Behandlung der Äußerungen der Bürger im Rahmen der öffentlichen Auslegung


Daten angezeigt aus Sitzung:  Sitzung des Gemeinderates, 21.01.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Gemeinderat Sitzung des Gemeinderates 21.01.2019 ö 3.2

Sachverhalt

Von der Anwaltskanzlei eines Bürgers wurde mit Schriftsatz vom 23.10.2018 folgendes vorgebracht:

  1. Der zu ändernde Bebauungsplan setzt nach unserer Kenntnis als Gebietsart ein Dorfgebiet (MD) fest. Ein solches dient vor allem der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe. Tatsächlich sind in dem Satzungsgebiet keine Landwirtschaften mehr vorhanden. Damit ist der Bebauungsplan insoweit funktionslos geworden. Es handelt sich aufgrund der fast ausschließlichen Wohnnutzung faktisch um ein Wohngebiet (WA). Der Bebauungsplan wäre daher insgesamt neu aufzustellen und ein Wohngebiet auszuweisen. Die Änderung eines funktionslos gewordenen Bebauungsplanes (Dorfgebiet) wäre hingegen rechtswidrig.

  1. Gemäß der vorliegenden Planung soll nahezu das gesamte Grundstück, auf dem sich das Feuerwehrhaus befindet, versiegelt werden. Dadurch würde die maximal zulässige Grundflächenzahl von 0,6 überschritten, § 17 BauNVO.

  1. Gemäß Ziffer 1.2.8 der geplanten Änderung darf das natürliche Gelände am Anschluss zum Nachbarsgrundstück nicht spürbar verändert werden. Im Bereich der Grundstücksgrenzen zum Nachbargrundstück unseres Herrn Mandanten ist unklar, was mit natürlichem Gelände gemeint ist. Das ursprünglich bestehende natürliche Gelände, wie es heute noch auf dem unbebauten unmittelbar benachbarten Grundstück unseres Herrn Mandanten zu sehen ist, fiel ca. 1,50 m zum südlichen Grundstück ab. Dieses abschüssige Gelände besteht auf dem Grundstück des Feuerwehrhauses nur noch am äußersten Rand, im Übrigen nicht mehr. Es wurde in den letzten Jahren durch Aufschüttungen verändert und eingeebnet. Zusätzlich wurde im Bereich zur Grundstücksgrenze unseres Herrn Mandanten, parallel zur Stockbahn, ein kleiner, etwa 50 cm hoher Erdwall aufgeschüttet und bepflanzt. Wir haben Zweifel daran, dass diese vorgenannten Geländeveränderungen rechtmäßig waren. Wir regen dringend an, aufzuklären, ob mit dem natürlichen Gelände unter Ziffer 1.2.8 das heute bestehende Gelände gemeint ist und dies auch rechtmäßig so besteht.

  1. Die Ziffer 1.2.8 widerspricht im Übrigen der Planung gemäß Ziffer 2.3 sowie der Planfestsetzung, wonach im Bereich der Grundstücksgrenze zum Grundstück unseres Herrn Mandanten Stellplätze errichtet werden sollen. Für die Errichtung der Stellplätze müsste wohl der vorgenannte bepflanzte Wall entfernt werden. Außerdem müsste entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück unseres Herrn Mandanten bis zu 1,50 m hoch aufgefüllt werden, um eine ebene Stellplatzfläche zu erhalten. Derartige wohl objektiv erforderliche Geländeveränderungen sind aber gemäß Ziffer 1.2.8 der Planung unzulässig.

  1. Gemäß Ziffer 1.2.9 sind die gesetzlichen Abstandsflächen gemäß Art. 6 Bayerische Bauordnung einzuhalten. Durch die Vergrößerung des Baufensters wird aber offensichtlich bei einer maximal möglichen Bebauung der Grenzabstand an der Seite zum Buchnerweg nicht eingehalten. Gleiches gilt für den Fall der Errichtung einer Nebenanlage auf der Seite zum Buchnerweg.

  1. Mit der Festsetzung von 10 bis maximal 12 möglichen Stellplätzen direkt entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück unseres Herrn Mandanten besteht kein Einverständnis. Es wird dadurch eine unzumutbare Belästigung durch Lärm und Abgase befürchtet, wenn auf dem Grundstück unseres Herrn Mandanten künftig eine Bebauung und entsprechende Wohnnutzung erfolgt. Der Nutzen der Feuerwehr zum Schutz und Wohle aller Bürger ist unbestritten. Allerdings führt die geplante Erweiterung des Feuerwehrgrundstücks mit der großen Anzahl von Stellplätzen dazu, dass gesunde Wohnverhältnisse auf dem Nachbargrundstück unseres Herrn Mandanten nicht mehr gewährleistet werden können, § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB.

