- Warum Gästeticket? Ein Blick auf unsere Region und über den Tellerrand
Das Allgäu zieht als eine der tourismusstärksten Regionen in Deutschland ganzjährig Reisende aus Deutschland sowie dem Ausland zum Wandern und Radfahren, für Wintersport, Wellness, Kulinarik und weiteren Erlebnissen an. Aktivitäten innerhalb des eigenen Urlaubsortes, insbesondere aber auch in der gesamten Region erfordern eine gute Mobilität. Hierbei gewinnt das Bedürfnis von Gästen eines guten Angebots, mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln verschiedene Ziele erreichen zu können, eine immer größer werdende Rolle.
Die Einführung eines beitragsfinanzierten Gästetickets für die Nutzung von Bus und Bahn für Übernachtungsgäste der Region ist neben künftig geplanten Angebotsverbesserungen ein zentrales und notwendiges Instrument, um dieses Bedürfnis zu erfüllen. Folgende Gründe sprechen für die Einführung eines solchen Ticketangebots für Übernachtungsgäste:
- Attraktivierung des ÖPNV
Durch vereinfachten Zugang und einfache Nutzung des ÖPNV-Systems für die Gäste der Region werden Zugangsbarrieren abgeschafft. Es ist keine Kenntnis des Tarifs und des Ticketangebots notwendig, da mit dem Gästeticket der Zugang zu den meisten Fahrtstrecken gewährleistet ist. Des Weiteren erfolgt eine Zeiteinsparung in den Bussen durch den Wegfall von Ticketverkäufen, wodurch in Spitzenzeiten Verspätungen reduziert werden können.
- Beitrag zur Verkehrswende und zum Klimaschutz
Durch die stärkere Nutzung des ÖPNV kann eine Reduzierung des Individualverkehrs der Gäste vor Ort erfolgen. Gleichzeitig steigt die Attraktivität einer Anreise per Bahn, weil mit dem Angebot die Mobilität der Gäste vor Ort auch ohne eigenes Auto gesichert ist.
- Finanzierung des ÖPNV
Einen Faktor für die ÖPNV-Finanzierung in der Region stellt bereits heute in vielen Gemeinden die Refinanzierung touristischer Angebote über den Kurbeitrag und damit auch über die Nutzer (= Gäste) dieser Angebote dar. Mit einem übergreifenden Gästetickt erfolgt auch diese Finanzierungsgrundlage künftig übergreifend und einheitlich.
- Urlaubskarte
Früher ein stark nachgefragtes Produkt, verliert die Urlaubskarte (4/7/14 Tage) jedoch weiterhin enorm an Relevanz, insbesondere durch die sukzessive Einführung lokaler Gästekarten mit ÖPNV-Nutzung, des Weiteren durch die Einführung des Deutschlandtickets. Das Finanzierungsmodell der Urlaubskarte hatte mit Einführung einen Ausbau des ÖPNV auf von Übernachtungsgästen, aber auch von Einheimischen genutzten Buslinien ermöglicht.
Die Urlaubskarte wird mit Einführung des neuen Gästetickets eingestellt, spätestens aber jedoch – unabhängig von der Einführung des neuen Gästetickets – zum 01.01.2025.
Heute sind Gästetickets in einigen Kommunen bereits vorhanden, bisher im Projektgebiet ausschließlich auf lokaler Ebene und nur für Buslinien. So gibt es Freifahrtsmodelle in den Destinationen Oberstaufen, Bad Hindelang, Oberstdorf, Kleinwalsertal, Alpsee-Grünten und in den Hörnerdörfern (ohne Ofterschwang). Die Gemeinde Oy-Mittelberg nimmt derweil teil an dem Gästefreifahrtsmodell des Landkreises Ostallgäu (allgäumobil).
