Stellungnahme des Landesbunds für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) vom 27.08.2021


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 14.10.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat (Gemeinde Haimhausen) Sitzung des Gemeinderates 14.10.2021 ö 1.1.12

Sachverhalt

Der LBV teilte folgendes mit:

„….
1.Umweltbericht – Tiere und Pflanzen

Der von Ihnen vorgetragene Umweltbericht ist in Teilen oberflächlich und unvollständig. Er wird dem Stellenwert und der Bedeutung der letzten Niedermoor-Reliktfläche „Inhauser Moos“ nicht gerecht.

Begründung:
Zum einen ist die Datenlage lückenhaft (z.B. Ringelnatter, Natrix und Blindschleiche, Anguis fragilis – fehlen). Zum anderen sind Arten enthalten, die nicht nachgewiesen sind. Dies ist u.E. darauf zurückzuführen, dass hier allgemeine Daten landkreisbedeutender Arten eingeflossen sind, welche aber nicht repräsentativ für das Inhauser Moos sein können. Fischarten wir Moderlieschen, Stichling oder Bitterling wurden im Geltungsbereich Inhauser Moos ganz weggelassen oder nicht erfasst. Bei den Pflanzen fehlt z.B. der Hinweis auf dort vorkommende Arten der Roten Liste, wie z.B. das Helm-Knabenkraut (Orchis militaris). Ein Vorkommen der Strauchbirke nähe Kreuzung Hochstraße/ Heuweg ist uns hingegen nicht bekannt. Insofern ist ihre „überschlägige Abschätzung zu saP-relevanten Arten“ zum Anhang IV der FFH-Richtlinie und den streng geschützten Arten der Bundesartenschutzverordnung falsch. Ebenso ist die Einschätzung falsch „durch die Konzentrationsfläche für Höchstspannungsleitungen entstünden Auswirkungen von geringer Erheblichkeit – allein die Entwertung der bestehenden Kiebitzbrutflächen widerlegt dies.“

Abwägung:
Die aufgeführten Arten werden in die saP mit aufgenommen und berücksichtigt. Um die Artenvorkommen innerhalb des Geltungsbereichs bestmöglich abzubilden, bittet die Gemeinde den LBV darum, vorhandene Artnachweise an das Büro Linke + Kerling weiterzuleiten. Das Vorkommen der Moor-Birke ist auf Aussagen des ABSP gestützt. In diesem ist eine Fläche mit Standorten der Strauch-Birke ausgewiesen, eine aktuelle Datenerhebung im Gelände erfolgte für den Flächennutzungsplan nicht. Da keine detaillierte Planung zum Verlauf und der Lage der Maststandorte der Höchstspannungsfreileitung vorliegt, kann zu diesem Planungsstand nur eine überschlägige saP durchgeführt werden. Die Kiebitzhabitate im Süden der Hangleite sind durch bestehende Freileitungen vorbelastet. Der Abstand der Südvariante zum im Plan aufgeführten Kiebitz Bruthabitat ist in etwa derselbe wie zur derzeitigen Bestandstrasse im Norden. 


„Die Einstufung nach den „Lebensraumfunktionen“ der einzelnen Teilflächen und die Beurteilung nach den hier vorkommenden Arten erweckt den Anschein einer untergeordneten Wertigkeit. Formulierungen wie „folgende Arten können vorkommen“, „Auswirkungen auf die Biodiversität sind nicht zu erwarten“, „derzeitiger Kenntnisstand“ oder „Auswirkungen von geringer Erheblichkeit“ beruhen eben nicht auf Fakten, sondern sind voreingenommen und spekulativ. Erst die artenschutzrechtliche Prüfung im Rahmen der Bauleitplanung gibt hier Klarheit. Nicht nur die Teilflächen sind für das Ökosystem Inhauser Moos zu bewerten, sondern der gesamte Landschaftskomplex und der mit dem Leitungsbau fortschreitende Lebensraumverlust für Pflanzen, Tiere und Menschen.“

Abwägung:
Eine Prüfung der Auswirkungen des konkreten Vorhabens auf Arten bleibt dem Planfeststellungsverfahren vorbehalten, im den auch der konkrete Trassenverlauf mit Maststandorten und technischer Ausführung der Trasse bekannt ist. Die Ermittlungs- und Bewertungstiefe auf Ebene der Flächennutzungsplanung ist ausreichend und angemessen, um eine Abwägung der denkbaren Konzentrationszonen vorzunehmen. 


