Bauort: Südl. Münchner Straße 42 c, Grundstück Fl.Nr. 600/6 (Grundstücksgröße = 1.177 m²)
Planbereich: Bebauungsplan B 46 0563/09/BL v. 16.09.2010) Garagen – und Stellplatzsatzung, Abstandsflächensatzung und Baumschutzverordnung;
AZ LRA 4.1-0627/21/V
Gegenstand der Verwaltungsstreitsache ist ein Bauantrag aus dem Jahr 2021 für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Stellplätzen in Duplexgaragen auf dem oben genannten Grundstück. Das gemeindliche Einvernehmen zu dem Antrag vom 29. Juli 2021 wurde versagt, da der Fällung der schützenswerten Blutbuche, die sich auf dem Grundstück befindet, nicht zugestimmt wurde. Nachfolgende Ausführungen wurden in der Beschlussvorlage zur Kenntnis gegeben:
Gemäß der Beurteilung des Umweltamtes wird der Fällung der geschützten Blutbuche nicht zugestimmt. Es gab in der Vergangenheit vielfach Anregungen und konstruktive Vorschläge seitens der Grünordnung des Landratsamtes, der Bauverwaltung und der Bauordnung LRA, das Baurecht unter Erhalt der Buche auszuführen. Dies wäre mit Verlegung der Zufahrt nach Süden oder auch der Planung einer Tiefgarage sicherlich möglich. Der Bebauungsplan sieht hier sogar eine Überschreitung des Maßes der baulichen Nutzung mit den Nebenanlagen für diese Alternative vor. Gleichfalls wäre eine Anpassung der Kubatur des Baukörpers an den Schutzbereich unter Ausnützung des Baurechts möglich.
Seitens des Architekturbüros wird anhand eines Schaubildes dargestellt, dass durch die Baumaßnahme (Baugrube/Gerüst) der Baumschutzbereich zu ca. 80 % berührt wird. Somit sei der Erhalt der Buche nicht möglich. Die angeregten Umplanungsvarianten sind nicht berücksichtigt worden.
Die Genehmigungsbehörde hat den Antrag nach Prüfung der Bauvorlagen mit Bescheid vom 16.12.2021 abgelehnt. Dagegen hat die Bauherrnschaft am 19.1.2022 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingereicht. Nach Klageerhebung wurden zwischen der Bauherrnschaft und der Genehmigungsbehörde mehrere Umplanungsvarianten besprochen, zuletzt anhand einer Variante vom Februar 2024, die sog. Planvariante A auf Blatt 173 der Behördenakte. Gegenstand dieser Planvariante war im Kern (nur) eine Änderung zur Situierung der Garagen auf dem Grundstück unter Erhalt der Blutbuche. Für die Umsetzung dieser Planvariante wären jedenfalls Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans B 46 notwendig gewesen. Ein Antrag auf Baugenehmigung zur Entscheidung hierüber wurde jedoch nicht gestellt.
Am 21.06.2024 hat das Bay. Verwaltungsgericht München der Gemeinde die Ladung zum Augenschein und zur mündlichen Verhandlung für Mittwoch, den 10. Juli 2024, ab 14.00 Uhr am oben genannten Grundstück zugestellt.
Anwesend bei Augenschein und mündlicher Verhandlung waren neben der 9. Kammer des Verwaltungsgerichts, für die Klagevertretung die Grundstückseigentümer mit Rechtsanwalt und das beauftragte Architekturbüro sowie ein Baumsachverständiger und für den Freistaat Bayern als Beklagte Vertreter des Landratsamtes München sowie als Beigeladene die Gemeinde Grünwald mit Rechtsanwalt, Bauverwaltung und dem Umweltamt.