Ein Blick auf andere Regionen zeigt, dass auch großflächigere Lösungen funktionieren können, z.B. am Bodensee mit der Echt-Bodensee-Card. Seit 2017 gibt es für Gäste teilnehmender Kommunen eine beitragsfinanzierte Freifahrt im Gebiet des Verkehrsverbunds bodo. Nach dem Start von vier Pilotgemeinden mit insgesamt lediglich 450.000 Übernachtungen p.a. im Jahr 2017 nehmen mittlerweile 15 Gemeinden mit insgesamt rund 4,5 Mio. Übernachtungen p.a. teil und finanzieren über die Beiträge die Echt-Bodensee-Card mit inkludierter ÖPNV-Nutzung. Die Kosten hierfür bewegen sich in etwa im gleichen Bereich der für das Oberallgäu kalkulierten Werte.
- Bausteine für eine erfolgreiche regionale Lösung
- Grundlagen: Zielgruppe, Bedingungen, Einschränkungen
- Wer erhält das Gästeticket?
- Alle Übernachtungsgäste ab 6 Jahren in den teilnehmenden Kommunen erhalten das ÖPNV-Gästeticket. Aus Gleichbehandlungsgründen gilt dies auch für Zweiwohnsitzinhaber. Kinder unter 6 Jahren werden grundsätzlich in Begleitung der Elternteile kostenfrei befördert.
- Geschäftsreisende erhalten kein Gästeticket und keine Allgäu-Walser-Card (neu ab Herbst: Allgäu-Walser-Pass). Der Status als Gast ist möglich, sofern freiwillig ein Kurbeitrag geleistet wird.
- Was beinhaltet das Gästeticket?
- Freie Nutzung des Nahverkehrs (Bus und Bahn) in der 2. Klasse im definierten Gebiet während des Aufenthaltes.
- Keine grundsätzlich freie Beförderung von Haustieren oder Fahrrädern – es gelten die jeweiligen Tarif- und Beförderungsbestimmungen (Hinweis: Haustiere werden im aktuellen Tarif kostenfrei mitbefördert).
- Sonderverkehre wie Anruf-Sammel-Taxi und einzelne Sonderlinien (Hinterstein-Giebelhaus, Steibis-Hörmoos, Oberstdorf-Spielmannsau) sind ausgeschlossen. Verschiedene Orts- und Stadtbusse sind grundsätzlich integriert.
- Gebietskulisse: Kerngebiet, Kooperations- und Erweiterungsgebiete
- Kerngebiet
Das Kerngebiet für die Nutzung des Verkehrsangebotes bilden der Landkreis Oberallgäu, die Stadt Kempten und Jungholz. In Teilen grenzüberschreitende Linien der mona (z. B. Linie 66 bis Leutkirch) sind enthalten.
Eine Nutzung des Gästetickets im Kleinwalsertal ist zum Start der Pilotphase noch nicht möglich. Vorgesehen ist die Nutzbarkeit des Walserbusses bis zur Grenzhaltestelle „Walserschanze“.
- Erweiterungs- und Kooperationsgebiete
Es laufen Abstimmungen und Verhandlungen mit benachbarten Regionen, damit Gäste mit Gästeticket auch die dortigen Verkehrsmittel nutzen können:
Geplant zur Umsetzung mit Start Pilotphase des Gästetickets. Gäste mit dem Ticket sollen die Busse im Tannheimer Tal mit nutzen können.
- Westallgäu und Württembergisches Allgäu (bodo-Verkehrsgebiet)
Geplant zur Umsetzung mit Start Pilotphase; Gäste sollen mit Gästeticket auch Bus und Bahn im bodo-Verkehrsgebiet (insbesondere Stadt und Landkreis Lindau/Westallgäu sowie Württembergisches Allgäu) nutzen können.
- Bregenzerwald (Regio Bregenzerwald / Verkehrsverbund Vorarlberg)
Ursprünglich vorgesehen für einen Start ca. Mitte bis Ende 2025, wird derzeit bereits für den Start der Pilotphase geplant. Mit Gästeticket sollen Busse im Bregenzerwald bis Bregenz genutzt werden können.
Eine Umsetzung ist hier in vollem Umfang voraussichtlich erst ab 2027 realisierbar, es laufen hier in gewissen Abständen Gespräche zwischen den beiden Gebieten. Angebracht ist es grundsätzlich, auf Basis eines gemeinsamen Verkehrsverbundes künftig eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, wofür aber eine größere Vorlaufzeit benötigt wird.
