gebot, das alle von einer Planung aufgeworfenen Konflikte bewältigt werden müssen, setzt voraus, dass solche, sich abzeichnende, oder sich – wie hier – aufdrängende Konflikte erst einmal ermittelt werden. Dazu findet sich in den bisherigen Überlegungen der Gemeinde Gauting nichts. Jedenfalls bislang werden die Lasten der Planung schlichtweg der Nachbargemeinde überlassen; die ist ja auch buchstäblich „näher dran“.

1.3         Vollkommen offen bleibt, in welcher Weise die Gemeinde Gauting den abwehrenden Brandschutz organisieren will. Aufgrund der Entfernung von 8 km zwischen der Gemeinde Gauting und dem geplanten Gewerbegebiet, das entspricht einer Fahrzeit von 11 Minuten, ist ein wirksamer abwehrender Brandschutz von Gauting aus nicht zu gewährleisten. In den Nachbarortschaften fehlt die feuerwehrtechnische Infrastruktur (Drehleiter). Die – wesentlich näher gelegene – Gilchinger Feuerwehr kann zusätzliche Aufgaben aus der Nachbargemeinde jedenfalls nicht im Standardfall wahrnehmen. Sie ist bereits derzeit ausgelastet.

1.4        Schließlich sind unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auch deshalb naheliegend, weil zwar ein „Leitbild“ der Planung entworfen wird, aber völlig unklar ist, inwieweit sich ein solches „Leitbild“ überhaupt umsetzen lässt. Nach diesem Leitbild sollen die zukünftigen Nutzer aus „Hightech- Branchen“ stammen. Vorrangig sollen Unternehmen aus innovativen Bereichen wie Luft- und Raumfahrt, Spezialmaschinen-bau, Robotics usw. stammen. Allerdings sollen außerdem noch Handwerksbetriebe, Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf, Einrichtungen der Gastronomie sowie der Kinderbetreuung entstehen.
Abgesehen davon, dass es planungsrechtlich schwerlich möglich ist, das Gebiet aus-schließlich auf „Hightech-Branchen“ zu fixieren, sollen ausdrücklich auch Einkaufs-möglichkeiten für den täglichen Bedarf, d. h. Einzelhandel, zugelassen werden. Da jegliche Angaben dazu fehlen, um welche Branchen es sich handeln soll und welche Flächen konkret dafür vorgesehen werden sollen, lassen sich auch Auswirkungen auf die Ortszentren der Gemeinde Gilching und Weßling nicht ansatzweise beurteilen. Sie sind nicht ausgeschlossen, sondern „kommen in Betracht“.

1.5        In rechtlicher Hinsicht verlangt das interkommunale Abstimmungsgebot einen Interessenausgleich zwischen den Gemeinden. Erforderlich ist eine materielle, d.h. inhaltliche Koordination der gemeindlichen Belange. Insbesondere darf die beabsichtigte städte-bauliche Entwicklung der planenden Gemeinde in ihren Auswirkungen nicht rücksichtslos für die Nachbarn sein. Solche Auswirkungen auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung in Gilching stehen hier aber in Rede. Ganz offenkundig werden gemeindeübergreifende städtebauliche Fragen des Verkehrs aufgeworfen, die einer inhaltlichen Abstimmung bedürfen. 

Es ist weiter anerkannt, dass sich eine Gemeinde im Bereich der Bauleitplanung gegenüber benachbarten Gemeinden rücksichtslos verhält, wenn sie im Übermaß Industrie- und Gewerbegebiete ausweist mit der Folge, dass die Wohnbedürfnisse in den benachbarten Gemeinden erfüllt werden müssen. Angesichts der Kumulation der Gewerbeflächen im fraglichen Gebiet und deren Lage an der Gemeindegrenze liegt das hier mehr als nahe. 

