Bauort: Fl.Nr. 492/5 an der Südlichen Münchner Str. 8a, Größe = 876m²
Planbereich: Qualifizierter Bebauungsplan Nr. B 17, Ortsgestaltungssatzung, Garagen- u. Stellplatzsatzung, Abstandsflächensatzung
Der Bauausschuss hat sich in seiner öffentlichen Sitzung am 18.11.2019 sehr eingehend mit der Grundstücksbebauung und der damals vorliegenden Bauvoranfrage befasst und das Einvernehmen mehrheitlich mit 8:2 Stimmen versagt. Die Versagungsgründe waren die seinerzeitige (1988) planabweichende Bauausführung, welche dazu geführt hat, dass das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss Vollgeschosse sind – eine Überschreitung gibt es bereits im baulichen Bestand, eine zusätzliche Aufstockung mit einem weiteren Geschoss ist nicht zulässig.
Der nun eingereichte Bauantrag hat – wie schon die Bauvoranfrage im November 2019 - zum Inhalt, dass Bauherr und Architekt heute davon ausgehen, das Erdgeschoss sei kein Vollgeschoss – deswegen könne man das Gebäude um eine weitere Ebene aufstocken.
Siehe dazu das ausführliche Anschreiben des Rechtsanwaltes zur Baueingabe vom 07.09.2021. Nehmen Sie bitte auch die Stellungnahme des von der Gemeinde Grünwald beauftragten Rechtsanwaltes Geislinger von der Kanzlei Seufert Rechtsanwälte vom 29.09.2021 zur Kenntnis.
Nachfolgend ist die Kernaussage dargestellt:
Entscheidend kommt es alleine auf Art. 2 Abs. 5 S. 2 BayBO 1998 an. Danach gelten Kellergeschosse als Vollgeschosse, soweit deren Deckenunterkante im Mittel mindestens 1,2m höher liegt als die natürliche oder festgelegte Geländeoberfläche.
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Nach den aktuellen Plänen des Bauwerbers aus dem Jahr 2021 spricht vieles dafür,
dass die Deckenunterkante im Mittel mindestens 1,2 m höher liegt als die natürliche
Geländeoberfläche.
Die vom Rechtsanwalt der Antragsteller dazu geführte Diskussion geht an der Sache vorbei.
Übersehen wird dabei, dass die "natürliche Geländeoberfläche" diejenige ist, die mit der
Errichtung des Bestandsgebäudes hergestellt worden ist. Es mag zwar sein, dass die Geländeoberfläche vor Errichtung des Bestandsgebäudes anders ausgesehen hat. Es ist in der
Rechtsprechung aber anerkannt, dass eine neue "natürliche Geländeoberfläche" durch längeren
Zeitablauf entstehen kann (so etwa BayVGH, B. v. 14. Januar 1991, 14 CS 90. 3270,
BeckRS 1991, 10007; ebenso BayVGH, B. v. 2. März 1998, 20 B 97. 912, BeckRS 1998,
25158; vgl. etwa Simon/Busse/Dhom/Franz/Rauscher, BayBO, 131. EL Oktober 2018,
BayBO, Art. 6 Rn. 167-175, insbes. 169). Die Regelungen der Bayer. Bauordnung, die auf
die natürliche Geländeoberfläche abstellen, verlangen nicht, dass ein "ursprüngliches Gelände"
heranzuziehen ist, das möglicherweise weit in der Vergangenheit einmal vorhanden
war und in der Zwischenzeit verändert wurde. Die bauordnungsrechtlichen Vorschriften
sollen in Gegenwart und Zukunft eine Bebauung gewährleisten, die mit den Anforderungen
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und dem gebotenen Nachbarschutz vereinbar ist.
Es soll deshalb vermieden werden, durch Manipulationen des Geländes die gesetzlichen
Regelungen zu unterlaufen. Diese Überlegungen hindern nicht, ein Gelände, das bereits vor
über 25 Jahren in Anpassung an eine Bebauung aufgeschüttet wurde, nunmehr als natürliches
Gelände anzusehen (so BayVGH, B. v. 02. 03. 1998, 20 B 97.912 zum Abstandsflächenrecht).
Die neuerdings vorgenommene Geländemodellierung (Aufschüttung) ist hingegen ohne Belang. Sie bleibt außer Betracht.
Es kann dahinstehen, ob sie baurechtswidrig ist, weil § 8 Abs. 1 der Ortsgestaltungssatzung Aufschüttungen nicht zulässt. Jedenfalls besteht kein Grund, sich mit dieser Frage vertieft auseinanderzusetzen.