- Finanzierung: Kalkulation und Verhandlungen
- Kalkulationsgrundlage Übernachtungszahlen
Als eine der wichtigsten Grundlagen für die Kalkulation wurden die Übernachtungszahlen im Kerngebiet des Gästetickets herangezogen.
Im Landkreis Oberallgäu und der Stadt Kempten werden abzüglich der 0- bis 6-Jährigen, abzüglich Geschäftsreisender und abzüglich weiterer nicht kurbeitragspflichtiger Personen ca. 8,66 Mio. Übernachtungen als Berechnungsgrundlage herangezogen (Basisjahr 2019).
- Solidarbeitrag je Übernachtung
Die Abrechnung der Kosten soll über einen Solidarbeitrag pro ticketrelevanter Übernachtung durch die Kommunen erfolgen. Jede Kommune soll sich mit dem identischen Solidarbeitrag je Übernachtung beteiligen.
Die Kalkulation des Solidarbeitrags enthält folgende Bestandteile:
- Ausgleichsleistungen ggü. DB Regio,
aufbauend auf antizipierten Nutzungsszenarien
- Ausgleichsleistungen ggü. Busunternehmen im nördl. Oberallgäu und Kempten (mona),
aufbauend auf antizipierten Nutzungsszenarien
- Ausgleichsleistungen ggü. Busunternehmen im südl. Oberallgäu (VGOA),
aufbauend auf Alteinnahmenansatz i.V.m. antizipierten Nutzungsszenarien
- Betrieb und Clearing
insb. eTicket-Erstellung und Clearingstelle
Bisher vom Landkreis Oberallgäu in die laufende Finanzierung der Urlaubskarte (4/7/14 Tage), insbesondere im Rahmen des damaligen Ausbaus der Nahverkehrsleistungen eingebrachten Eigenmittel in Höhe von jährlich 620.000 € (fortgeschriebener Wert für Pilotphase inkl. Kostensteigerung) fließen vorbehaltlich eines tatsächlichen Starts in die Finanzierung des Gästetickets mit ein. Damit entlastet der Landkreis Oberallgäu die Kommunen beim Gästeticket um ca. 7 Ct. pro ticketrelevanter Übernachtung.
Nach Abzug dieses Finanzierungsbausteins sowie unter Berücksichtigung der für 2024, 2025 und 2026 anstehenden Tarifsteigerungen und nach Berücksichtigung eines Abschlags für das Deutschlandticket in Höhe von 20% (sofern das Deutschlandticket auf den Verkehren anerkannt ist, einzelne Verkehrsmittel ohne Anerkennung des Deutschlandtickets sind nicht vom Abschlag betroffen) ergibt sich für die Kommunen ein Finanzierungsbetrag in Höhe von 0,93 € je Übernachtung +/- ca. 5 Cent (inkl. MwSt.).
Im Regelfall ist vorgesehen, dass die Refinanzierung der Kosten über eine Anpassung/Anhebung des Kurbeitrags erfolgt, wo dies möglich ist.
Die Abweichung (+/- ca. 5 Cent) ergibt sich aktuell noch aus den verschiedenen Zusammensetzungen eines möglichen endgültigen Teilnehmerfeldes für die Pilotphase, da insbesondere beim Verkehr im südlichen Oberallgäu bereits Gästekartenverträge bestehen, die ggf. abzulösen bzw. einzubeziehen sind und Kostenbausteine darstellen, die je nach Übernachtungszahl im Gesamtgebiet rechnerisch stärker oder schwächer je einzelner Übernachtung ins Gewicht fallen können.