Die wesentlichen Auswirkungen der Planung sind noch nicht einmal ermittelt, sodass es derzeit schon an der Zusammenstellung des erforderlichen Abwägungsmaterials fehlt. Notwendig ist ein Strukturgutachten, das mit Blick auf die exponierte Lage und der Dimension der Planung sowie des zeitlichen Zusammenhangs mit der Mobilisierung der Gewerbeflächen im Sonderflughafen die Auswirkungen auf die Nachbargemeinden Gilching und Weßling umfassend ermitteln muss. Dabei wird auch zu beurteilen sein, ob eine Ausweisung von Gewerbe- und Industrieflächen in diesem Umfang südlich der Bundesautobahn A 96 regionalplanerisch grundsätzlich vertretbar ist.

Jedenfalls bislang sind die Planungsabsichten der Gemeinde Gauting aber weder in formeller noch - und erst recht nicht - in materieller Hinsicht mit der Gemeinde Gilching abgestimmt. Die Gemeinde Gauting plant im „Alleingang“.

2.        Jedenfalls derzeit ist das Planungsvorhaben der Gemeinde Gauting darüber hinaus mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Das Planungsgebiet mit einer Größe von ca. 75 ha liegt auch auf Flächen, die durch Verordnung des Landratsamtes München aus dem Jahr 1993 zu Bannwald („Forstenriederpark, Staatsforst Unterbrunn und umgebende Wälder“) bestimmt worden sind. Eine Realisierung der Planung vor Änderung der Bannwaldverordnung scheidet bereits aus Rechtsgründen aus.

Gleichzeitig liegt das Plangebiet (nach wie vor) im Bereich des regionalen Grünzugs Nr. 4 „Herrschinger Moos/Weßlinger See“ und innerhalb des Erholungsraums des Re-gionalplans Nr. 14 „Fünf- Seen-Land“.
Dazu teilte Gemeinde Gauting mit, dass insoweit – ebenso wie zur Bannwaldverordnung – ein Antrag auf Herausnahme des Gebietes aus dem regionalen Grünzug gestellt worden sei.
Ebenso bemüht sich die Gemeinde Gauting darum, die entgegenstehenden Verbote aus der Wasserschutzgebietsverordnung (Trinkwasserschutzgebiet „Unterbrunner Holz“ Nr. 22107933000060) aufgehoben wird.
Zudem liegt das beplante Gebiet im Landschaftsschutzgebiet.
Solange die betreffenden Rechtsverordnungen nicht rechtswirksam aufgehoben bzw. geändert sind, kann eine Bauleitplanung mit dem intendierten Inhalt nicht wirksam werden.

Allerdings zeigt sich in der Notwendigkeit der „Beseitigung“ gleich dreier Schutzgebietsverordnungen, dass der Standort verfehlt ist. Er unterliegt – wie gesagt - gegenwärtig einem dreifachen Schutz und dies aus gutem Grund. Freilich bemüht sich die Gemeinde Gauting darum, diesen Schutz auszuhebeln, weil er dem Planungsvorhaben entgegensteht. Damit wird aber der angestellte „Alternativenvergleich“ ad absurdum geführt. Bei unvoreingenommener Betrachtung des Standorts in seinem gegenwärtigen rechtlichen Zustand liegt es auf der Hand, dass er für das geplante Gewerbevorhaben ungeeignet ist. 
Tatsächlich spricht für ihn nichts, schon gar keine optimale Anbindung an die Gemeinde Gauting. Wenn es hier eine Anbindung gibt, dann besteht sie an die Gemeinde Gilching. Nur so lassen sich die Erwägungen der Gemeinde Gauting zur „idealen Anbindung auch im Hinblick auf das Verkehrsaufkommen“ verstehen. 

All dies zeigt, dass die Planung auch jenseits des interkommunalen Abstimmungsgebotes zum einen unvereinbar mit (noch bestehendem) höherrangigen Recht ist. Zum anderen lässt sich kaum ernsthaft von einer mangelfreien Alternativenprüfung sprechen. Dies zumal, da den Alternativstandorten sämtlich eine mangelnde Erschließung attestiert wird. 
Eine solche wird aber auch für das hiesige Plangebiet nur deshalb als ausreichend an-gesehen, weil man sich dazu auf die Gemeinde Gilching verlässt. Überdies sind selbst nach den eigenen Gutachten der Gemeinde Gauting umfangreiche Ertüchtigungsmaß-nahmen bei der straßenmäßigen Erschließung erforderlich. Ein Anschluss an die leistungsgebundenen Einrichtungen besteht derzeit nicht und ist lediglich als künftig möglich bezeichnet worden. Damit kann auch für das jetzige Plangebiet nicht wirklich von einer ausreichenden Erschließung die Rede sein. 