  1. Die Festsetzung zur Zulässigkeit von Stützmauern zum Ausgleich von Geländeunterschieden unter Ziffer 2.4 widerspricht der Regelung in Ziffer 1.2.8, wonach spürbare Geländeveränderungen unzulässig sind. Im unmittelbaren Grenzbereich zum Grundstück unseres Herrn Mandanten besteht abfallend bis zur südlichen Grundstücksseite eine Höhendifferenz zwischen den beiden Nachbargrundstücken von bis zu 1,50 m.

  1. Nach Auskunft von Herrn Übel gegenüber unserem Herrn Mandanten soll die Änderung der Begründungsvorschriften nicht nur für das Grundstück des Feuerwehrhauses sondern auch für die Nachbargrundstücke gelten. Die Auskunft halten wir aufgrund des Plans mit dem gekennzeichneten Änderungsbereich für falsch. Wir ersuchen insoweit um Aufklärung.

  1. Die DIN 18915, auf die in Ziffer 5.3.1 verwiesen wird, ist in ihrer zuletzt geänderten aktuellen Fassung nicht über das Internet verfügbar. Damit besteht keine Möglichkeit, sich über diese Vorschrift des Bebauungsplans, auf die Bezug genommen wird, zu informieren. Auf Nachfrage unseres Herrn Mandanten wurde ihm mitgeteilt, dass die DIN in der Gemeinde auch nicht zur Einsicht ausliegt. Damit ist die Auslegung und die Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 BauGB unvollständig und somit unwirksam.


Stellungnahme der Verwaltung:
Die Verwaltung schlägt eine Abwägung der Argumente wie in der nachfolgenden Beschlussfassung aufgeführt vor.
Es wird ergänzend darauf hingewiesen, dass ein Kaufangebot der Gemeinde für eine Teilfläche zur Bereinigung der Thematik nicht in Betracht gezogen wurde.

Allgemein wird bemerkt, dass der Anbau an das bestehende Feuerwehrhaus sowohl aus Umwelt- als auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten als für das Gemeinwohl äußerst vorteilhaft zu bewerten ist. Ein Neubau – nur möglich am Ortsrand auf der sogenannten „grünen Wiese“ – würde zusätzliche Fläche versiegeln, gegen das Gebot der vorrangigen Innenentwicklung verstoßen und aus wirtschaftlichen Gesichtspunkt wohl die dreifachen Kosten verursachen. Darüber hinaus wäre eine sinnvolle Nachnutzung des bestehenden Feuerwehrgerätehauses fraglich.

Beschluss

Der Gemeinderat beschließt:

Beschlussvorlage zu 1)
Der Forderung der Bebauungsplan wäre funktionslos geworden kann nicht gefolgt werden. Bei der Auswahl des Gebietscharakters wurde bei Aufstellung des Bebauungsplanes nicht nur auf die im Geltungsbereich des Bebauungsplanes gelegene Bebauung abgestellt. Vielmehr wurde auch auf die im Einwirkungsbereich gelegene, vorhandene Bebauung abgestellt. Neben den im Ortsbereich von Seibersdorf ansässigen land- forstwirtschaftlichen Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben befinden sich auch zwei Kfz-Werkstätten und das Feuerwehrgerätehaus im Bereich bzw. im Nahbereich des Bebauungsplanes. Der Umstand, dass ein land- oder forstwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb mehr oder weniger intensiv genutzt wird, liegt nicht in der Hand der Gemeinde, sondern des jeweiligen Eigentümers. Die Einlassungen im Hinblick auf die Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes aufgrund des Gebietscharakters (MD) muss daher zurück gewiesen werden. Die Ausweisung als Dorfgebiet wurde bewusst gewählt.

Beschlussvorschlag zu 2) Überschreitung GRZ:
Die Stellungnahme bezieht sich nicht auf eine Frage der Bauleitplanung sondern auf eine Frage des Baugenehmigungsverfahrens. Hierzu wird bemerkt, dass gem. § 17 Abs. 2 der BauNVO die in Abs. 1 festgelegten Obergrenzen überschritten werden dürfen, wenn die Überschreitung durch Umstände ausgeglichen ist oder durch Maßnahmen ausgeglichen wird, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden und nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden werden.
Die Überschreitung der Grundflächenzahl (GRZ) und die damit verbundene Bodenversiegelung wird durch die Versickerung des anfallenden Niederschlagswassers kompensiert. Negative Auswirkungen sind durch den geplanten Umbau /Modernisierung des in den 1980 er Jahren errichteten Feuerwehrgerätehaueses und die damit einhergehende Erhöhung der Grundflächenzahl auf die Umliegende Bebauung nicht zu erwarten.
Im Gegenteil: Der Anbau ist aus Umweltgesichtspunkten und mit Blick auf die regelmäßig gefordert und auch von der Gemeinde Kirchdorf a. Inn als positiv bewertete Thematik „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ sehr positiv zu bewerten. Zum einen würde durch einen Neubau am Ortsrand deutlich mehr und zusätzliche Fläche versiegelt. Zum anderen würde dies aller Voraussicht nach zum Leerstand des Gebäudes im Ortsbereich führen.