Es ist vorgesehen, vom Frühjahr 2025 bis Frühjahr 2026 für ein Jahr eine Evaluation durchzuführen, um insbesondere festzustellen, ob die in der Kalkulation zum Teil getroffenen Annahmen zur Erstellung der Nutzungsszenarien zu korrigieren sind und die Kalkulation entsprechend anzupassen ist. Mitentscheidend für die Ableitung möglicherweise erforderlicher Anpassungen ist auch das tatsächliche Nutzungsverhalten mit dem Allgäu-Walser-Pass und dem darauf befindlichen Gästeticket. Neben den Auswertungen von Ticketregistrierungen sollen auch Fragebögen erstellt und Befragungen in den Verkehrsmitteln durchgeführt werden.
- Organisation: Technik, Abrechnung und laufender Betrieb
- Ticketing: Wie kommt der Gast zum Gästeticket?
Die Ausgabe der ÖPNV-Berechtigung im Rahmen des Gästetickets als eTicket erfolgt auf Basis des Meldescheins im AWC-System. Wichtig dabei ist, dass in den teilnehmenden Kommunen für die Ausgabe des Gästetickets künftig keine Papier-Meldescheine mehr möglich sind, sondern flächendeckend digital agiert wird.
Die Bereitstellung der digitalen ÖPNV-Berechtigung erfolgt für jeden Gast über die Anmeldung in der neuen Allgäu-Walser-App (Scan QR-Code auf/mit Meldeschein durch den Gast oder Self-Check-In).
Insbesondere in der früheren Phase nach Einführung sollen Gäste die Möglichkeit haben, die Berechtigung beim Gastgeber oder über die Tourist-Info ausdrucken zu lassen, insb. wenn der Umgang mit mobilen Endgeräten noch nicht so vertraut ist.
- Technik im laufenden Betrieb und Abrechnung
Für den laufenden Betrieb ist vorgesehen, dass die Oberallgäu Tourismus Service GmbH (OATS, künftig Allgäu-Walser-Service GmbH) zuständig ist für die wirtschaftliche, organisatorische und technische Abwicklung und als Clearingstelle agiert. Der Landkreis Oberallgäu soll bis auf Weiteres den Projekt-Lead innehaben, betraut aber (gemeinsam mit den Kommunen) die OATS mit der Abwicklung und führt ggf. den Eigenanteil des Kreises an der (Mit-)Finanzierung an die OATS ab.
Die Kommunen führen indes ihren Solidarbeitrag an die OATS ab, welche den beteiligten Verkehrsunternehmen (später u.U. dem künftigen Verkehrsverbund) die Ausgleichszahlungen zukommen lässt, welche den Unternehmen im Rahmen der abzuschließenden Verträge zustehen.
- Rechtsrahmen: Vertragsbeziehungen und Steuermodell
Aktuell erfolgt die Erstellung und Abstimmung des Rechtsrahmens zu den Vertragsbeziehungen und der steuerlichen Ausgestaltung.
Die Grafik zeigt den aktuellen Planungsstand zum Konstrukt der Vertragsbeziehungen:
Für das Modell der Vertragsbeziehungen sind erste Abstimmungen bereits erfolgt und es liegen positive Rückmeldungen zur Umsetzbarkeit vor. In den kommenden Wochen und Monaten werden die Strukturen sowie die Verträge ausgearbeitet.
Es ist vorgesehen, für das angedachte Steuermodell eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt einzuholen.
- Timeline – Zeitplan und Darstellung der nächsten Schritte im Projekt
Die aktuelle Zeitplanung sieht eine Umsetzung zum Start der Wintersaison 2024/2025 vor, voraussichtlich ab Mitte November, gleichzeitig zur Einführung des neuen Systems der Allgäu-Walser-Card, dann Allgäu-Walser-Pass.
Zur abschließenden Kalkulation und finalen Festlegung des Solidarbeitrags der teilnehmenden Kommunen je Übernachtung benötigt der Landkreis Oberallgäu bis spätestens Ende März 2024 eine verbindliche Rückmeldung, ob eine Teilnahme und Finanzierung im Rahmen des Preisfensters erfolgt.
Infolge dessen ist die Finalisierung der Kalkulation Anfang April 2024 vorgesehen, damit alle Kommunen entsprechend zur abschließenden Planung des konkret anzupassenden Kurbeitrags nochmals informiert werden können.