Gestaltungsrichtlinien für Sondernutzung (Lindau Insel)


Daten angezeigt aus Sitzung:  3. Sitzung des Stadtrates, 29.03.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat (Stadt Lindau) 3. Sitzung des Stadtrates 29.03.2022 ö beschließend 11

Sachverhalt

Vorbemerkung

Die Insel Lindau ist in ihrer baulichen Gestalt gekennzeichnet durch eine hohe räumliche und städtebauliche Qualität, eine Vielzahl von Einzeldenkmalen und eine landschaftlich einmalige Lage im Bodensee. Die Insel Lindau ist außerdem insgesamt ein Denkmalensemble nach dem Bayerischen Denkmalschutzrecht.

Die Einwohner und Besucher der Stadt Lindau schätzen diese Werte und profitieren von einer außergewöhnlichen Aufenthaltsqualität der öffentlichen Räume. Um diese Werte dauerhaft zu sichern und zu verbessern ist es notwendig, die Vielzahl von Anforderungen an den öffentlichen Raum, der durch die Sondernutzungen entsteht, zu steuern und zu harmonisieren. Ziel ist eine gestalterisch anspruchsvolle und insgesamt reduzierte Belegung des öffentlichen Raumes.

  1. Sondernutzungen 
Zu den Sondernutzungen zählen beispielsweise: 

  • Das Aufstellen von Stühlen und Tischen zum Betrieb einer Außengastronomie
  • Das Aufstellen von Stellschildern, Werbetafeln, Warenauslagen und Warenständern
  • Das Aufstellen von Infoständen, Verkaufsständen, Baustelleneinrichtungen und Gerüsten
  • Die Durchführung von Veranstaltungen
  • Die Lagerung von Baumaterial


  1. Rechtsgrundlage für Gestaltungsrichtlinien Sondernutzung
Gemäß Art. 18 BayStrWG beurteilt die Sondernutzung lediglich die Frage der straßenfremden Nutzung hinsichtlich der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und der Gemeinverträglichkeit. Die Beurteilung umfasst die Nutzung der Verkehrsfläche und ihre Auswirkung auf die Verkehrsteilnehmer.

Sonstige Wirkungen der auf die Straße gebrachten Anlagen und Gegenstände sind nach dem jeweils geltenden Fachrecht zu beurteilen.
Die Sondernutzungserlaubnis kann diesbezüglich z.B. zum Erscheinungsbild keine Auflagen und Vorgaben enthalten.

Kommunen sind praxisnah zwischenzeitlich dazu übergegangen, gestalterische Regelungen im Rahmen der Sondernutzung einheitlich anzuwenden und umzusetzen. Dies wird in der Rechtsprechung anerkannt, sofern in der Kommune eine einheitliche Regelung geschaffen wurde.

Voraussetzung für diese Handhabung und die rechtliche Zulässigkeit einer solchen städtebaulich und baugestalterisch orientierten Ermessenspraxis bei der Entscheidung über Sondernutzung ist jedoch, dass sie auf einer entsprechend konzipierten Entscheidung der Gemeinde beruht. 

Fachliche Bewertung

  1. Anlass der Erstellung der Gestaltungsrichtlinien für Sondernutzungen

Die Baugestaltungssatzung und die Werbeanlagensatzung der Stadt Lindau (B) sind Handlungsrahmen für bauliche Anlagen bereits einen großen Beitrag zur Erhaltung des Stadtbildes leisten. Bezüglich der Gestaltung von Sondernutzungen besteht derzeit noch keine regulierende Satzung, so dass unerwünschte Effekte auf das Stadtbild entstehen können oder bereits entstanden sind. Ohne einen entsprechende Richtlinie und Legitimierung durch ein politisches Gremium fehlt die rechtliche Grundlage zur Steuerung des Erscheinungsbildes von Sondernutzungen.

Im Jahr 2006 wurde vom Stadtrat das Einzelhandelskonzept beschlossen und zusätzlich empfohlen, gestalterisch regelnde Maßnahmen für Sondernutzungen zu erarbeiten. Im Zuge dessen wurde bereits ein Entwurf für „Richtlinien über die gestalterischen Anforderungen auf der Insel in Lindau (B)“ angefertigt. Im Rahmen des interfraktionellen Antrags vom 09.02.2021 zu Sondernutzungsgebühren, wurde erneut ein Entwurf für Gestaltungsrichtlinien vorgelegt. 

