Mit Schreiben vom 07.10.2019 hat die Fraktion Parteifreie Bürger Grünwald e. V. (PBG) einen Antrag auf Überprüfung der Preisänderungsklausel der Erdwärme Grünwald GmbH gestellt. Überdies soll in der Arbeitspreisänderungsklausel ein den „tatsächlichen Kosten“ entsprechender Indikator anstelle des Stromindex verwendet werden. Ferner soll dargelegt werden, welche Auswirkungen ein Verstoß gegen § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV auf die Abrechnung von Wärmekunden hat.
Auf Veranlassung der Gemeinde hat die Erdwärme Grünwald GmbH (EWG) daraufhin die in Ziffer 1.2 des Preisblattes zum Fernwärmeversorgungsvertrag verwendete Preisgleitklausel einer juristischen Prüfung unterzogen. Die Prüfung wurde von der auf die Energiewirtschaft spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei Schweizer Legal, RA Claudius Franke, durchgeführt.
- Preisgleitungsklausel der EWG genügt den gesetzlichen Anforderungen
Danach entspricht die in Ziffer 1.2 des Preisblattes zum Fernwärmeversorgungsvertrages enthaltene Preisgleitung den gesetzlichen Anforderungen des § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV.?? 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV lautet: „Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen.“
Insbesondere werden die „Verhältnisse auf dem Wärmemarkt“ durch den Wärmepreis- und den Strompreisindex, sowie „die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Breitstellung der Fernwärme“ werden von der EWG durch den Investitionsgüter- und den Strompreisindex angemessen berücksichtigt. Insbesondere werden die „Verhältnisse auf dem Wärmemarkt“ (dazu 1.) und „die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme“ (dazu 2.) durch die EWG in der Preisgleitung „angemessen“ (dazu 3.) berücksichtigt.
Erläuterungen:
- Die „Verhältnisse auf dem Wärmemarkt“ werden durch die in Ziffer 1.2 des Preisblattes der EWG enthaltenen Indizes – insbesondere den „Wärmepreis-“ und den „Strompreisindex“ – berücksichtigt. Der Wärmepreisindex repräsentiert nicht nur die Kostenentwicklung der Fernwärmeversorgung in Deutschland, sondern auch die Kostenentwicklung für den Betrieb von Zentralheizungen, und zwar sowohl von öl-, als auch von gasbefeuerten Zentralheizungen. Der Strompreisindex ist wiederum repräsentativ für die Kostenentwicklung speziell der geothermischen Wärmeversorgung, da elektrischer Strom maßgeblich für die Förderung und Verteilung von Wärme aus tiefer Geothermie ist. Durch die Indizes ist – wie von der Gesetzesbegründung zu § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV gefordert und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – gewährleistet, dass sich die Entwicklung des Fernwärmepreises der EWG „nicht losgelöst von den Preisverhältnissen am Wärmemarkt vollziehen kann" (vgl. BR- Drucks. 90/80, Seite 237).
- Durch die in Ziffer 1.2 des Preisblatts enthaltenen Indizes – insbesondere durch den Investitionsgüterindex und durch den Strompreisindex – wird ferner die „Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme“ durch die EWG im Rahmen der Preisgleitung berücksichtigt.
- Untersuchungen der Kostenstruktur der EWG anhand der Wirtschaftspläne des Jahres 2015 und 2018 haben gezeigt, dass insbesondere durch Verwendung des Investitionsgüterindex und des Strompreisindex die „kostenmäßigen Zusammenhänge“ bei der EWG „hinreichend erkennbar wiedergegeben“ werden. Genau hierauf kommt es laut der Gesetzesbegründung zu § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV an. Eine sog. „Kostenechtheit“ bzw. eine spiegelbildlich zur Kostenstruktur ausgestaltete Preisgleitung ist ausdrücklich nicht erforderlich.
- Die Verwendung des Strompreisindex in der Preisgleitung genügt der Anforderung der Rechtsprechung, wonach ein Indikator als Bemessungsgröße gewählt werden soll, der an die tatsächliche Entwicklung der Kosten des überwiegend eingesetzten Energieträgers anknüpft. Strom ist der von der EWG zur Erzeugung (Betrieb der Tiefenpumpe) und zur Verteilung (Betrieb der Netzpumpen) der Wärme überwiegend eingesetzte Energieträger. Ferner entspricht die anteilige Gewichtung des Strompreisindex in der Preisgleitung – auch nach der Inbetriebnahme des BHKW am Betriebsstandort Laufzorn – im Wesentlichen dem Anteil der Stromkosten der EWG für die Erzeugung und die Verteilung der Fernwärme.
