Erneute Beantragung von Tempo 30 in der Altstadt


Daten angezeigt aus Sitzung:  16. Stadtratssitzung, 05.05.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat (Stadt Herrieden) 16. Stadtratssitzung 05.05.2021 ö 3.3

Sachverhalt

Nachdem mit dem Schreiben vom 7. Oktober 2020 der Antrag der Stadt Herrieden auf Tempo 30 in der Altstadt abgelehnt wurde, beantragte Erste Bürgermeisterin erneut Tempo 30 für die Altstadt von Herrieden mit folgendem Schreiben: 

Antrag einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung auf einen
Teilbereich der Altstadt

Sehr geehrte Frau Clausen,

in Ihrem Schreiben vom 7. Oktober 2020 teilen Sie uns mit, dass Sie keine entsprechende Rechtsgrundlage sehen, um eine streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung in der Innenstadt von Herrieden anzuordnen. 

Die Stadt Herrieden erarbeitet derzeit zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern und dem Planungsbüro stadtlandverkehr ein Verkehrsentwicklungskonzept. Im Zuge dieser konzeptionellen Erarbeitung werden Gefahrenstellen für Radfahrer und Fußgänger in den Blick genommen. 
Alle am Prozess Beteiligten sind sich darin einig, dass für die Innenstadt von Herrieden aus Sicherheitsgründen zwingend Tempo 30 angeordnet werden muss. Die einzelnen Gründe möchte ich Ihnen noch einmal aufzeigen: 
Erfreulicherweise finden sich in der Altstadt von Herrieden noch eine Vielzahl von Geschäften, eine Apotheke, eine Postfiliale, zwei Banken, ein Fitnessstudio, ein Optiker, ein Hörgeräteakustiker, eine physiotherapeutische Praxis, sieben gastronomische Betriebe, ein Therapiezentrum, ein Ärztehaus, eine Buchhandlung, ein Reisebüro, eine Steuerkanzlei die Stadt-und Pfarrbücherei, sowie jeden Freitag der gutbesuchte Wochenmarkt. Diese Frequenzbringer haben zur Folge, dass es einen regen Querungsverkehr von Fußgängern in der Vorderen Gasse, am Marktplatz und in der Fortsetzung der Vorderen Gasse Richtung Bahnhofstraße gibt. Auch die Stiftsbasilika am Marktplatz und das Rathaus am Herrnhof werden von vielen Fußgängern besucht, was eine Überquerung der Straße erforderlich macht. Hinzu kommt, dass drei sensible Einrichtungen im direkten Umgriff angesiedelt sind: die Wolfhard-Schule, wo mittlerweile nicht nur ein Sonderpädagogisches Förderzentrum, sondern auch eine SVE untergebracht ist, das Gabrielihaus, ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung, und das Marienheim, ein Seniorenwohn- und Pflegeheim mit angeschlossenem Betreuten Wohnen. In allen drei Einrichtungen werden Menschen betreut, die als Fußgänger besonders gefährdet sind. In gleicher Weise gilt dies auch für die Kinder, die die KiTa St. Deocar besuchen, welche sich am Deocarplatz befindet. 

In einer Ortsbegehung mit dem Senioren- und Inklusionsbeirat der Stadt Herrieden wurde aus Sicht der Senioren und Menschen mit Behinderung nachdrücklich auf die Probleme hingewiesen, die sich ergeben, wenn man als Fußgänger in der Herrieder Altstadt unterwegs ist: Die zum Teil schmalen Gehwege zwingen die Passanten immer wieder auf die Straße. Vor allem an der Stadt- und Pfarrbücherei, an der Stadtmauer- sowohl von der Neunstetterstr. kommend als auch in die Bahnhofstraße ausfahrend – im Bereich der Stiftsbasilika und am Rathaus ergibt sich eine besondere Gefahrensituation, da die Fußgänger an den genannten Stellen mangels ausreichender Breite des Gehweges auf die Straße ausweichen müssen.

Durch die Kurve in der Vorderen Gasse ergibt sich eine unübersichtliche Gesamtsituation, die für Fußgänger mit Handicap die Überquerung der Straße besonders schwierig macht. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass sich durch aus- und einparkende Fahrzeuge entlang der Straße die Situation für Fußgänger zusätzlich verschärft.
Nachdem die Altstadtfreunde Herrieden e.V. mehrmals gefährliche Situationen für Fußgänger in der Vorderen Gasse dokumentiert haben, hat der Vorsitzende des Vereins mittlerweile eine Gefährdungsanzeige erstattet. 