2. Umweltbericht – Wald

Die Niedermoor-Reliktwälder im Inhauser Moos finden im Gegensatz zum sog. „Schutzwald“ kaum Erwähnung. Die Gewichtung und Beurteilung der südlichen Waldfläche ist nicht angemessen und zum Teil falsch.


Begründung:
Gerade im östl. Teil der Moosniederung befinden sich die noch in Teilen hochwertigen Moorwaldflächen mit Relikten eiszeitlicher Birkenwälder. Moorwälder sind prioritär FFH-Lebensraumtyp. Die Biodiversität dieser Wälder ist für den waldarmen Landkreis Dachau von großer Bedeutung. Altholzbestände und Biotopbäume gehen einher mit wirtschaftlicher Waldnutzung. Die insgesamt kleine Fläche von < 50 ha wurde in den letzten Jahrzehnten bereits durch den Bau der Bestandsleitung und einer Gaspipeline stark beeinträchtigt. Der dabei entstandene Waldverlust wurde nie kompensiert. Der Platzbedarf zur Errichtung eines Mastens wird auf ca. 5000 m² + permanente Zufahrtswege (3,5 m Breite) angegeben. Die daraus resultierenden Fällungen plus kilometerlange Rodungen zur Kabelverlegung zerstören dieses Waldgebiet endgültig. Durch die Erschließung neuer Wege erlischt die Funktion des Waldes als Rückzugsgebiet für Wildtiere nördlich der A99 und des Schleißheimer Badesees. Ein Eingriff widerspricht zudem allen Plänen der Bayerischen Staatsregierung zum Thema Moorwaldrenaturierung und Wiedervernässung – siehe „zehn-Punkte-Plan“ zur Klimaschutzoffensive 2019 (https://www.stmuv.bayern.de/themen/klimaschutz/klimaschutzgesetz/index.htm).

Der in Ihrem Bericht ausführlich thematisierte Hangwald/ Schutzwald hingegen unterliegt einer wesentlich höheren waldwirtschaftlichen Nutzung und erreicht allein deshalb keine höhere ökologische Wertstellung zum Reliktwald.“

Abwägung:
Die Waldflächen wurden alle gleich mit „hoch“ gewichtet. Aufgrund der Größe des Geltungsbereichs sowie der Planungsebene der Flächennutzungsplanung erfolgte keine flächendeckende Kartierung im Rahmen des Teilfächennutzungsplans. Daher wurde eine detailliertere Differenzierung der Waldflächen nicht vorgenommen. Die Niedermoorwaldrelikte innerhalb des Geltungsbereichs sind nicht als FFH-Gebiet ausgewiesen. Jedoch wurden bei der Bearbeitung die amtlich als Biotop kartierten Niedermoorwaldrelikte besonders berücksichtigt. Der Punkt 2 „Renaturierung der Moore“ im 10-Punkte-Plan verweist auf die Erhaltung und die Renaturierung der Moore in Bayern. Es handelt sich bei dem „10-Punkte-Plan“ zunächst allerdings lediglich um eine unverbindliche, politische Absichtserklärung, der keine rechtliche Bedeutung zukommt. Zudem enthält der „10-Punkte-Plan“ im Hinblick auf die Renaturierung der Moore lediglich die Ankündigung eines Förderprogramms sowie von Maßnahmen im Staatswald. Das besondere Schutzbedürfnis der Moorflächen wird gleichwohl gesehen und in die Abwägung eingestellt, jedoch handelt es sich beim Inhausermoos bereits um einen vorbelasteten Standort, der durch die Bestandsleitung sowie weitere Infrastrukturen (Autobahn A 92) beeinträchtigt ist. Darüber hinaus werden bei der Errichtung der Höchstspannungsfreileitung Minimierungsmaßnahmen (z.B. Auslegen von Fahrplatten) angewendet, die einer Verletzung des Moorbodens vorbeugen. 


