Die Verwaltung hat Stellungnahmen u.a. von der Polizei und der IHK erholt, die in der nachstehenden Bewertungen wiedergegeben werden und Berücksichtigung finden.
- Derzeitige Situation
Eine Fußgängerzone ist eine Verkehrsfläche, auf der Fußgänger ein ausschließliches Nutzungsrecht gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern haben. Hierbei handelt es sich demnach um einen geschützten Bereich, in welchem die Fußgänger außerhalb der Lieferzeiten das Vertrauen haben dürfen, auf keinen bzw. nur gelegentlichen Fahrzeugverkehr zu treffen.
Die Lieferzeiten gelten Montag bis Freitag von 06.30 Uhr bis 11.00 Uhr und samstags von 06.30 Uhr bis 09.00 Uhr. Die nachstehend genannten Uhrzeiten bezüglich 11.00 Uhr beziehen sich analog auch immer auf das Ende der Lieferzeit am Samstag um 09.00 Uhr.
Die genehmigten Zufahrten außerhalb der Lieferzeiten beliefen sich im Jahr 2020 auf rund
- 300 Stück für Anwohner (z.B. „Großeinkauf“ an Getränken, Keller räumen, Möbelstück ein-/ausladen, Umzug)
- 50 Stück für gewerbliche Einfahrten z.B. Umzugsfirmen
- 120 Stück für An-/Abreise Ferienwohnungsgäste (weite Anreise, späte Ankunft, viel Gepäck)
- 7 Jahresausnahmegenehmigungen für private Stellplatzinhaber
Bei den 244 ausgestellten Handwerkerparkkarten ist ein Einfahren und ggf. 2 Stunden Parken in der Fußgängerzone im Notfall (z. B. Wasserrohrbruch) gestattet.
Um den Schutzbereich der Fußgängerzone in der Maximilianstraße herzustellen, soll der Fahrzeugverkehr weitestgehend ausgeschlossen werden. Hierbei gilt es den Konflikt zwischen dem Schutz der Fußgängerzone und den Belangen der Anwohner, Einzelhändler, Beherbergungsbetriebe und Handwerker möglichst gering zu halten.
Im Vorgriff auf die geplanten Poller hat die Verwaltung bereits im letzten Jahr einige Dauerausnahmegenehmigungen für regelmäßig „verspätet notwendige“ Anlieferungen auslaufen lassen und die Antragsteller darauf hingewiesen, dass diese künftig nur noch im Rahmen der Lieferzeiten stattfinden können bzw. ggf. von außen abzuwickeln sind.
- Bewertung der Verwaltung
Die Verwaltung hat zuletzt Anwohnern der Fußgängerzone Ausnahmegenehmigungen aus den beispielhaft genannten Gründen auf Antrag stets zukommen lassen.
Auch Mietern von Ferienwohnungen wurde kurzfristig mdl. oder per Email eine Ausnahmegenehmigung erteilt, um das Entladen mit viel Gepäck zu ermöglichen. Diese Praxis entspricht letztlich auch der akt. Beschilderung für Hotelübernachtungsgäste (Be-/ Entladen frei).
- Ausnahmeregelungen
Es stellt sich die Frage, wie die Verwaltungspraxis in Zukunft aussehen soll, insbesondere ob an einigen Stellen der Wunsch nach einer restriktiveren Handhabung seitens der Hauptausschussmitglieder besteht. Es sind verschiedene Regelungen denkbar:
- Anwohner bekommen auf Antrag bedarfsweise eine Einmal-PIN oder pro Haushalt lediglich eine gewisse Anzahl max. PINs / Jahr.
Schwerbehinderte Anwohner mit Merkzeichen „aG“ können gegen Pfand einen Einfahrtschip/-transponder erhalten (z.B. Abholung zum Arzt durch Familienangehörigen), eine Telefonnummer hinterlegen lassen oder einen ganzjährigen PIN erhalten.
Anwohner, die in oder aus der Maximilianstraße oder Cramergasse ziehen, bekommen für den Umzugszeitraum einen PIN.
- Beherbergungsgäste (Inselgraben und Insel-Hotel) / Mieter von Ferienwohnungen (ca. 10 an vier Standorten) bekommen weiterhin einen Einmal-PIN oder müssen bei verspäteter Anfahrt künftig mit Hotelier oder Vermieter hausinterne Lösungen suchen.