- Der Investitionsgüterindex ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes geeignet, die „Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme“ eines Fernwärmeversorgers zu repräsentieren. Überdies spiegelt die gewählte Gewichtung des Investitionsgüterindex in der Preisgleitung die „kostenmäßigen Zusammenhänge“ bei der EWG „hinreichend erkennbar wieder“, da die Investitionskosten einen wesentlichen Anteil an den Gesamtkosten der EWG haben.
- Schließlich ist die Berücksichtigung der „Verhältnisse auf dem Wärmemarkt“ (Marktelement) und die Berücksichtigung der „Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme“ (Kostenelement) durch die in Ziffer 1.2 der Preisgleitung enthaltenen Indizes „angemessen“ im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 AVBFernwärmeV.
- Insbesondere ist eine anteilige Berücksichtigung einzelner Indizes im Rahmen sowohl des Kosten-, als auch des Marktelements nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ausdrücklich zulässig. Zudem haben Fernwärmeversorger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei der Gewichtung der gewählten Indizes einen Entscheidungsspielraum. Insofern kann auch von einer paritätischen Gewichtung des Markt- und des Kostenelements abgesehen werden, und es müssen ausdrücklich nicht sämtlichen Kosten eines Fernwärmeversorgers einen Niederschlag in der Preisgleitung finden.
- Die Entwicklung des Strom- / Gaspreisindex
Überdies wurden die wirtschaftlichen Auswirkungen für den Fall untersucht, dass tatsächlich der von der PBG-Fraktion im Antrag vom 07.10.2019 vorgeschlagene Gaspreisindex verwendet worden wäre:
- Der in Ziffer 1.2 der Preisgleitung der EWG verwendete Strompreisindex?? Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz) - Elektrischer Strom, bei Abgabe an Sondervertragskunden (Fachserie 17, Reihe 2, Lfd.-Nr. 623). und der von der PBG- Fraktion im Antrag vom 07.10.2019 vorgeschlagene Gaspreisindex?? Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz) - Erdgas, bei Abgabe an Handel und Gewerbe (auch Wohnungswirtschaft; Fachserie 17, Reihe 2, Lfd.-Nr. 633). sind bei langfristiger Betrachtung annähernd gleich volatil. Lediglich bei einer punktuellen Betrachtung (wie im Antrag der PBG-Fraktion vom 07.10.2019) schneidet – je nach gewähltem Zeitpunkt – der eine Index deutlich besser ab als der andere. Bei einem langfristigen Vergleich der Index-Entwicklung (etwa im Zeitraum 2005 – 2019) kann nicht konstatiert werden, dass die Verwendung des von der PBG- Fraktion vorgeschlagenen Gaspreisindex für die Kunden der EWG wirtschaftlich deutlich vorteilhafter gewesen wäre.
- Aufgrund internationaler?? Artikel 2 ff. des „Übereinkommen von Paris“ vom 19.10.2016. und europäischer?? Verordnung (EU) 2018/842 vom 30. Mai 2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris (EU Klimschutzverordnung). Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland sowie der klimapolitischen Agenda der Bundesregierung?? „Energiekonzept 2010“ vom 28.ß9.2010; „Klimaschutzplan 2050“ vom 15.11.2016 und „Klimaschutzprogramm 2030“ vom 10.10.2019. ist absehbar, dass sich der Einsatz fossiler Energieträger verteuern wird, was voraussichtlich zu Erhöhungen des von der PBG-Fraktion vorgeschlagenen Gaspreisindexes führt. Hierzu das „Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050“ vom 10.10.2019:
„Die Bundesregierung wird ab 2021 eine CO2-Bepreisung für die Sektoren Verkehr und Wärme (...) einführen. Das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) erfasst die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe (insbesondere Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin, Diesel). (...) Eine CO2-Bepreisung fossiler Heiz- und Kraftstoffe führt zu Preisen, die sich stärker am CO2-Gehalt ausrichten.“
„Zeitgleich mit dem Einstieg in die CO2-Bepreisung werden Bürger und Wirtschaft beim Strompreis entlastet, indem die EEG-Umlage oder einzelne Fördertatbestände so- wie ggf. andere staatlich induzierte Preisbestandteile (Netzentgelte, Umlagen und Ab- gaben) schrittweise aus den Bepreisungseinnahmen bezahlt werden.“
- Folglich wird die Verwendung fossiler Energieträger aufgrund der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen durch die Einführung eines nationalen Emissionshandelssystems verteuert. Die hierdurch von der Bundesrepublik Deutschland generierten Einnahmen sollen vorallem verwendet werden, um staatlich induzierte Strompreisbestandteile (EEG-Umlage, Stromsteuer u.a.) abzusenken, und hierdurch den Verbrauch erneuerbaren Stroms anstelle von fossilen Energieträgern anzureizen. Bestehende Steuern, Abgaben und Umlagen auf den Strompreis (mit Ausnahme der Umsatzsteuer) werden bei der Berechnung des Strompreisindexes durch das Statistische Bundesamt berücksichtigt.?? Siehe Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz) nach dem Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken, Ausgabe 2009 (GP 2009), Erläuterungen zur Statistik, Seite 3, Nr. 2.
