Die FDP hat mit Schreiben vom 19.09.2019 – welches per Mail am 23.09.2019 an alle GR-Mitglieder übermittelt wurde – die Änderung der Erschließungsbeitragssatzung beantragt (vgl. Anlage).
Hintergrund:
Im Vollzug der (Bayerischen) Bauordnung von 1901 – wurde vom Bezirksamt München 1904 eine Vorschrift zu Strassenbaubedingungen (gültig ab 1904) erlassen. Ab 1936 gab es die sog. ortspolizeilichen Vorschriften über die Herstellung und Instandhaltung von Straßenbestandsteilen – nach dem Krieg ab 1950 galt eine Straßensicherungsordnung. 1970 erließ die Gemeinde Grünwald eine Satzung zur Erhebung einmaliger Beiträge zur Deckung der Kosten für endgültig hergestellte Ortsstraßen. Seit 1988 gilt die Erschließungsbeitragssatzung – zuletzt geändert durch Beschluss des Gemeinderates in Bezug auf den sog. Drittelerlass (2018).
Aus dieser Einleitung ist erkenntlich, dass bislang für jede Erschließungsanlage die Gemeinde Erschließungsbeiträge erhoben hat. Dies ist gesetzliche Vorgabe und für die Grundstücksbebauung eine zwingende Voraussetzung – ohne Erschließung besteht kein Baurecht. Dieser Grundsatz gilt nun seit mehr als 100 Jahren.
Rückblickend wurden von allen Grundstückseigentümern zum Bau von Erschließungsanlagen entsprechende Beiträge erhoben. Über eine sehr lange Zeit mussten die Anlieger 90% der Kosten für Erschließungsstraßen bezahlen – seit dem sog. Drittelerlass Ende 2018 sind es lediglich 60% der entstehenden Kosten.
Aktuelle Gesetzeslage (Auszug aus schriftl. Stellungnahme des Bayerischen Gemeindetages vom Juni 2019):
Ab dem 01. April 2021 können für Erschließungsanlagen, deren Beginn der erstmaligen technischen Herstellung zu diesem Zeitpunkt mindestens 25 Jahre zurückliegt, keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden. Vor dem Hintergrund der Aufhebung der Rechtsgrundlage zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ergibt sich damit ein vollständiger Beitragsausfall, wenn die sachliche Beitragspflicht nicht vor Ablauf dieser 25-jährigen Ausschluss -frist entstanden ist und ein Erschließungsbeitrag erhoben wurde. Eine Kompensation durch den Freistaat Bayern erfolgt in diesen Fällen nicht.
Sorge bereitete dabei unter anderem die Frage straf- und haftungsrechtlicher Konsequenzen im Fall eines vollständigen Verzichts auf die Beitragserhebung bzw. auf die anspruchsbegründende bauliche Fertigstellung der Anlage.
Diese Thematik rückt nun in den Hintergrund, denn nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollen die Kommunen entscheiden, ob und inwieweit sie von der Option des Art. 13 Abs. 6 Satz 2 KAG Gebrauch machen. Dieser stellt es den Kommunen frei, in Fällen, in denen seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlagen mindestens 25 Jahre vergangen sind und die Beitragspflichten im Zeitraum vom 01.Januar 2018 bis 31. März 2021 entstanden sind oder entstehen, in der Erschließungsbeitragssatzung einen beliebigen zu erlassenden Anteil festzulegen oder den Beitrag ganz zu erlassen.
Bislang ermöglichte es Art. 13 Abs. 6 Satz 1 KAG, Erschließungsbeiträge bis zu einem Drittel des zu erhebenden oder bereits erhobenen Betrags zu erlassen, sofern seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlagen mindestens 25 Jahre vergangen sind und die Beitragspflichten im Zeitraum vom 1. April 2012 bis 31. März 2021 entstanden sind oder entstehen. Die Möglichkeit des Erlasses nach Art. 13 Abs. 6 KAG ist unabhängig von einem Erlass nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG i.V.m. § 227 AO und damit unabhängig vom Vorliegen einer Unbilligkeit.
Den Kommunen bieten sich mit dem nunmehr erweiterten Erlass nach Art. 13 Abs. 6 KAG mehrere Möglichkeiten:
- Erstmalige, endgültige Herstellung der Erschließungsanlage und vollständige Abrechnung
2. Erstmalige, endgültige Herstellung der Erschließungsanlage und Teilerlass
i. Nach Art. 13 Abs. 6 Satz 1 KAG (maximal zu einem Drittel)
- Erstmalige, endgültige Herstellung der Erschließungsanlage und gleichzeitiger vollständiger Erlass nach Art. 13 Abs. 6 Satz 2 KAG
- Verzicht auf die erstmalige, endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage
Zur Gewährung eines Erlasses nach Art. 13 Abs. 6 KAG ist in jedem Fall eine entsprechende Anpassung der Erschließungsbeitragssatzung erforderlich.
Stellungnahme der Verwaltung:
Die Gemeinde Grünwald hat bereits den Teilerlass nach der Ziffer 2. i (max. bis zu einem Drittel) beschlossen. Betroffen davon sind zwei Straßen, nämlich:
Joseph-Keilberth-Straße und die Wallbergstraße.
Die Tremmlallee (welche hier im FDP-Antrag genannt wird) ist von der neuen Regelung nicht betroffen, da es sich hier um eine Ersterschließung handelt, welche erst im Zuge des Gymnasiumsneubau im Rahmen des Bebauungsplanes Nr. B 49 (Rechtskraft seit Juli 2012) realisiert wurde. Die Tremmlallee müsste also vor mehr als 25 Jahren aber noch nicht endgültig hergestellt sein – dies ist nicht der Fall.
Ein weitergehender Erlass ist seit Juni 2019 gesetzlich möglich - z.B. anstelle der aktuell geltenden 60% für den Anliegeranteil, könnte eine 50% Regelung neu eingeführt werden – damit würde die Allgemeinheit für die beiden o.g. Straßen 50% bezahlen und 50% der Kosten von den Anliegern übernommen werden.
Ein vollständiger Erlass wird aus Sicht der Verwaltung aus Gründen der Gleichbehandlung nicht empfohlen.
Nach ausführlicher Beratung und vielen Wortmeldungen zieht GR-Mitglied Ritz seinen Antrag auf Änderung der Erschließungsbeitragssatzung (100%iger Erlass) zurück.
In der anschließenden Diskussion stellt GR-Mitglied Lindbüchl den Antrag auf Teilerlass zu 70%.
Der Gemeinderat stimmt abschließend über den Vorschlag der Verwaltung sowie über den Antrag von Gemeinderatsmitglied Lindbüchl ab.