Die bestehenden Entwürfe wurden in einer Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern aus Stadtrat, Einzelhandel, Hoteliers und Gastronomen und Stadtverwaltung abgestimmt und als Vorentwurf für die Gestaltungsrichtlinien für Sondernutzung ausgearbeitet (siehe Anlage 1). Hierzu fanden drei Arbeitsgruppentreffen statt. Die Richtlinie soll ergänzend zur Sondernutzungssatzung (Fassung vom 29.04.1999, zuletzt geändert am 05.03.2021) zur Anwendung kommen.

  1. Ziele der Gestaltungsrichtlinie
Ziel der Gestaltungsrichtlinie ist die maßvolle Regulierung und gestalterische Rahmengebung für Sondernutzungen im öffentlichen Raum auf der Lindauer Insel, um diesen von Überfrachtung und gestalterischen Fehlentwicklungen zu schützen.  Durch die Richtlinien sollen die vielseitigen Ansprüche an den öffentlichen Raum gewahrt werden und der gestalterische Anspruch der historischen Kulisse gerecht werden.

Die Gestaltungsrichtlinien regeln Volumen, Materialität und räumliche Anordnung von Sondernutzungen (Warenauslagen, Außengastronomie, Bepflanzung) auf öffentlichen Flächen. Ebenso werden allgemeine Zulässigkeiten und Unzulässigkeiten zu bestimmten Sondernutzungsformen definiert. Die Gestaltungsrichtlinien sollen klar anwendbar sein und eine hochwertigere und in der Masse angemessene Sondernutzung gewährleisten, jedoch ebenfalls einen ausreichenden Spielraum für individuelle Gestaltungslösungen bieten.

  1. Übergangsregelung
Bisher genehmigte, dieser Richtlinie aber nicht entsprechende gastronomische Bestuhlung darf sofern die übrigen Erlaubnisvoraussetzungen nach der Sondernutzungssatzung vorliegen für einen Zeitraum von drei Jahren ab Inkrafttreten dieser Richtlinie weiterbenutzt werden (Übergangsregelung), wobei jede Ersatzbeschaffung den Regelungen dieser Richtlinie unterliegt.
Andere bisher genehmigte Sondernutzungen, die dieser Richtlinie noch nicht entsprechen, dürfen sofern die übrigen Erlaubnisvoraussetzungen nach der Sondernutzungssatzung vorliegen, für einen Zeitraum von zwei Jahren weiter verwendet werden (Übergangsregelung), wobei jede  Ersatzbeschaffung den Regelungen dieser Richtlinie unterliegt.

  1. Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer
Die hier vorgestellten Gestaltungsrichtlinien sind eine Einigung aus den Entwürfen des interfraktionellen Stadtratsantrages und des Entwurfs der Stadtverwaltung, ergänzt und angepasst durch die Ergebnisse der Arbeitsgruppentreffen sowie formal und rechtlich erforderlicher Feinabstimmungen. Im Sinne des partizipativen Ansatzes der Erarbeitung der Gestaltungsrichtlinien wurde der IHK zusätzlich zur Beteiligung in der Arbeitsgruppe die Gelegenheit gegeben, zu dem beschlussreifen Entwurf der Gestaltungsrichtlinien Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme liegt dieser Beschlussvorlage als Anlage bei (Anlage 2).

  1. Bewertung der Stellungnahme aus Sicht der Verwaltung 

Zu den Anmerkungen zu Warenauslagen:

Der Ausschluss der Verwendung von Gegenständen wie Stühlen, Figuren/Skulpturen, Kleiderpuppen und Ähnlichem zur Warenpräsentation erfolgt zum Schutz vor einer Überfrachtung des Straßenraumes. Aus Gründen der Anwendbarkeit der Richtlinie ist eine einheitliche Vorgabe zu Gegenständen abseits der zulässigen Formen der Warenpräsentation erforderlich.

Zu den Anmerkungen zur Außenbewirtschaftung:

Im Zusammenhang mit Markttagen etc. sind Ausnahmen möglich, diese temporären Sondersituationen werden nicht von der Gestaltungsrichtlinie erfasst.