- Eine Verwendung des Gaspreisindex in der Preisgleitung wird daher – unabhängig von der Preisentwicklung an den Großhandelsmärkten – voraussichtlich ab dem 01.01.2021 dazu führen, dass die Wärmekunden der EWG hierüber mit den Kosten für Treibhausgasemissionen durch die Verwendung von Erdgas belastet werden. Zudem profitieren die Wärmekunden nicht von den angekündigten finanziellen Entlastungen beim Strompreis.
- Eine weitere Verwendung des Strompreisindex in der Preisgleitung bedeutet hingegen, dass die Wärmekunden der EWG zumindest insoweit nicht mit den zusätzlichen Kosten für den Einsatz von Erdgas finanziell belastet werden, und überdies von den finanziellen Entlastungen beim Strompreis profitieren.
- Höhe des Wärmepreises der EWG
Die EWG hat zudem einen Fernwärmepreisvergleich auf Basis der vom AGFW | Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. jährlich veröffentlichten Fernwärmepreisübersicht (Stand: 01.04.2018) durchgeführt. In dieser wird der durchschnittliche Fernwärmepreis je Bundesland für typisierte Abnahmefälle (insbesondere für Privat- und Gewerbekunden) ermittelt. Im Ergebnis liegt der Fernwärmepreis der EWG unter sämtlichen Durchschnittswerten, und zwar um bis zu 48,46 %. D.h. die EWG gehört – trotz der vergleichsweise teuren Erzeugungstechnologie (Tiefengeothermie) – bundesweit zu den günstigsten Fernwärmeversorgern.
Ferner hat die EWG die Preise von sieben anderen Geothermieunternehmen in Bayern ermittelt, und für die Abnahmefälle Privat- und Gewerbekunden mit dem eigenen Preis verglichen. Im Ergebnis ist die EWG der günstigste Fernwärmeversorger in der Vergleichsgruppe, und zwar so- wohl bei den Privat-, als auch bei den Gewerbekunden. Der geringste Preisabstand besteht zur Geothermie Unterföhring (GEOVOL Unterföhring GmbH). Hier ist die EWG bei den Privatkunden um 2,34 %, und bei den Gewerbekunden um 4,75 % günstiger. Der größte Preisabstand besteht zu den Preisen für Gewerbekunden der Geothermie Pullach (IEP GmbH). Hier ist die EWG um satte 33,94 % günstiger, während auch der Preisabstand bei den Privatkunden 23,19 % beträgt.
Die Gemeinde hat damit den Antrag der PBG vollumfassend geprüft und stellt fest, dass die Preisgleitung in Ziffer 1.2 des Preisblattes zum Fernwärmeversorgungsvertrag der EWG den gesetzlichen Anforderungen des § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV genügt. Eine Untersuchung der Rechtsfolgen eines möglichen Verstoßes gegen diese Vorschrift ist daher nicht erforderlich. Auch wäre eine Verwendung des von der PBG-Fraktion vorgeschlagenen Gaspreisindex in der Preisgleitung der EWG – sofern rechtlich überhaupt zulässig – für die Wärmekunden voraussichtlich wirtschaftlich nachteilhaft.