Änderungen der Bayerischen Bauordnung zum 01.02.2021, Erlass einer Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächentiefe


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 14.01.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Haimhausen) Sitzung des Gemeinderates 14.01.2021 ö 2

Sachverhalt

  1. Überblick über die bevorstehenden gesetzlichen Neuerungen

Die Verwaltung wurde am 03.12.2020 durch den Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum und die Kanzlei Döring Spieß im Rahmen eines Webinars über die anstehenden Neuerungen der Bayerischen Bauordnung (BayBO) informiert:

Am 02.12.2020 fand die zweite Lesung im Landtag zur Änderung der BayBO statt; das Inkrafttreten der Änderungen ist zum 01.02.2021 geplant.

Ziele dieser Gesetzesänderung sind insbesondere dass
  • eine Verfahrenspflicht nur besteht, wo eine präventive Prüfung unbedingt erforderlich ist,
  • sich notwendige Verfahren auf das Wesentliche konzentrieren und so schnell wie möglich durchgeführt werden,
  • dichter gebaut werden kann,
  • materiell rechtliche Anforderungen mit Ortsbezug in die Verantwortung der Gemeinden gestellt werden,
  • eine digitale Antragstellung im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren ermöglicht wird und
  • materiell bauordnungsrechtliche Anforderungen vereinheitlicht werden.

Laut der Gesetzesbegründung soll das Bauen durch die Änderungen einfacher, schneller, günstiger, flächensparender und nachhaltiger werden.

Es erfolgen auch Änderungen im Spielplatzrecht und verfahrensrechtliche Neuerungen wie bspw. die Genehmigungsfiktion werden eingeführt. Für Dachgeschossausbauten entfällt künftig die Genehmigungspflicht. Ferner wird der Katalog der verfahrensfreien Bauvorhaben ergänzt.

Zudem werden insbesondere die Satzungsermächtigungen (örtliche Bauvorschriften) erweitert und das Abstandsflächenrecht geändert.


  1. Neuerungen im Abstandsflächenrecht

Die Tiefe der Abstandsflächen war und ist von der Höhe des Gebäudes abhängig. Diese Höhe (H) hat sich dabei bisher aus der Wandhöhe und der Höhe des Daches oder Giebels ergeben. Die Dachneigung war hierbei gestaffelt zu berücksichtigen. Das sich daraus ergebende Maß bezeichnet man als 1 H.

Im neuen Gesetz wird bei den Abstandsflächenregelungen eine Anpassung vorgenommen. Es erfolgt eine Angleichung an die Musterbauordnung. 

Das Mindestmaß der Tiefe der Abstandsflächen wird dabei verkürzt:

Grundsätzlich beträgt das neue Maß für die Tiefe der Abstandsflächen künftig 0,4 H bzw. 0,2 H für Gewerbe- und Industriegebiete, mindestens jedoch 3m. Bisher galt hier die Regelung von 1 H bzw. 0,5 H für Kerngebiete und urbane Gebiete bzw. 0,25 H für Gewerbe- und Industriegebiete, mindestens jedoch auch 3m.

Künftig erfolgt für die Bemessung der Tiefe der Abstandsflächen auch keine Anrechnung mehr der Giebelseite auf die Wandhöhe, sondern eine Berücksichtigung der Wand in ihrem Gesamtaufriss.

Bei der Berechnung der Abstandsflächentiefe bei der traufseitigen Wandhöhe gab es bisher ein gestuftes System. Dieses wird durch eine 70 Grad-Schwelle novelliert, d.h. die Höhe von Dächern mit einer Neigung von kleiner/gleich 70 Grad wird bis zu 1/3 der Wandhöhe zugerechnet und die Höhe von Dächern mit einer Dachneigung von mehr als 70 Grad wird voll zur Wandhöhe gerechnet.

Das sog. 16m-Schmalseitenprivileg wird entfallen. (Bei Gebäuden mit zwei Außenwänden bis 16m Länge genügte als Abstandsfläche 0,5 H.) 

Dachgauben sind nun abstandsrelevant. 

Die bisherige Regelung für Grundstücke mit besonders langen Grenzen entfällt. Für die Großstädte München, Augsburg, Nürnberg gilt weiterhin ein Maß der Abstandsflächentiefe von 1 H, mindestens 3 m. Eine maßvolle Weiterentwicklung soll so ermöglicht werden.

Durch die Neuregelungen der Abstandsflächen soll dichteres und damit flächensparendes Bauen ermöglicht werden. Den Schutzzwecken (Belichtung, Belüftung, Besonnung und Sozialabstand) werden Rechnung getragen.