Auch der Stadtrat von Herrieden ist sich der Gefahrensituation bewusst und hat sich in seiner Sitzung vom 6. 11. 2019 einstimmig für Tempo 30 in der Herrieder Innenstadt ausgesprochen. Dieses Votum wurde durch den Bau- und Verkehrsausschuss in der Sitzung vom 9. 3. 2021 einstimmig bestätigt. 

Es ist allgemein bekannt, dass Temporeduzierungen zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen. Unfallzahl und Unfallschwere nehmen schon wegen der physikalischen Zusammenhänge grundsätzlich mit steigenden Geschwindigkeiten zu. Der Anhalteweg eines Fahrzeugs setzt sich bekanntlich aus zwei Faktoren zusammen, dem Reaktionsweg und dem Bremsweg. Üblicherweise wird eine menschliche Reaktionszeit zwischen der Wahrnehmung einer Gefahr (z. B. Person auf der Fahrbahn) und der Einleitung entsprechender Maßnahmen (z. B. Bremsen) von 1 Sekunde angenommen. Ein Fahrzeug mit 30 km/h legt in dieser Sekunde rund 8,3 Meter zurück, bei einem Fahrzeug mit 50 km/h sind es 13,9 Meter. Physikalisch gesehen muss die kinetische Energie (1/2*m*v²) eines Körpers umgewandelt werden, um ihn zum Stillstand zu bringen. Da die Bewegungsenergie eines Fahrzeugs quadratisch mit der Fahrzeuggeschwindigkeit wächst, erfordert dies bei einem Fahrzeug mit 50 km/h im Vergleich zu 30 km/h einen etwa 2,8-fachen Aufwand (50²/30² = 2,78). Bei gleicher Bremsleistung ist der Bremsweg mit 50 km/h daher fast dreimal so lang wie bei Tempo 30. 

Aus Gründen der Verkehrssicherheit beantragen wir daher für den stark frequentierten Bereich der Altstadt, in der gesamten Vorderen Gasse und vom Anwesen der Flurnummer 210, Gemarkung Herrieden (Marktplatz 10), bis zur Einfahrt der Wolfhard-Schule, Flurnummer 14, Gemarkung Herrieden (Herrenhof 13) sowie vom Marktplatz bis zur Altmühlbrücke eine streckenbezogene Temporeduzierung auf 30 km/h. 

Im Rahmen der Erarbeitung des Verkehrskonzeptes fand im September 2020 eine Verkehrserhebung statt. Diese Zählung erbrachte den Nachweis, dass der Bereich, für den wir die Anordnung von Tempo 30 beantragen, die am stärksten befahrenen Straßen in Herrieden aufweist. Das hohe Verkehrsaufkommen von 5.500 Fahrzeugen am Tag verdeutlicht hoffentlich in ausreichendem Maße den Handlungsbedarf. 


Da die baulichen Gegebenheiten in der Altstadt keinen separaten Radweg zulassen, sind auch Fahrradfahrer im fließenden Verkehr bei einer Geschwindigkeit der anderen Verkehrsteilnehmer von 50 km/h einer höheren Gefährdung ausgesetzt, als dies bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Tempo 30 der Fall ist.  Auf die Gefahrenlage der Fahrradfahrer hinzuweisen, ist in diesem Zusammenhang deshalb wichtig, da Herrieden als Stadt am Altmühlradweg vor allem zwischen März und Oktober ein hohes Fahrradaufkommen durch ortsunkundige Radtouristen aufweist.
Außerdem liegt der Anteil des Rad- und Fußgängerverkehrs in Herrieden bei über 40%, wenn es um den Binnenverkehr innerhalb der Kernstadt geht, wie die Haushaltsbefragung vom 5. 11. 2019 ergeben hat. 


Aus Gründen der Verkehrssicherheit beantragen wir daher für den stark frequentierten Bereich der Altstadt, in der gesamten Vorderen Gasse und vom Anwesen der Flurnummer 210, Gemarkung Herrieden (Marktplatz 10), bis zur Einfahrt der Wolfhard-Schule, Flurnummer 14, Gemarkung Herrieden (Herrenhof 13) sowie vom Marktplatz bis zur Altmühlbrücke eine streckenbezogene Temporeduzierung auf 30 km/h. 