Denn jedenfalls handelt es sich bei dem kürzlich hergestellten Geländeverlauf weder um
einen "natürlichen", noch ist er durch die Baugenehmigungsbehörde festgelegt worden. Im
Übrigen ist anerkannt, dass Geländeveränderungen ausschließlich mit dem Ziel, die baurechtlichen Parameter zu verändern, grundsätzlich unzulässig, jedenfalls aber unbeachtlich
sind (vgl. etwa Simon/Busse/Dhom/Franz/Rauscher, a. a.O., Art. 6 Rn. 167-175).
Ist nach alledem von der mit der ursprünglichen Errichtung des Gebäudes hergestellten Geländeoberfläche auszugeben, weil diese die "natürliche" im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen ist, so gilt das Kellergeschoss als Vollgeschoss, weil dessen Deckenunterkante im
Mittel mindestens 1,2 m höher liegt als diese natürliche Geländeoberfläche.
Dazu ist folgendes von der Bauverwaltung festzustellen:
Nach vorliegender alter Baugenehmigung aus 1988 hat man angenommen und von den damaligen Architekten so gerechnet, dass das Erdgeschoss kein Vollgeschoss sei. Die Annahmen und Berechnungen, die damals ein Nichtvollgeschoss lt. Architekturbüro ausgemacht hätten, wurden seinerzeit baulich nicht so umgesetzt.
Man kann dies in der Südansicht anhand der Fotos (vor der in 2020 durchgeführten Aufschüttung) gut erkennen. In der Nordansicht ist ein Geländeverlauf gar nicht erkennbar, da dort das TG-Einfahrtsgebäude steht. Der Hang ist erst östlich des TG-Gebäudes sichtbar. In der Westansicht ist das Gebäude ohne Geländeverlauf erkennbar.
Eine aktuelle Überprüfung unter Berücksichtigung der damaligen und heute geltenden Rechtslage (einschlägig ist hier neben der Baunutzungsverordnung – Bundesrecht - die Bayerische Bauordnung – Landesrecht - ) hat ergeben, dass das vorliegende Erdgeschoss eindeutig ein Vollgeschoss, d.h. insgesamt auf die Geschossflächenzahl anrechenbar ist. Damit ist entgegen bei der eingereichten Berechnung keine Geschossfläche mehr übrig, sondern diese bereits mit der Bestandsbebauung überschritten.
Folgender Rechenweg ist dabei nach Bayerischer Bauordnung in solchen Fällen vorzunehmen:
Man bildet ein Vergleichsgebäude, bei welchem der Gebäudeumfang x 1,40m ein Ergebnis bildet und rechnet exakt die Flächen des überprüfenden Gebäudes (hier EG baulicher Bestand mit dem angenommenen Geländeverlauf) nach und setzt diese beiden Ergebnisse ins Verhältnis.
Wenn also die Flächen des zu überprüfenden Gebäudes (F 1 + F 2 + F 3 + F 4) die Fläche des Vergleichsgebäudes übersteigt, dann ist das gegenständliche EG ein Vollgeschoss.
Siehe dazu auch Schaubild 1 und 2, in Schaubild 1 ist das KG und in Schaubild 2 das oberirdische Geschoss abgebildet, für unseren Fall gilt Schaubild 2:
1
2
Quelle zu 1 und 2: Aus BayBO Dirnberger/Busse Rehm Verlag 6.Auflage 2018
In dieser durchaus schwierigen Rechtsfrage hat sich die Gemeinde vom Architekturbüro Goergens & Miklautz aus München und der Kanzlei Seufert Rechtsanwalt, sowie beim Leiter der Baurechtsabteilung in der Baugenehmigungsbehörde im Landratsamt München abschließend beraten lassen.
Im Ergebnis ist auch von deren Seite festzuhalten, dass es den baulichen Bestandsschutz – wie vom Bauwerber vorgetragen, nicht gibt – im Prinzip nie gegeben hat, weil das damalige Vorhaben in der Hanglage nicht entsprechend den genehmigten Plänen ausgeführt worden ist.
Es hilft auch nicht, wenn nachträglich (nach ca. 30 Jahren) manipulativ und ohne Antrag auf Abweichung von der Ortsgestaltungssatzung das Gelände zumindest im südlichen Geländeverlauf verändert wurde (siehe dazu Fotos vom aktuellen Hangverlauf Südansicht). Diese Maßnahme ist materiell und formell baurechtswidrig – es lag weder ein Antrag noch eine baurechtliche Würdigung, noch eine isolierte Abweichung durch die Gemeinde Grünwald für diese unzulässige Geländeänderung vor.
Vor alledem ist das Vorhaben in Bezug auf die Aufstockung – wie bereits zur Bauvoranfrage im November 2019 geschehen – aus Sicht der Gemeinde nicht zu befürworten.