- Gewerbetreibende mit begründeter AG (akt. 2) können, damit Lieferdienst aufrecht erhalten werden kann, gegen Gebühr / Pfand einen Einfahrtschip/-transponder erhalten, eine Telefonnummer hinterlegen lassen oder einen ganzjährigen PIN erhalten.
- Arztbesuche von Schwerbehinderten mit Merkzeichen „aG“ oder frisch operierte Patienten bekommen bei Bedarf einen einmaligen PIN für ihren jeweiligen Arzt in der Fußgängerzone.
- Taxen erhalten im begründeten Ausnahmefall einen einmaligen PIN.
- Private Stellplatzinhaber müssen über die Seitengassen zu- und abfahren. Die zukünftigen fixen Poller in den Seitengassen (vgl. Anlage) werden erst nach den Zufahrten zu den jeweiligen Stellplätzen in den Seitengassen installiert.
- Handwerker müssen die Einfahrt in die Maximilianstraße gesondert zur Handwerkerparkkarte beantragen. Diese werden dann je nach Dauer der Baustelle / Notwendigkeit gegen Gebühr mit PIN genehmigt.
- Feuerwehr und Polizei können mit Dreikantschlüssel oder PIN zufahren.
- nicht bedachte spezielle Einzelfälle werden nach schriftlichen Antrag von der Verwaltung gesondert geprüft.
- Einrichtung einer Lieferzone
Da die Umsetzung des Lindauer Logistikkonzeptes (LiLo) erst mittelfristig in ca. 2 - 3 Jahren erfolgen kann, könnte erwogen werden, einen Lieferbereich für nicht rechtzeitig eingetroffene Lieferverkehre einzurichten, damit diese die Möglichkeit haben, bei verspäteter Anfahrt (z.B. nach Stau) noch ihre Waren ausliefern zu können. Nachdem dies in der Zeppelinstraße wegen dem dortigen Busverkehr offiziell nicht möglich ist, käme nur der obere Bereich des Inselgrabens in Betracht. Hierfür müssten dann allerdings drei Kurzzeit-Parkplätze aufgelassen werden. In dem verkehrsberuhigten Bereich Alter Schulplatz, Marktplatz und Reichsplatz ist ein Entladen außerhalb gekennzeichneter Flächen ohnehin zulässig.
Sowohl der Mobilitätsbeauftragte der Stadt und des Stadtrates als auch die Polizei halten die Ausweisung von Lieferzonen generell für kontraproduktiv, da diese letztlich eine verspätete Lieferung jederzeit ermöglichen würden und dies wiederum einkalkuliert werden würde, vom Grundsatz her aber gar nicht ermöglicht werden sollte.
Vor diesem Hintergrund sollte von einer offiziellen Lieferzone im Inselgraben, die überwiegend leer stehen würde und letztlich unnötig zu Lasten von öffentlichen Parkplätzen ginge, Abstand genommen werden. Dies wäre dann auch wieder für die Etablierung des LiLo zuträglich.
- Jederzeitige Ausfahrt mittels Kontaktschleife
Die Prüfung des Einsatzes eine Kameraüberwachung zur Sanktionierung einer verspäteten Ausfahrt hat ergeben, dass dies nicht mit datenschutzrechtlichen Vorschriften in Einklang zu bringen ist. Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 18.12.2018, Az. 1 BvR 142/15, darf eine automatische Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle im öffentlichen Straßenraum nicht erfolgen, da dies einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, selbst wenn im Falle eines Nichttreffers das Kennzeichen nur für einen Bruchteil einer Sekunde vorliegt und danach automatisch und spurenlos gelöscht wird. Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein.
Da an der Poller-Ausfahrt regelmäßig auch berechtigte Fahrzeugführer vorfahren, kann eine dauerhafte Videoüberwachung insofern nicht vorgenommen würden. Im Übrigen wäre ein täglicher Abgleich mit den Videoaufnahmen zu aufwändig.
- Einführung einer 2. Lieferzeit
Nachdem das Zeitfenster für die Lieferfirmen unter der Woche bis 11.00 Uhr ohnehin schon begrenzt ist, da eine Vielzahl der Gewerbetreibenden auf der Insel vor 09.00 Uhr gar nicht öffnen / erreichbar sind, könnte über eine 2. Lieferzeit, z.B. Mo. - Do. von z.B.. 18.00 Uhr - 20.00 Uhr nachgedacht werden. So gibt es z.B. eine abendliche Lieferzeit in Überlingen von 18.00 - 19.00 Uhr, in Friedrichshafen und Bregenz von 18.00 - 20.00 Uhr und in Ravensburg von 18.00 - 22.00 Uhr.
