Mit Schreiben vom 26.05.2020 stellte die Fraktionsgemeinschaft FW/SPD den Antrag auf Steigerung von Bürgernähe und Transparenz durch die Schaffung von Möglichkeiten digitaler Teilnahme am öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzungen mittels Live-Stream. Die Verwaltung sollte die rechtlichen und technischen Möglichkeiten zur Einrichtung eines Livestreams und zur Teilnahme der Mitbürger am öffentlichen Teil der Sitzungen des Gemeinderats prüfen sowie die dadurch möglicherweise anfallenden Kosten auflisten.
Nach Rücksprache mit der Kommunalaufsicht und dem Datenschutzbeauftragten, ist die Zulässigkeit von Tonband- und Fernsehaufnahmen umstritten. Der Art. 52 Abs. 2 GO gewährleistet lediglich die sog. Saalöffentlichkeit. Demnach hat jeder Interessierte die Möglichkeit und das Recht, in der öffentlichen Gemeinderatssitzung anwesend zu sein und sich unmittelbar zu informieren. Eine „Medienöffentlichkeit“ ist hieraus nicht abzuleiten. Bei einer Live-Übertragung ins Internet können Bild und Ton weltweit von einer unbegrenzten Zahl von Personen abgerufen, aufgezeichnet, ggfs. sogar verändert und ausgewertet werden.
Entscheidet sich der Gemeinderat für eine Live-Übertragung ins Internet, ist von jeder betroffenen Person eine Einwilligung erforderlich. Diese ist ohne Entscheidungsdruck auf der Grundlage ausreichender Informationen über die besonderen Modalitäten einer Interneteinstellung und mit ausreichender Überlegungsfrist einzuholen.
Der Zuschauerbereich ist generell auszunehmen, da die erforderliche Einwilligung vor Beginn der Sitzung den datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht gerecht wird.
Auch Bürger, deren personenbezogenen bzw. personenbeziehbaren Angelegenheiten in öffentlicher Sitzung behandelt werden, müssen eine entsprechende Einwilligung abgeben.
Zudem ist eine eindeutige Regelung zur Live-Übertragung ins Internet in die Geschäftsordnung aufzunehmen.
Jedes Gemeinderatsmitglied hat jederzeit die Möglichkeit seine Einwilligung zu widerrufen. Dies kann auch zu einzelnen Tagesordnungspunkten erfolgen.
Ist dies der Fall, dürfen keine Ton- und Bildaufnahmen dieses Gemeinderatsmitglieds übertragen werden.
Da dies bei einer Live-Übertragung technisch schwer umzusetzen ist, besteht auch die Möglichkeit die Gemeinderatssitzung aufzuzeichnen und nach anschließender Bearbeitung für einen kurzen Zeitraum im Internet zu veröffentlichen. Eine Internet-Mediathek über aufgezeichnete Sitzungen ist unzulässig.
Gegen eine Live-Übertragung von öffentlichen Gemeinderatssitzungen mittels einer Kamera in einen anderen Raum besteht bei Einwilligung der betroffenen Personen keine Bedenken. Allerdings darf auch hier keine Ton- und Bildaufnahme eines Gemeinderatsmitglieds übertragen werden, wenn ein Widerruf vorliegt.
Der Bayerische Gemeinderat rät von Live-Übertragungen aus folgenden Gründen ab:
- Der Gemeinderat behandelt lokal bedeutsame Sachentscheidungen, deren weltweite Übertragung nicht erforderlich ist
- Interessierte Bürgerinnen und Bürger können die Gemeinderatssitzung im Sitzungssaal mitverfolgen und/oder die Niederschriften hierzu einsehen
- Gemeinderatsmitglieder äußern sich ggfs. nicht mehr unbefangen und spontan, was die Funktionsfähigkeit des Gemeinderats beeinträchtigt
- Die Einholung einer Einwilligung ohne Entscheidungsdruck wird nur schwer möglich sein
- Der Ausschluss des Zuschauerbereichs wird aufgrund des baulichen Zuschnitts oftmals schwierig sein
- Der Kosten-Nutzen-Aufwand ist fragwürdig (zum Vergleich: Kreisfreie Stadt mittlerer Größe hat jährliche Kosten von etwa 15.000 €)
Die möglichen Kosten für eine Übertragung wurden noch nicht weiter erörtert. Dies wäre von der jeweiligen Übertragungsvariante und der Anzahl von feststehenden oder freien Kameras abhängig. Im Falle einer Aufzeichnung und Bearbeitung der Videos wäre ein externer Dienstleister zu beauftragen, da die Kapazität und das Fachwissen in der Rathausverwaltung hierzu nicht ausreichen. Ein evtl. erforderliches Raumsystem schlägt mit Kosten von etwa 10.000 € zu Buche, eine Webcam kostet ca. 100 €, ein Mikrophon etwa 200 €.