Im Rahmen des Augenscheins wurde zunächst die Blutbuche kurz in Augenschein genommen und als vital bewertet. Eingangs wurde festgestellt, dass ein weiterer Baum an der westlichen Grundstücksgrenze unter die Regelung der Baumschutzverordnung fällt. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung führte der Vorsitzende Richter der 9. Kammer aus, dass das beantragte Bauvorhaben nach den Festsetzungen des Bebauungsplans grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Dem wurde nicht widersprochen. Das Gericht wies aber darauf hin, dass die von der Klägerseite eingereichten Planvorlagen nicht der Bauvorlageverordnung entsprechen würden und die Klage aufgrund formeller Mängel (fehlerhafter gezeichneter Lageplan, fehlerhafte Handeinträge etc.) abgewiesen werde müsse. Das Gericht stellte allerdings klar, dass der Rechtsstreit auch einvernehmlich beendet werden könnte, weil bereits von Klägerseite im laufenden Verfahren eine Planvariante präsentiert wurde, bei der die Blutbuche erhalten werden könnte. Von Klägerseite wurden auf diesen Hinweis des Gerichts hin die enormen Mehrkosten in Höhe von ca. 1 Mio. € für Baumaßnahmen vorgebracht, die mit dem Erhalt des Baumes einhergehen würden. Auch behaupteten die Kläger, dass auch bei diesen Planvarianten eine dauerhafte Erhaltung der Blutbuche nicht gewährleistet sei. Dies wurde im fachlichen Austausch der Baumsachverständigen und Behördenvertretern kontrovers diskutiert.
Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurden Planungsalternativen eingehend besprochen, die die Blutbuche erhalten und den Rechtsstreit einvernehmlich beenden sollten. Im Ergebnis dieser Diskussion einigten sich die Parteien auf die bereits oben genannte Planvariante A. Das Gericht stellte fest, dass diese Variante allerdings nur unter Erteilung der notwendigen Befreiungen und Abweichungen möglich sei.
Im weiteren Verlauf unterbrach das Gericht die Verhandlung, um den Parteien Gelegenheit zu geben, sich zu beraten, ob ein Vergleich auf der Grundlage der Planvariante A geschlossen werden könnte.
Nach Fortsetzung der Verhandlung erklärten sich alle Parteien zum Abschluss eines bis 31.07.2024 widerruflichen Vergleichs bereit. Der Vergleich wurde sodann protokolliert.
Nach dem Vergleich erklärt sich die beigeladene Gemeinde dazu bereit, das Einvernehmen zu den Befreiungen und Abweichungen zu erteilen, die für die Umsetzung der Planvariante A erforderlich sind. Das sind nach übereinstimmender Auffassung der Parteien folgende Befreiungen und Abweichungen:
- Zufahrtsführung
Gemäß Bebauungsplan B 46 ist die Zufahrt am Bestand orientiert und erfolgt an der nordwestlichen Grundstücksgrenze. Die Planvariante A sieht eine mittige Zufahrt zu den geplanten Hebeparkdecks vor. Eine Verlegung der Zufahrt aus dem Kronenbereich der Buche und für eine kurze Erschließung der Stellflächen ist städtebaulich sinnvoll. Die Befreiung für die Verlegung der Zufahrt gemäß Planvariante A sollte befürwortet werden. Die bisherige Zufahrt wird als Hauseingang und Zuwegung vorgesehen.
- Stellplatzerfordernis
Für die geplanten Nutzungseinheiten aus dem Antrag vom 29.07.2024 sind 10 Stellplätze zur Erfüllung der Stellplatzsatzung erforderlich. Diese werden in sog. Parklifts dargestellt. Pro Parklift werden zwei Stellplätze nachgewiesen. In der Planvariante A sind der Stellplatz Nr. 9 und 10 ebenfalls als Parklift dargestellt. Die Errichtung des 10. Stellplatzes würde den Wurzelbereich der Rotbuche tangieren. Daher wurde vereinbart, diesen Stellplatz als oberirdischen Stellplatz auszuführen, um den Eingriff in den Wurzelbereich so gering wie möglich zu halten. Der Nachweis des damit fehlenden 10. Stellplatzes an anderer Stelle ist nicht möglich. Eine Abweichung von der Stellplatzpflicht zur Errichtung des 10. Stellplatzes ist vertretbar, da durch die geplante Wohnungsstruktur in Form von Appartements erwartet werden kann, dass der Bedarf an Stellplätzen geringer als üblich ist. Hierfür wird unmittelbar an den Parklifts 1-4 eine größere Fahrradabstellanlage geplant. Eine Abweichung kann daher für diesen Einzelfall befürwortet werden.
- Fällung der Buche
In der südwestlichen Grundstücksecke, direkt und ganz nah an der bestehenden Grenzmauer zum Nachbargrundstück, steht eine Buche mit Stu 1,00 m, die zwischenzeitlich auch unter die Baumschutzverordnung fällt. Gemäß fachlicher Beurteilung hat der Baum kaum Entwicklungschancen, außerdem beschädigt der Baum die Grenzmauer und den Zufahrtsbereich auf dem Nachbargrundstück. Das Entfernen dieses Baumes kann befürwortet werden.