3.Umweltbericht - Wasser

Das östliche Inhauser Moos ist einer der letzten noch existierenden Niedermoorreste mit hochanstehendem Grundwasser. Gerade hier muss es nach Plänen der Bayerischen Staatsregierung nachhaltig um Wiedervernässung und Revitalisierung dieses hochpotenten CO2-Speichers gehen. Alle Baumaßnahmen zum Leitungsneubau gefährden das Grundwasser und den Pegelstand zusätzlich zum Klimawandel und der landwirtschaftlichen Nutzung. Für die Anker zur Befestigung eines Mastens müssen mehrere 30m tiefe Bohrungen gesetzt und ausbetoniert werden. Die umfangreichen Entwässerungsmaßnahmen und der Wegebau für den Schwerlastverkehr können den Wasserhaushalt irreparabel schädigen. Der Eintrag von Schmierstoffen, Abgasen und sonstigen Verunreinigungen ist unvermeidbar und zudem kaum kontrollierbar. Die Teilversiegelungen durch Zufahrten und Fundamente sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Der ökologisch hochwertvolle Samgraben, die Moosach, der Massov-Kanal und zahlreiche stehende Gewässer im Umfeld sind existenziell abhängig von Wasserstand und Gewässergüte. Minimale Abweichungen haben maximale Folgen auf Gewässer und ihre Bewohner.“

Abwägung:
Die Prüfung und Beauflagung der notwendigen Vorgaben und Maßnahmen zur Sicherstellung der wasserfachlichen Belange ist Aufgabe des Planfeststellungsverfahrens und nicht der vorliegenden Flächennutzungsplanung. Die Belange des Schutzguts Wasser wurden in die Abwägung eingestellt und bewertet, eine weitere Anpassung ist nicht veranlasst. 


4. Umweltbericht - Boden

Nicht nachvollziehbar ist beim aktuellen Stand der Diskussion und der bereits vorhandenen Gesetze die geringe Bewertung der Moorböden in puncto Klimaschutz. Hier wird deutlich, dass das Thema CO2-Speicherung und Moorschutz noch nicht angekommen ist oder absichtlich unterbewertet wird – die Ertragsfähigkeit steht im Vordergrund – warum? Hier ist die Bayerische Staatsregierung klar in ihren Vorgaben und offensichtlich weiter als die Planer.“

Abwägung:
Die Wichtigkeit der Moorböden als CO²-Speicher ist unumstritten. Jedoch ist es durchaus üblich, die Empfindlichkeit des Bodens schwerpunktmäßig über die Ertragsfähigkeit abzubilden. Darüber hinaus kann angemerkt werden, dass es der Gemeinde obliegt, welche Kriterien bzw. Gewichtungen in der Methodik herangezogen werden. Die Gemeinde würdigt die Belange von Natur und Landschaft. Insbesondere die Belange des Moorschutzes, der Moorwälder sowie der Schutzgüter Boden, Wasser sowie Arten und Lebensräume werden in die Betrachtungen zur sog. Südtrasse einbezogen. Die Gemeinde hält an der bisherigen Bewertungsmethodik, siehe Anlage 1 zur Begründung des Teilflächennutzungsplans, fest, passt jedoch die Herleitung zum Schutzgut Boden in der Herleitung der Einzelbewertung einem Punkt an. Die Ertragsfähigkeit der Offenlandflächen mit unterdurchschnittlichem Ertrag (Acker- bzw. Grünlandzahl unter 55) wird entgegen der in Fachkreisen durchaus üblichen Beschränkung der Bewertungskriterien ausschließlich auf die Ertragsfähigkeit, hier nun nurmehr einfach gewertet, um dem Moorschutz hier noch eine höhere Wertigkeit zu verleihen. Somit verändert sich zwar die Karte 2b Boden Bewertung erheblich. Die Gesamtzusammenschau im Raumwiderstand 8a verändert sich hingegen nicht.