Die bestehenden Schutzregimes versucht die Gemeinde Gauting außerhalb der Bau-leitplanungsverfahren zu beseitigen. Werden sie stattdessen in die Abwägung eingestellt, so lässt sich eher nicht behaupten, dass der Standort geeignet ist.

3.        Jedenfalls auf der Grundlage der derzeit vorhandenen Unterlagen rechtfertigt sich die Feststellung, dass die Planungsbestrebungen der Gemeinde Gauting mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung unter Beachtung der sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen nicht in Einklang zu bringen sind.

Die Gemeinde Gilching lehnt die unternommene Bauleitplanung in der Gemeinde Gauting aus den vorstehenden Gründen ab; sie ist derzeit nicht spruchreif, weil es an wesentlichen Feststellungen zu den Auswirkungen der Planung fehlt. Jedenfalls mit der gegenwärtig verfolgten Zielsetzung erweisen sich die Planungsabsichten gegenüber der Gemeinde Gilching als rücksichtslos und verletzen daher das interkommunale Abstimmungsgebot.

Beschluss

Die Gemeinde Gilching gibt im Verfahren der Gemeinde Gauting zur 43. Änderung des Flächennutzungsplans Gewerbegebietserweiterung östlich des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen sowie Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 14-1/UNTERBRUNN Gewerbegebietserweiterung östlich des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen innerhalb offener Frist in beiden Verfahren folgende Stellungnahme ab:
Auf der Grundlage der derzeit zur Verfügung stehenden Unterlagen ist die Bauleitplanung nicht ansatzweise beurteilungsfähig. Jedenfalls verletzt die Planung der Gemeinde Gauting das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB und zugleich das Gebot gerechter Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB).
Hierzu im Einzelnen:
1.        Die Gemeinde Gauting unterliegt bei ihrer Planung dem interkommunalen Abstimmungsgebot des §§ 2 Abs. 2 BauGB. Danach sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Die Abstimmungspflicht wird ausgelöst, wenn nachbargemeindliche Belange mehr als geringfügig betroffen sind. Der damit umrissene „einfache Abstimmungsbedarf“ wandelt sich in einen „qualifizierten Abstimmungsbedarf“ dann, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die Nachbargemeinde in Betracht kommen.
Solche Auswirkungen gewichtiger Art liegen aus folgenden Gründen nahe:

1.1        Die Erschließung des geplanten Gewerbegebiets soll ausschließlich über Gilchinger Flur und das Gewerbegebiet Gilching-Süd und über die dort vorhandenen Straßen in der Baulast der Gemeinde Gilching abgewickelt werden.
Sowohl das bestehende Straßennetz der Gemeinde Gilching als auch der Kreisverkehr die Staatsstraße 2069 sind für den erheblichen zusätzlichen Verkehr, den die Gemeinde Gauting durch ihre Ansiedlungsbemühungen auslöst, nicht ausgelegt. Die dazu vorgelegte gutachtliche Betrachtung des Büros Lang + Burkhardt vom 25. September 2017 bestätigt dies. 

Es kann offenbleiben, ob die das dort einfach angenommene „flächenspezifische Verkehrsaufkommen von 20 Kfz-Fahrten/1000 m² Bruttobauland und Tag“ zutrifft. Der dazu angebrachte Verweis auf ein „ähnliches flächenspezifisches Verkehrsaufkommen wie im GE Gilching-Süd“ ist schon deshalb unzulässig, weil gänzlich offen ist, welche Geschossflächen mit welchen Nutzungen im geplanten Gebiet künftig zugelassen werden sollen. Davon hängt aber das Kfz-Aufkommen maßgeblich ab.
Dem muss deshalb im jetzigen Stadium nicht näher nachgegangen werden, weil fest-steht, dass auch in diesem Fall das Verkehrsnetz auf dem Gebiet der Gemeinde Gilching für den insgesamt zu erwartenden zusätzlichen Verkehr nicht ausreicht. Es bleibt also der Gemeinde Gilching überlassen, die verkehrliche Situation zu bewältigen.

