Bauort: Karl-Valentin-Straße, Grundstück Fl.Nr. 516/1 (Grundstücksgröße = 707 m²)
Planbereich: Bebauungsplan Nr. B 35 v. 13.04.2023, Baulinienplan Nr. BI 1/57 v. 18.09.1957, § 34 BauGB, Ortsgestaltungssatzung und Garagen- und Stellplatzsatzung
Ein dem gegenständlichen Antrag auf Vorbescheid entsprechender Antrag wurde bereits in der Bauausschusssitzung vom 19. Dezember 2022 behandelt. Das gemeindliche Einvernehmen zu dem Antrag auf Vorbescheid zum Neubau eines Doppelhauses mit Einzelgaragen wurde versagt. Begründet wurde die Versagung des Einvernehmens damit, dass die geplante Bebauung außerhalb des festgesetzten Bauraumes des zugrundeliegenden Bebauungsplanes (Baulinienplans) BI 1/57 v. 18.09.1957 mit den Grundzügen der Planung nicht vereinbar ist und einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB daher nicht zugestimmt werde.
Gemäß dem Vortrag aus der Bauausschusssitzung vom 19. Dezember 2022 zur Historie dieses Vorhabens ist bekannt, dass bereits 2001 und 2019 ähnliche Anträge für eine abweichende Bebauung komplett außerhalb des eigentlichen Bauraums eingereicht wurden. Auch zu diesen Anträgen wurde entschieden, dass die Grundzüge der (Bebauungs-)Planung berührt würden und die Abweichung vom Bebauungsplan mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar sind.
Das Landratsamt München als Genehmigungsbehörde ersucht mit Schreiben vom 17.04.2023 das gemeindliche Einvernehmen für eine Befreiungsmöglichkeit nach § 31 BauGB, der mit der Gesetzesänderung vom 23.06.2021 um den Absatz 3 erweitert wurde. Absatz 3 enthält nachfolgenden Wortlaut-kursiv-:
(3) 1In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. 2Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. 3Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. 4Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
§ 201a Verordnungsermächtigung zur Bestimmung von Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt -Auszug Satz 3-
3Ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. 4Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn
- 1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
- 2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
- 3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
- 4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
Am 16. September 2022 hat die Bayerische Staatsregierung eine Gebietsbestimmungsverordnung Bau (GBestV-Bau) in Kraft gesetzt, in deren Anlage die Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt bestimmt wurden.
Die Gemeinde Grünwald wurde mit 207 weiteren Gebietskörperschaften in Bayern zu einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt bestimmt. Die Verordnung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2026 außer Kraft.
Nach Auffassung des Landratsamtes ist das Tatbestandsmerkmal des Einzelfalles erfüllt, da sich die Aussparung des Bauraumes in der Karl-Valentin-Straße nur auf den Grundstücken Fl.Nr. 516/17 und 516/1 befinde. Die Erteilung der erforderlichen Befreiung schließe es aus, dass in einem Gebiet zu gleicher Zeit oder in kurzen zeitlichen Abständen mehrere als nur einzelne Vorhaben durch Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes zugelassen werden können.
Der zugrundeliegende Baulinienplan von 1957 setzt einen Bauraum entlang der Ostseite des Vorhabengrundstücks fest. Dieser festgesetzte Bauraumist noch nicht vollständig bebaut. Eine weitere Bebauung (in Verlängerung des Bestandsgebäudes in Richtung Süden) wäre innerhalb dieses Bauraums möglich.
Im Antrag auf Vorbescheid ist ein separater Baukörper in Form eines Doppelhauses mit Doppelgaragen in E+1+D-Bebauung im Südwesten des Vorhabengrundstücks auf einem 707 m² großen abgeteilten Grundstück vorgesehen. Im Bereich des neu geschaffenen Grundstücks ist kein Bauraum festgesetzt und städtebaulich auch nicht vorgesehen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gem. § 31 Absatz 3 BauGB liegen nicht vor, weil die Befreiung mit öffentlichen Belangen nicht vereinbar ist. Das Erfordernis der Befreiung nach § 31 Abs. 3 BauGB resultiert insbesondere aus der nachträglich erfolgten Teilung des Grundstücks und dem Wunsch des Antragsstellers, den Baukörper auf dem neu geschaffenen Grundstück zu errichten. Denn auf dem Vorhabengrundstück ist nach dem Baulinienplan Bl 1/57 (weiterer) Bauraum festgesetzt, der bislang noch nicht überbaut ist und damit noch nicht ausgenutzt wurde. Wie bereits im Sachverhalt zum vorliegenden Antrag dargelegt und durch die Genehmigungsbehörde bestätigt, ist das Grundkonzept des Bebauungsplanes außerdem, großzügige Freiflächen zwischen den einzelnen Bebauungen zu schaffen. Daher würde die Zulassung einer Bebauung vollständig außerhalb des dafür vorgesehenen Bauraumes – wie auch in gleichgelagerten Fällen – diesem planerischen Konzept zuwiderlaufen. Es kommt hinzu, dass mit dem geplanten Bauvorhaben der Schutzzweck des § 31 Absatz 3 BauGB, die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit (Miet-)Wohnungen sicherzustellen, nicht erreicht wird.
Denn geplant ist nicht ein (Miet-)Wohnobjekt für die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen (Mehrfamilienhaus, Wohnhaus mit mehreren Wohneinheiten), sondern ein Einzelhaus mit zwei Wohneinheiten mit den üblichen Nebenanlagen. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 3 BauGB sollte aus dem vorgenannten Gründen nicht befürwortet werden.
Die Inhalte des Beschlusses vom 19. Dezember 2022 sind weiterhin zu berücksichtigen.