Novellierung der Bayerischen Bauordnung; Erlass einer Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe - Beschlussempfehlung an den Gemeinderat;


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Bauausschusses , 18.01.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bauausschuss (Gemeinde Grünwald) Sitzung des Bauausschusses 18.01.2021 ö vorberatend 13

Sachverhalt

Wie unter Bekanntgaben der Verwaltung dargestellt tritt die novellierte Bayerische Bauordnung zum 01.02.2021 in Kraft. Die wichtigsten Änderungen wurden vorgestellt.

Unter anderen wurde erwähnt, dass ein Satzungserlass für 2021 geplant ist.

Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber der Gemeinden ab dem 15.01.2021 das Recht eingeräumt hat sog. Abstandsflächensatzungen zu erlassen, ist das für die Gemeinde Grünwald mit Blick auf die sich hieraus ortsgestalterisch unerwünschte dichtere Bebauung/Nachverdichtung und eine evtl. sich hieraus ergebende Entschädigungspflicht* – tatsächlich noch im Januar 2021 zu beschließen und mit Wirkung zum 01.02.2021 in Kraft zu setzen.

*Ab 01.02.2021 gilt die neue BayBO – um möglichst hohe Rechtssicherheit zu haben, wird empfohlen, die nachstehende Satzung bis zum 01.02.2021 bekannt zu machen. Tritt eine solche Satzung später in Kraft, ist diese zwar gültig, es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Gemeinde in die Entschädigungspflicht kommt. Beispiel: Eine Satzung, die erst am 02.02.2021 oder später in Kraft gesetzt wird, entzieht Baurecht, weil mit der Novelle zum 01.02.2021 höheres Baurecht hätte verwirklicht werden können – bei unseren extrem hohen Grundstückspreisen und dem knappen Bauland sind evtl. Klagen von Bauherren / Bauträgern nicht gänzlich ausgeschlossen.

Der Gesetzgeber hat praktisch keine Übergangsregelung vorgesehen, insoweit ist höchste Eile geboten.

Auf Basis der vom Bayerischen Gemeindetag erstellten Mustersatzung empfiehlt die Bauverwaltung zunächst den Erlass einer Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe wie folgt:


Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe

vom 26.01.2021

Die Gemeinde Grünwald erlässt aufgrund des Art. 23 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl. S. 796, BayRS 2020-1-1-I), zuletzt geändert durch § 3 des Gesetzes vom 24. Juli 2020 (GVBl. S. 350) und Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a) der Bayerischen Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (GVBl. S. 588, BayRS 2132-1-B), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2020 (GVBl. S. 663) folgende Satzung:


§ 1 Geltungsbereich

Die Satzung gilt für das gesamte Gemeindegebiet.


§ 2 Abstandsflächentiefe

Abweichend von Art. 6 Abs. 5 S. 1 BayBO beträgt die Abstandsfläche im Gemeindegebiet außerhalb von Gewerbe-, Kern- und Industriegebieten und festgesetzten urbanen Gebieten 0,8 H, mindestens jedoch 3 m. Vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge genügen in diesen Fällen 0,5 H, mindestens jedoch 3m, wenn das Gebäude an mindestens zwei Außenwänden Satz 1 beachtet.


§ 3 Bebauungspläne

Abweichende, in Bebauungsplänen festgesetzte Abstandsflächen bleiben unberührt.


§ 4 Inkrafttreten

Die Satzung tritt am 01.02.2021 in Kraft.



Gemeinde Grünwald, 27.01.2021




Jan Neusiedl
1. Bürgermeister



Neben der Satzung ist auch eine Begründung, wie folgt, erforderlich:



Begründung zur
Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe
vom 26.01.2021


Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 lit. a BayBO eröffnet Gemeinden die Möglichkeit, das Abstandsflächenrecht abweichend von der gesetzlichen Regelung zu gestalten, wenn dies die Erhaltung des Ortsbildes im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets bezweckt oder der Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität dient.

Nach der Rechtsprechung beschränkt sich die Regelungskompetenz des Bauordnungsrechts bei der abweichenden Bestimmung von Abstandsflächen auf im weiteren Sinne sicherheitsrechtliche Zielsetzungen. Abstandsflächen können zur Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke, zur Sicherstellung von Flächen für Nebenanlagen, zur Herstellung des Wohnfriedens und Sicherstellung des Brandschutzes abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen geregelt werden. In Bezug auf das Ortsbild sind nur gebäudebezogene Regelungen zulässig, die sich mittelbar auf die Gestaltung des Ortsbildes auswirken.

Vorstehende Satzung wird im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage maßgeblich zur Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität erlassen.

Im Gemeindegebiet sind nach wie vor Bereiche nicht überplant und beurteilen sich planungsrechtlich nach § 34 BauGB. Darüber hinaus sind in Bebauungsplänen zum Teil großzügige Bauräume festgelegt. In diesen Bereichen wird der Abstand von Baukörper zueinander im Wesentlichen durch das Abstandflächenrecht geregelt. Der hohe Siedlungsdruck im Gemeindegebiet und die immer weiter steigenden Grundstückspreise werden daher dazu führen, dass die Mindestmaße der gesetzlich festgelegten Abstandsflächen weitestgehend ausgenutzt werden. Damit wird sich die Wohnqualität im Gemeindegebiet nachteilig ändern. Eine deutliche Nachdichtung wird nach Auffassung der Gemeinde auch nachteilige Auswirkungen auf den Wohnfrieden haben.