Schon darin zeigt sich, dass die von der Gemeinde Gauting unternommene Planung nicht ohne Zusammenarbeit mit der Gemeinde Gilching verwirklicht werden kann. Die Gemeinde Gauting ist auf die Erschließung über die Gemeinde Gilching angewiesen und greift insoweit unmittelbar in die Planungskompetenz der Gemeinde Gilching ein. 
Der von Gauting beauftragte Verkehrsplaner weist selbst auf die Erforderlichkeit um-fangreicher Umbau- und Ertüchtigungsmaßnahmen im Bereich Dornierstraße, Verkehrskreisel und ST 2069 hin.

1.2        Schon derzeit sieht sich die Gemeinde Gilching einem erheblichen Siedlungsdruck ausgesetzt. Die Folgen hiervon sind schwer steuerbare Nachverdichtungen in den Innenbereichslagen § 34 BauGB und eine kaum zu bewältigende Nachfrage nach Wohnraum. Schon derzeit kann Gilching den Siedlungsdruck kaum vernünftig bewältigen. Die permanente Nachverdichtung ehemals lockerer Baugebiete führt nicht nur dazu, dass die bestehende Straßeninfrastruktur schon derzeit häufig nicht mehr ausreicht. Gewichtiger ist der Umstand, dass auch die sonstige Infrastruktur mit dem nicht vollständig kontrollierbaren Wachstum nur schwer Schritt halten kann. Gleichzeitig sind die Baulandpreise in der Gemeinde sehr hoch und steigen weiter. 
Die aus diesen dysfunktionalen Entwicklungen resultierenden Folgelasten (z.B. für die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen etc.) sind schon heute erheblich.

Auf diese Situation treffen die Planungsabsichten der Gemeinde Gauting und verschärfen sie ein weiteres Mal. Es liegt nicht fern, dass ein nicht unwesentlicher Anteil der künftigen Beschäftigten in dem geplanten Gewerbegebiet seinen Wohnsitz in Gilching nehmen will, einfach weil die Verbindung nach Gilching sehr viel kürzer ist, als nach Gauting. Das ist Konsequenz des Umstandes, dass die Gemeinde Gauting die ehrgeizigen Ansiedlungspläne exakt an der Gemarkungsgrenze zu Gilching verwirklicht wissen will.
Eine Gewerbeansiedlung des geplanten Umfangs in unmittelbarer Nachbarschaft zu den weiteren, mobilisierungsfähigen und großflächigen Gewerbeflächen auf dem Flugplatzgelände wirft daher unweigerlich die Frage auf, welche siedlungsstrukturellen Auswirkungen die Planung hat. Das Gebot, das alle von einer Planung aufgeworfenen Konflikte bewältigt werden müssen, setzt voraus, dass solche, sich abzeichnende, oder sich – wie hier – aufdrängende Konflikte erst einmal ermittelt werden. Dazu findet sich in den bisherigen Überlegungen der Gemeinde Gauting nichts. Jedenfalls bislang werden die Lasten der Planung schlichtweg der Nachbargemeinde überlassen; die ist ja auch buchstäblich „näher dran“.

1.3         Vollkommen offen bleibt, in welcher Weise die Gemeinde Gauting den abwehrenden Brandschutz organisieren will. Aufgrund der Entfernung von 8 km zwischen der Gemeinde Gauting und dem geplanten Gewerbegebiet, das entspricht einer Fahrzeit von 11 Minuten, ist ein wirksamer abwehrender Brandschutz von Gauting aus nicht zu gewährleisten. In den Nachbarortschaften fehlt die feuerwehrtechnische Infrastruktur (Drehleiter). Die – wesentlich näher gelegene – Gilchinger Feuerwehr kann zusätzliche Aufgaben aus der Nachbargemeinde jedenfalls nicht im Standardfall wahrnehmen. Sie ist bereits derzeit ausgelastet.