Ihr Hinweis auf die Auswertung der Unfallzahl kann als Begründung gegen eine Temporeduzierung nicht akzeptiert werden, denn dies würde bedeuten, dass man erst handelt, wenn ein folgenschwerer Unfall geschehen ist. Genauso wenig greift die Auswertung der Geschwindigkeitsmessung. Vernünftige Verkehrsteilnehmer passen natürlich ihr Fahrverhalten der unübersichtlichen Situation an und nehmen Rücksicht auf schwächere Verkehrsteilnehmer. Aber es sind ja genau die anderen Verkehrsteilnehmer, die die Radfahrer und Fußgänger durch eine zu hohe Geschwindigkeit gefährden. Diese Verkehrsteilnehmer müssen verpflichtet werden, ihr Tempo zu reduzieren, da sie es ja erwiesenermaßen nicht wie die Mehrheit der Verkehrsteilnehmer freiwillig tun. Nur wenn Tempo 30 angeordnet ist und Verstöße dagegen auch geahndet werden können, kann man auch weniger rücksichtsvolle Kraftfahrer zu einer der Situation angemessenen Fahrweise bewegen. 

Dieses Argument kann aus unserer Sicht nicht entkräftet werden, da auf derselbe Staatsstraße wenige Kilometer westlich Richtung Leutershausen im Ortsteil Niederdombach Tempo 30 angeordnet wurde. An dieser Engstelle herrscht im Vergleich zur Herrieder Altstadt verhältnismäßig wenig Kreuzungsverkehr durch Fußgänger und Radfahrer und jeder vernünftige Kraftfahrer passiert die Engstelle nicht mit mehr als 30 km/h. Dennoch wurde vollkommen zu Recht an dieser Stelle Tempo 30 angeordnet, da es eben auch einzelne Verkehrsteilnehmer gibt, die ihr Fahrverhalten nicht freiwillig an die besondere Situation anpassen. Mit der Anordnung von Tempo 30 wurde die rechtliche Grundlage für eine Tempoüberwachung gegeben, die unsere kommunale Verkehrsüberwachung auch regelmäßig nutzt. So werden die Kraftfahrer, die ihr Fahrverhalten nicht von selbst an die Situation anpassen, sensibilisiert und zu einer niedrigeren Geschwindigkeit gezwungen. 

Aus Gründen der Verkehrssicherheit beantragen wir daher für den stark frequentierten Bereich der Altstadt, in der gesamten Vorderen Gasse und vom Anwesen der Flurnummer 210, Gemarkung Herrieden (Marktplatz 10), bis zur Einfahrt der Wolfhard-Schule, Flurnummer 14, Gemarkung Herrieden (Herrenhof 13) sowie vom Marktplatz bis zur Altmühlbrücke eine streckenbezogene Temporeduzierung auf 30 km/h. 

Wir sehen uns in dieser Forderung auch nicht als Ausnahmekommune, sondern verweisen auf eine Reihe ähnlicher Fälle. Auch in nachfolgenden Kommunen verläuft eine Staatsstraße durch die Altstadt, auf der Tempo 30 angeordnet wurde:

  • Markt Hengersberg (LK DEG), St2126, DEG7 und DEG10)
  • Gemeinde Schönberg (LK FRG), FRG 35
  • Stadt Bad Berneck (LK BT), BT48, früher B2
  • Markt Stammbach (LK HO), HO 21
  • Gemeinde Thurnau (LK KU), St2189
  • Gemeinde Kleinostheim (LK AB), B8
  • Gemeinde Hösbach (LK AB), B26
  • Stadt Neustadt a. d. Waldnaab (LK NEW), B15
  • Stadt Wolfratshausen (LK TÖL), B11, 
  • Markt Isen (LK ED), St2332




Ich erneuere daher den Antrag der Stadt Herrieden und beantrage für den stark frequentierten Bereich der Altstadt, in der gesamten Vorderen Gasse und vom Anwesen der Flurnummer 210, Gemarkung Herrieden (Marktplatz 10), bis zur Einfahrt der Wolfhard-Schule, Flurnummer 14, Gemarkung Herrieden (Herrenhof 13) sowie vom Marktplatz bis zur Altmühlbrücke eine streckenbezogene Temporeduzierung auf 30 km/h. 

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen



Dorina Jechnerer
Erste Bürgermeisterin

Dokumente
Vollzug der StVO - LRA Ansbach - Tempo 30 Innenstadt - Schreiben vom 07.10.2020 (.pdf)

Datenstand vom 08.07.2021 08:13 Uhr