5. Trassenvarianten

Die von der Gemeinde Haimhausen angebrachten Argumente, dass auch die Nordvariante deutliche Einschnitte in die Natur fordert, kann nicht geteilt werden.
1. – weil mehr als 80% der Flächen nicht bewaldet sind und keine naturschutzfachlich relevanten Räume darstellen. 
2. – weil die Argumentation einer möglichen gemeindlichen Ausdehnung keine anderen Folgen hätte – entweder Naturschutz oder Bebauungsplan beides ist nicht möglich und auch nicht glaubwürdig.
3. – weil hier auch unterirdisch geplant werden könnte.“

Abwägung:
Wie viele bewaldete Flächen letztendlich durch den Leitungsbau betroffen sind, lässt sich erst durch eine detaillierte Planung der Trasse sagen. Daher gibt der Suchkorridor der Firma TenneT dazu noch keine vergleichbaren Informationen für die Nord- und Südvariante. Nichts destotrotz ist der Waldbestand auf der Hangleite neben dem Schutz des Bodens vor Erosion auch für das Landschaftsbild aufgrund der hier enorm hohen überörtlichen Fernwirkung zu schützen. Im Süden von Haimhausen ist für die Gemeinde die einzig sinnvolle Möglichkeit sich siedlungsmäßig weiterzuentwickeln. Dies wird auch durch den Regionalplan München durch die Ausweisung von „Flächen, die zur Siedlungsentwicklung besonders in Betracht kommen“ verstärkt. Eine Erdverkabelung für den Ersatzneubau Oberbachern – Ottenhofen ist aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage nicht zu erwarten, wird durch die vorliegende Regulierung von Höchstspannungsfreileitungen aber explizit auch nicht verboten.


6. Fazit

Der LBV lehnt eine erneute Zerschneidung des Inhauser Mooses durch den Leitungsbau ab. Als Miteigentümer gemeinsamer und betroffener Flächen hätten wir uns gerne eine engere und zeitnahe Einbindung in die Vorhaben der Gemeinde Haimhausen gewünscht.

Aus unserer Sicht ist es völlig unverständlich warum die Gemeinde nicht mit Nachdruck die unterirdische Verlegung der Variante Nord favorisiert. Diese Lösung wäre für die große Mehrheit aller Betroffenen das geringste Übel und ein gangbarer Kompromiss. Zudem wäre es ein wichtiger Schritt das Dachauer Moos in seinen letzten noch intakten Resten zu erhalten und durch die Vorgaben der Bayerischen Staatsregierung sogar langfristig zu schützen. Diese Chance wird hier vergeben. Eine großflächige Renaturierung der Niedermoorfläche Inhauser Moos ist mindestens genauso teuer wie ein unterirdischer Leitungsbau und bringt trotz Allem die verlorengegangenen Flächen nicht zurück.“

Abwägung:
Hier handelt es sich um einen vorbelasteten Raum. Bei der Trassenvariante Haimhausen Nord werden bislang unberührte Landschaftsteile zerschnitten und weithin sichtbar erheblich beeinträchtigt. Aufgrund des § 4 BBPIG liegt das Vorhaben Oberbachern – Ottenhofen außerhalb der Pilotprojekte, die für eine Erdverkabelung in Frage kommen. Daher ist eine Erdverkabelung weder für die Variante Haimhausen Nord oder Haimausen Süd aufgrund der aktuellen Gesetzeslage und nach derzeitigem Sachstand zu erwarten. Es wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vorliegende Planung eine Erdverkabelung nicht reguliert und daher im Hinblick auf eine mögliche Nordtrasse als erdverkabelte Trasse keine Aussage trifft.

Beschluss

Der Gemeinderat nimmt die Stellungnahme des LBV zur Kenntnis und macht sich die Abwägung zu Eigen. Die Bewertung des Schutzguts Boden wird im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Moorböden angepasst. Im Ergebnis führt die Abwägung allerdings weiterhin zu einer Bevorzugung des südlichen Trassenverlaufs.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 16, Dagegen: 4

Datenstand vom 30.11.2021 10:05 Uhr