1.4        Schließlich sind unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auch deshalb naheliegend, weil zwar ein „Leitbild“ der Planung entworfen wird, aber völlig unklar ist, inwieweit sich ein solches „Leitbild“ überhaupt umsetzen lässt. Nach diesem Leitbild sollen die zukünftigen Nutzer aus „Hightech- Branchen“ stammen. Vorrangig sollen Unternehmen aus innovativen Bereichen wie Luft- und Raumfahrt, Spezialmaschinen-bau, Robotics usw. stammen. Allerdings sollen außerdem noch Handwerksbetriebe, Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf, Einrichtungen der Gastronomie sowie der Kinderbetreuung entstehen.
Abgesehen davon, dass es planungsrechtlich schwerlich möglich ist, das Gebiet aus-schließlich auf „Hightech-Branchen“ zu fixieren, sollen ausdrücklich auch Einkaufs-möglichkeiten für den täglichen Bedarf, d. h. Einzelhandel, zugelassen werden. Da jegliche Angaben dazu fehlen, um welche Branchen es sich handeln soll und welche Flächen konkret dafür vorgesehen werden sollen, lassen sich auch Auswirkungen auf die Ortszentren der Gemeinde Gilching und Weßling nicht ansatzweise beurteilen. Sie sind nicht ausgeschlossen, sondern „kommen in Betracht“.

1.5        In rechtlicher Hinsicht verlangt das interkommunale Abstimmungsgebot einen Interessenausgleich zwischen den Gemeinden. Erforderlich ist eine materielle, d.h. inhaltliche Koordination der gemeindlichen Belange. Insbesondere darf die beabsichtigte städte-bauliche Entwicklung der planenden Gemeinde in ihren Auswirkungen nicht rücksichtslos für die Nachbarn sein. Solche Auswirkungen auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung in Gilching stehen hier aber in Rede. Ganz offenkundig werden gemeindeübergreifende städtebauliche Fragen des Verkehrs aufgeworfen, die einer inhaltlichen Abstimmung bedürfen. 

Es ist weiter anerkannt, dass sich eine Gemeinde im Bereich der Bauleitplanung gegenüber benachbarten Gemeinden rücksichtslos verhält, wenn sie im Übermaß Industrie- und Gewerbegebiete ausweist mit der Folge, dass die Wohnbedürfnisse in den benachbarten Gemeinden erfüllt werden müssen. Angesichts der Kumulation der Gewerbeflächen im fraglichen Gebiet und deren Lage an der Gemeindegrenze liegt das hier mehr als nahe. 

Die wesentlichen Auswirkungen der Planung sind noch nicht einmal ermittelt, sodass es derzeit schon an der Zusammenstellung des erforderlichen Abwägungsmaterials fehlt. Notwendig ist ein Strukturgutachten, das mit Blick auf die exponierte Lage und der Dimension der Planung sowie des zeitlichen Zusammenhangs mit der Mobilisierung der Gewerbeflächen im Sonderflughafen die Auswirkungen auf die Nachbargemeinden Gilching und Weßling umfassend ermitteln muss. Dabei wird auch zu beurteilen sein, ob eine Ausweisung von Gewerbe- und Industrieflächen in diesem Umfang südlich der Bundesautobahn A 96 regionalplanerisch grundsätzlich vertretbar ist.

Jedenfalls bislang sind die Planungsabsichten der Gemeinde Gauting aber weder in formeller noch - und erst recht nicht - in materieller Hinsicht mit der Gemeinde Gilching abgestimmt. Die Gemeinde Gauting plant im „Alleingang“.

2.        Jedenfalls derzeit ist das Planungsvorhaben der Gemeinde Gauting darüber hinaus mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Das Planungsgebiet mit einer Größe von ca. 75 ha liegt auch auf Flächen, die durch Verordnung des Landratsamtes München aus dem Jahr 1993 zu Bannwald („Forstenriederpark, Staatsforst Unterbrunn und umgebende Wälder“) bestimmt worden sind. Eine Realisierung der Planung vor Änderung der Bannwaldverordnung scheidet bereits aus Rechtsgründen aus.