Zu den Anmerkungen zu Überdachung:

Die lockere Aufstellung von Schirmen und die Untersagung von angehängten Bahnen dienen dem Schutz des Stadtbildes und insbesondere des Denkmalensembles. Die Fassaden dürfen nicht durch vollflächige Schirmanlagen verstellt werden. An den Vorgaben für eine an das Stadtbild angepasste und die Belange des Denkmalschutzes würdigende Form des Witterungsschutzes wird daher festgehalten.

Zu den Anmerkungen zu Werbeständern: 

Die Wegweisung für die Nebengassen und Entwicklung gemeinsamer Lösungen für die Kreuzungsbereiche ist nicht über die Gestaltungsrichtlinien für Sondernutzung zu regeln, da diese Hinweistafeln nicht als Sondernutzung sondern als Hinweisschilder zu definieren sind. Hierzu erfolgt eine gesonderte Erarbeitung in Zusammenarbeit mit der IHK. Die vorgeschlagene Regelung zum Wegfall von Kundenstoppern für Geschäfte in der Maximilianstraße und der Cramergasse wurde durch den Bau- und Umweltausschuss am 20.10.2021 bekräftigt. 

Fazit:

Aus Sicht der Verwaltung kann an dem derzeitigen Inhalt der Gestaltungsrichtlinien festgehalten werden. 

Diskussionsverlauf

Stadtrat Müller kann die Einwände der IHK verstehen und findet die Vorgabe zu Sonnenschirmen ohne Werbung praxisfern. Die Tatsache, dass Kundenstopper gänzlich ausgeschlossen werden, erschwert es seiner Meinung nach den Geschäften.

Der Leiter des Stadtbauamtes, Herr Koschka, merkt an, dass es eine Arbeitsgruppe gab, in der die IHK von Anfang an Mitglied war. Der Entwurf der Gestaltungsrichtlinie wurde im Oktober im Bauausschuss vorgestellt. Zudem gab es auch Gespräche mit Herrn Anselment. In der Bauausschusssitzung fiel die Entscheidung für eine klare Regelung zu einem ruhigen Erscheinungsbild der Altstadt.

Stadtrat Brombeiß möchte wissen, wieso kein Vertreter der IHK anwesend ist.

Oberbürgermeisterin Dr. Alfons verweist auf die schriftliche Stellungnahme. 

Bürgermeister Hotz erinnert daran, dass im Herbst der Entwurf der Gestaltungsrichtlinie einheitlich beschlossen wurde. Bei dieser Diskussion war Herr Anselment anwesend. Er versteht nicht, wieso nach einem einstimmigen Beschluss des Bauausschusses erneut alles bis ins Detail diskutiert werden muss. 

Stadtrat Gebhard fände es gut, wenn man eine Quartiersbegehung mit allen Vertretern machen würde, bei der man sich die Gegebenheiten vor Ort in Ruhe anschauen kann.

Die Leiterin der Abteilung Stadtplanung, Umwelt und Vermessung merkt an, dass es sich hier um einen mustergültigen Prozess handelte und man sich viel Zeit damit genommen hat. Sie appelliert daran, dass die Saison bevorsteht und man bessere Qualitäten in der Altstadt haben möchte. Es ist bitter nötig, hier aktiv zu werden und eine gute Regelung zu treffen. 

Stadtrat Hummler spricht sich für gleiche Fristen bei Einzelhandel und Gastro aus. Er stellt daher den Antrag, dass für beide die Übergangsfrist zum 31.12.2023 endet. 

Nach umfassender Diskussion werden nachstehende Beschlüsse gefasst. 

Beschluss 1

  1. Der Stadtrat lehnt den Antrag von Stadtrat Hummler ab, dass die Übergangsfrist für Einzelhandel und Gastronomie am 31.12.2023 endet.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 8, Dagegen: 20

Beschluss 2

  1. Der Stadtrat beschließt die Gestaltungsrichtlinien für Sondernutzungen (Anlage 1) vom 29.03.2022.

  1. Der Stadtrat beschließt die Erstellung einer Broschüre (gedruckt und digital) für Gestaltungsvorgaben der Lindauer Insel 

Abstimmungsergebnis
Dafür: 21, Dagegen: 7

Dokumente
2022-02-14_Anlage 2-IHK Stellungnahme (.pdf)
2022-02-24_Anlage 1-Gestaltungsrichtlinien Sondernutzung Lindau Insel (.pdf)

Datenstand vom 12.04.2022 08:37 Uhr