Die Wohnqualität ist im Gemeindegebiet in vielen Bereichen durch größere Abstände zwischen den Gebäuden geprägt. Gerade im Gemeindegebiet werden Wohnformen angeboten, die im städtischen bzw. baulich verdichteten Raum nicht bzw. nur noch selten anzutreffen sind. Das Wohnen ist geprüft durch Abstand zum Nachbarn. Freibereiche um die Gebäude stellen insoweit einen wesentlichen Bestandteil der Wohnqualität dar, insbesondere auch für Kinder. Die Gemeinde möchte mit dieser Satzung die Wohnqualität, die durch größeren Abstand zwischen den Gebäuden geprüft ist, erhalten und gegebenenfalls im Rahmen der Neubebauung von Grundstücken verbessern. Dies führt auch zu einer Verbesserung von Belichtung und Belüftung und Besonnung der Baugrundstücke gegebenenfalls auch zu einer Verbesserung des Brandschutzes.

Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung der Abstandsflächen in Art. 6 Abs. 5 BayBO die Untergrenze des zulässigen Gebäudeabstands festgelegt. Die Gemeinde möchte für ihr Gemeindegebiet höhere Standards, als vom Gesetzgeber vorgesehen, festlegen.

Gleichzeitig werden über größere Abstandsflächen auch notwendige Flächen für Nebenanlagen gesichert. Der Bedarf an Flächen zur Unterbringung von Gartengeräten, Spielgeräten für Kinder, von Fahrrädern und natürlich von Kfz ist größer als in der Stadt. Durch die Verlängerung der Abstandsflächen wird auch insoweit Raum auf den Baugrundstücken gesichert.

Die Gemeinde bezieht in ihre Überlegungen durchaus ein, dass der Gesetzgeber mit der Abstandsflächenverkürzung eine Innenverdichtung und einer Verringerung der neuen Inanspruchnahme von Flächen beabsichtigt. Die Gemeinde hält aber die Erhaltung und Verbesserung der Wohnqualität in ihrem Gemeindegebiet für vorrangig. Das Gebot der Innenverdichtung kann auch durch ein höheres Maß baulicher Nutzung erreicht werden, etwa durch höhere Gebäude, welche die Abstandsflächen einhalten. Dies wird die Gemeinde in ihren Planungen berücksichtigen.

In Bezug auf den Geltungsbereich hat sich die Gemeinde dazu entschieden, die abweichenden Abstandsflächen im gesamten Gemeindegebiet anzuordnen. Zwar gibt es im Gemeindegebiet unterschiedliche Siedlungsstrukturen und Bauweisen, die o.g. Ziele sollen aber generell im Gemeindegebiet verfolgt werden und damit auch Grundlage der Abstandsflächenbemessung sein. Im Einzelfall ist eine Korrektur über Abweichungen möglich. Für die sich insbesondere unterscheidenden Gewerbe-, Kern- und die klassenurbane Gebiete findet die Satzung ohnehin keine Anwendung.

Die Gemeinde ist sich auch bewusst, dass die Verlängerung der Abstandsflächen gegenüber der gleichzeitig in Kraft tretenden gesetzlichen Verkürzung derselben Auswirkungen auf die bauliche Ausnutzbarkeit von Grundstücken haben kann und damit auch Eigentümerinteressen nachteilig betroffen werden können. Die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Wohnqualität im Gemeindegebiet rechtfertigt indes mögliche Eigentumseinschränkungen.


Grünwald, 27.01.2021

Jan Neusiedl
1. Bürgermeister



Da die Gemeinde Grünwald eine sehr heterogene Orts- und Siedlungsstruktur aufweist, ist möglicherweise eine Differenzierung auch bei den Abstandsflächen vorzunehmen. Zumindest bei der Ortsgestaltungssatzung und der Werbeanlagensatzung wurden die Regeln nach Orts- bzw. Baubereichen unterschiedlich geregelt. Mit der Differenzierung erreicht man letztlich eine deutlich höhere Rechtssicherheit – vor allem dann, wenn solche Satzungen durch z.B. ein Normenkontroll- verfahren auf formelle und materielle Rechtmäßigkeit hin überprüft wird. Das bedeutet, dass die Abstandsflächensatzung zwar zunächst in Kraft gesetzt wird – hinsichtlich der jeweiligen Inhalte ortsteilbezogen noch einmal geändert werden müsste. Auch darüber werden wir Sie rechtzeitig vorher in Kenntnis setzen.

Beschluss

Der Bauausschuss nimmt Kenntnis vom Vortrag der Verwaltung und empfiehlt dem Gemeinderat, in seiner Sitzung am 26.01.2021 die Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe zu beschließen.

Die Verwaltung wird beauftragt diese Satzung zum 28.01.2021 ortsüblich bekannt zu machen. Die Satzung tritt am 01.02.2021 in Kraft.


Der Bauausschuss bittet um Klarstellung der Abstandsflächenthematik anhand für die Gemeinde Grünwald typischer Bauformen. Die Verwaltung sichert zu, dies im Gemeinderat entsprechend vorzustellen.

Abstimmungsergebnis
Einstimmig angenommen

Datenstand vom 15.02.2021 16:06 Uhr