Gleichzeitig liegt das Plangebiet (nach wie vor) im Bereich des regionalen Grünzugs Nr. 4 „Herrschinger Moos/Weßlinger See“ und innerhalb des Erholungsraums des Re-gionalplans Nr. 14 „Fünf- Seen-Land“.
Dazu teilte Gemeinde Gauting mit, dass insoweit – ebenso wie zur Bannwaldverordnung – ein Antrag auf Herausnahme des Gebietes aus dem regionalen Grünzug gestellt worden sei.
Ebenso bemüht sich die Gemeinde Gauting darum, die entgegenstehenden Verbote aus der Wasserschutzgebietsverordnung (Trinkwasserschutzgebiet „Unterbrunner Holz“ Nr. 22107933000060) aufgehoben wird.
Zudem liegt das beplante Gebiet im Landschaftsschutzgebiet.
Solange die betreffenden Rechtsverordnungen nicht rechtswirksam aufgehoben bzw. geändert sind, kann eine Bauleitplanung mit dem intendierten Inhalt nicht wirksam werden.

Allerdings zeigt sich in der Notwendigkeit der „Beseitigung“ gleich dreier Schutzgebietsverordnungen, dass der Standort verfehlt ist. Er unterliegt – wie gesagt - gegenwärtig einem dreifachen Schutz und dies aus gutem Grund. Freilich bemüht sich die Gemeinde Gauting darum, diesen Schutz auszuhebeln, weil er dem Planungsvorhaben entgegensteht. Damit wird aber der angestellte „Alternativenvergleich“ ad absurdum geführt. Bei unvoreingenommener Betrachtung des Standorts in seinem gegenwärtigen rechtlichen Zustand liegt es auf der Hand, dass er für das geplante Gewerbevorhaben ungeeignet ist. 
Tatsächlich spricht für ihn nichts, schon gar keine optimale Anbindung an die Gemeinde Gauting. Wenn es hier eine Anbindung gibt, dann besteht sie an die Gemeinde Gilching. Nur so lassen sich die Erwägungen der Gemeinde Gauting zur „idealen Anbindung auch im Hinblick auf das Verkehrsaufkommen“ verstehen. 

All dies zeigt, dass die Planung auch jenseits des interkommunalen Abstimmungsgebotes zum einen unvereinbar mit (noch bestehendem) höherrangigen Recht ist. Zum anderen lässt sich kaum ernsthaft von einer mangelfreien Alternativenprüfung sprechen. Dies zumal, da den Alternativstandorten sämtlich eine mangelnde Erschließung attestiert wird. 
Eine solche wird aber auch für das hiesige Plangebiet nur deshalb als ausreichend an-gesehen, weil man sich dazu auf die Gemeinde Gilching verlässt. Überdies sind selbst nach den eigenen Gutachten der Gemeinde Gauting umfangreiche Ertüchtigungsmaß-nahmen bei der straßenmäßigen Erschließung erforderlich. Ein Anschluss an die leistungsgebundenen Einrichtungen besteht derzeit nicht und ist lediglich als künftig möglich bezeichnet worden. Damit kann auch für das jetzige Plangebiet nicht wirklich von einer ausreichenden Erschließung die Rede sein. 

Die bestehenden Schutzregimes versucht die Gemeinde Gauting außerhalb der Bau-leitplanungsverfahren zu beseitigen. Werden sie stattdessen in die Abwägung eingestellt, so lässt sich eher nicht behaupten, dass der Standort geeignet ist.

3.        Jedenfalls auf der Grundlage der derzeit vorhandenen Unterlagen rechtfertigt sich die Feststellung, dass die Planungsbestrebungen der Gemeinde Gauting mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung unter Beachtung der sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen nicht in Einklang zu bringen sind.

Die Gemeinde Gilching lehnt die unternommene Bauleitplanung in der Gemeinde Gauting aus den vorstehenden Gründen ab; sie ist derzeit nicht spruchreif, weil es an wesentlichen Feststellungen zu den Auswirkungen der Planung fehlt. Jedenfalls mit der gegenwärtig verfolgten Zielsetzung erweisen sich die Planungsabsichten gegenüber der Gemeinde Gilching als rücksichtslos und verletzen daher das interkommunale Abstimmungsgebot.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 9, Dagegen: 0

Datenstand vom 31.03.2022 09:07 Uhr