Von dieser Variante sollte aber zum Schutze von Gastronomie, Handel und Besucher der Fußgängerzone sowohl aus Sicht der Verwaltung, der Polizei und auch der IHK kein Gebrauch gemacht werden.
Seitens der IHK wird eine Lieferzeit bis 11.00 Uhr für ausreichend angesehen. Sollte es Überlegungen für eine Ausdehnung bis 11.30 Uhr oder maximal 12.00 Uhr geben, könnte die IHK dies mittragen. Darüber hinaus würden die IHK eine Lieferzeit ablehnen.
- Automatisches Hochfahren der Poller mit Ende der Lieferzeit
Es wurde verschiedentlich die konkrete Erwartungshaltung an die Stadtverwaltung herangetragen, dass der Lieferverkehr pünktlich um 11.00 Uhr beendet sein muss und die Fahrzeuge die Fußgängerzone dann bereits verlassen haben müssen. Zu diesem Zweck solle die Ausfahrt nach 11 Uhr dann faktisch nicht mehr möglich sein, sondern vielmehr von der Etablierung einer die Ausfahrt stets ermöglichenden Kontaktschleife abgesehen und stattdessen eine faktische Barriere durch hoch gefahrene Poller geschaffen werden. Diese solle dann nur mittels Anruf in der Verwaltung, bei der man einen PIN erfragen müsste, möglich sein.
Die Verwaltung weist darauf hin, dass dies bis zuletzt so nicht beabsichtigt war und in den vorbereitenden Sitzungen im Hauptausschuss (16.10.2018) und Werkausschuss (02.12.2020) entsprechend dargestellt wurde. Es war stets die jederzeitige Ausfahrmöglichkeit über eine Kontaktschleife vorgesehen.
Die Verwaltung gibt insofern Folgendes zu bedenken, sollten die Poller um 11 Uhr auch für Ausfahrten hochgefahren bleiben:
Lieferanten, die Kenntnis von der Poller bedingten „Deadline“ hätten, würden wohlmöglich, wenn Ihnen die Zeit – aus welchem Grund auch immer- ausginge, versuchen, mit erhöhter Geschwindigkeit noch vor 11 Uhr zur Ausfahrt zu gelangen. Dies könnte zu gefährlichen Situationen führen.
Durch die Sperrung der Ausfahrt mittels des Pollers kann es ferner zu gefährlichen Wendemanövern bzw. Rückwärtsfahrten kommen, weil man sich –in Unkenntnis der Sperrung der Seitengassen mittels ortsfester Poller- die Umstände der Freigabe (Telefonat / Ersuchen um Freigabe des Pollers …) ersparen will. Dies wäre letztlich sehr gefährlich und gilt es aus Sicht der Verwaltung zu vermeiden. Hier kann es ggf. sogar zu einem Rückstau vor der Ausfahrt mit laufenden Motoren kommen und womöglich eine Überstauung der Rettungszufahrt bedingen.
Letztlich wäre das Freigabeverfahren für die Verwaltung aufwändig. Außerhalb der städtischen Dienstzeiten müsste hier wieder auf die Polizei zurückgegriffen werden, die einerseits Bereitschaft signalisiert hat, andererseits aber erwartet, dass es sich hierbei eher um besondere Ausnahmefälle bei einer notwendigen Einfahrt nach Beginn der Lieferzeit handelt. Insofern ist auch gar nicht daran gedacht, bei den Pollern entsprechende Hinweise auf eine „Notfallnummer“ anzubringen.
Vor dem Hintergrund der zu erwartenden, teils gefährlichen Begleitumstände, die ein nicht automatisches Absenken der Poller bei der Ausfahrt mit sich bringen würden, ist aus Sicht der Verwaltung zu empfehlen, die Ausfahrt mittels Kontaktschleife jederzeit zuzulassen. Mit der künftig nicht mehr möglichen Einfahrt nach 11 Uhr ist bereits der positive Verbesserungseffekt gegeben, dass unerlaubte Einfahrten effektiv verhindert werden. Durch diese Maßnahme ist zu erwarten, dass sich die Anzahl unerlaubter Fahrzeuge in der Fußgängerzone nach 11 Uhr deutlich reduzieren wird. Gleichzeitig können weiterhin gezielte Kontrollen gemeinsam mit der Polizei vorgenommen werden, um unerlaubt verbliebene Fahrzeuge zu verwarnen.