In der Anlage sind Beispiele beigefügt, in denen die kommenden Änderungen bildlich dargestellt sind.

  1. Folgen der Neuregelungen im Abstandsflächenrecht

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich Abstandsflächen künftig grundsätzlich verkürzen und nicht mehr zwingend rechteckig sind. 

Die neuen Abstandsflächen gelten ab 01.02.2021 für Bauvorhaben im sogenannten Innenbereich (§ 34 BauGB). Rechtlich derzeit ungeklärt ist, ob die neuen Abstandsflächenregelungen auch bei bestehenden Bebauungsplänen zur Anwendung kommen, wenn darin auf die Abstandsflächen der (bisherigen) BayBO verwiesen wurde. Hier ist strittig, ob die alten Regelungen anzuwenden sind oder die neuen gelten. Problematisch ist hier vor allem der Umstand, dass es zu einem Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit durch das Gesetzgebungsorgan kommt. In Bebauungsplänen, in denen keine Aussagen zu Abstandsflächen getroffen wurden, aber große Bauräume festgesetzt wurden und hierbei die Abstandsflächen bei der Planung von Gebäuden in diesen zu beachten sind, gelten wohl die neuen Regelungen. Klarheit besteht aktuell jedoch nicht.

  1. Möglichkeit zum Erlass einer Satzung über abweichende Maße der Abstandsflächen

In Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO wird den Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt, durch eine Satzung das Abstandsflächenrecht abweichend von den gesetzlichen Regelungen zu gestalten. Insbesondere eine Erhöhung des neuen Regelfalls (0,4 H bzw. 0,2 H) ist denkbar.

Voraussetzung hierbei ist jedoch, dass dies der Erhaltung des Ortsbildes im Gemeindegebiet oder in Teilen des Gemeindegebiets bezweckt oder der Verbesserung oder Erhaltung der Wohnqualität dient.

Zu beachten ist allerdings weiterhin der Vorrang des Bauplanungsrechts, d.h. eine bodenrechtliche Steuerung durch diese Satzung ist nicht möglich.

Die vorgenannte Satzungsermächtigung tritt möglicherweise bereits zum 15.01.2021 in Kraft.

Bei Erlass einer solchen Satzung sind folgende rechtliche Anforderungen zu beachten:

  • Der Geltungsbereich (gesamtes Gemeindegebiet oder Teile davon) muss begründet sein.
  • Eine Begründung der Satzung ist grundsätzlich nicht erforderlich, wird aber gerade bei der Abstandsflächensatzung empfohlen.
  • Die Grundsätze der Abwägung sind zu beachten. Die Gemeinde muss begründen, was sie mit der Satzung erreichen will und sich mit den Wirkungen der Satzung auseinandersetzen. Dies gilt vor allem für die Eigentümerbelange.

Die Abstandsflächenverlängerungssatzung kann vor allem mit der Wohnqualität sowie dem Erfordernis von Flächen für Nebenanlagen begründet werden.

Seitens des Bayerischen Gemeindetags wurde in Abstimmung mit dem Bauministerium eine Mustersatzung entworfen.

Der Erlass einer Abstandsflächenerweiterungssatzung in Anlehnung an die Mustersatzung wird aus Sicht der Verwaltung befürwortet. Der Satzungsentwurf mit Begründung ist in der Anlage beigefügt.   

Um eine „Regelungslücke“ zu vermeiden, sollte die Satzung noch im Januar 2021 beschlossen und vor dem 01.02.2021 bekannt gemacht werden. In der Satzung sollte ferner geregelt werden, dass diese zum 01.02.2021 in Kraft tritt. Rechtlich gesichert ist diese Vorgehensweise jedoch nicht.

Rechtsanwalt Beisse von der Kanzlei Döring Spieß ist in der Sitzung anwesend und wird auf eventuelle rechtliche bzw. inhaltliche Fragen eingehen.

Ergänzend zur Thematik wird auf einen Presseartikel „Dachau stemmt sich gegen Baurechtsnovelle“ im Münchner Merkur vom 18.12.2020 (siehe Anlage) verwiesen.

Absehbare finanzielle und/oder personelle Auswirkungen der Beschlussfassung:

Die Beschlussfassung hat grundsätzlich keine finanziellen und/oder personellen Auswirkungen.

Beschluss

Der Gemeinderat beschließt den Entwurf der Satzung mit Begründung über abweichende Maße der Abstandsflächen (Anlage zur Niederschrift) als Satzung mit Begründung.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 18, Dagegen: 0

Datenstand vom 20.10.2021 10:40 Uhr