Beschlussvorschlag zu 3) Zweifel am natürlichen Geländeverlauf
Wie bereits erwähnt, ist das Feuerwehrgerätehaus und die Stockbahn in den 1980 er Jahren errichtet worden. Der Gemeinde liegen weder Geländeprofile z.B. vor- bzw. nach Errichtung des Gerätehaues vor. Die unter Punkt 1.2.8 gewählte Formulierung, wonach „Am Anschluss zum Nachbargrundstück das natürliche oder das als natürlich festgesetzte Gelände nicht spürbar verändert werden darf“ bezieht sich daher auf das heute bestehenden Gelände.
Im Hinblick auf die gehegten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des vorhandenen Geländeverlaufes empfehlen wir, zukünftig die zuständige Bauaufsichtsbehörde (Landratsamt Rottal-Inn) umgehend zu kontaktieren.

Beschlussvorschlag zu 4) Widerspruch zwischen Ziffer 1.2.8 „Gelände“ zu Ziffer 2.3 „Stellplätze u. befestigte Flächen“
Die Aussage „entlang der Grundstücksgrenze zu unserem Mandanten müsste bis zu 1,50 m hoch aufgefüllt werden um eine ebene Stellplatzfläche zu erhalten“ ist spekulativ. Im Bereich der Grundstücksgrenze gilt Ziffer 2.4 der textl. Festsetzungen (Einfriedungen) wonach zum Ausgleich von vorhandenen Geländeunterschieden Stützmauern bis zu einer Höhe von max. 1,0 m zulässig sind. Die Textziffer 1.2.8 betrifft Geländeveränderungen. Ein Widerspruch der textlichen Festsetzungen ist für den neutralen Beobachter nicht feststellbar.

Beschlussvorschlag zu 5) Abstandsflächen gem. Art. 6 der Bayer. Bauordnung nicht eingehalten
Die Stellungnahme bezieht sich nicht auf eine Frage der Bauleitplanung sondern auf eine Frage des Baugenehmigungsverfahrens. Der Nachweis für die Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen wird im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nachgewiesen.

Beschlussvorschlag zu 6) gesunde Wohnverhältnisse nicht mehr gewährleistet
Der Behauptung, „durch die Ausweisung von 10 – 12 Kfz-Stellplätzen entlang der Grundstücksgrenze wirkt sich wegen der zu befürchtenden Beeinträchtigung durch Lärm- und Abgase auf gesunde Wohnverhältnisse auf den Nachbargrundstücken aus“ kann nicht gefolgt werden. Bereits mit Baugenehmigungsbescheid vom 13.04.1987 wurden 10 Kfz-Stellplätze entlang der Grundstücksgrenze genehmigt. Der Zu- und Abfahrtsverkehr der Feuerwehrmitglieder dürfte im vorliegenden Fall sowohl für die bereits bestehende, bzw. die noch zu erwartenden Bewohner des Quartiers zumutbar sein, zumal der Nutzen der Freiwilligen Feuerwehr für die Dorfgemeinschaft unbestritten ist. Darüber hinaus darf bemerkt werden, dass der Zu- und Abfahrtsverkehr in Seibersdorf weniger stark stattfindet als bei anderen Feuerwehren, da eine Großzahl der Feuerwehreinsatzleistenden auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommt. Beschwerden der Anlieger hierüber sind nicht bekannt.

Beschlussvorschlag zu 7) Stützmauern und Geländeunterschiede
Der Einwand Punkt 2.4 (Einfriedungen) und Punkt 1.2.8 (Gelände) der textlichen Festsetzungen widersprechen sich nicht, da unterschiedliche Themen - einerseits Einfriedungen andererseits Geländeveränderungen – behandelt werden. Der Geländeverlauf auf der Grundstücksgrenze Feuerwehrgerätehaus wird nicht verändert.

Beschluss zu Punkt 8) Grünordnung
Der Geltungsbereich des Änderungsdeckblattes Nr. 1 zur Änderung des Bebauungsplanes Seibersdorf „An der Feuerwehrgasse“ ist unter „Sonstige Planzeichen“, Pkt. 4.1 geregelt. Für alle anderen Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplanes gelten die Festsetzungen des Bebauungsplanes in der Fassung vom 27.09.1993 weiter.

Beschluss zu Pkt. 9) DIN 18915 „Vegetationstechnik im Landschaftsbau“ wurde nicht ausgelegt.
Von der Verwaltung wurde nach Ergänzung der Unterlagen um die DIN 18915 und 18920 „Vegetationstechnik im Landschaftsbau“ eine erneute öffentliche Auslegung des Änderungsdeckblattes-Nr. 1 in der Zeit vom 06.12.2018 bis zum 07.01.2019 durchgeführt.

Abstimmungsergebnis
Einstimmig angenommen

Datenstand vom 19.02.2019 16:27 Uhr