Empfehlung aus dem Klimabeirat


Daten angezeigt aus Sitzung:  9. Sitzung des Stadtrates, 28.09.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Stadtrat (Stadt Lindau) 9. Sitzung des Stadtrates 28.09.2022 ö beschließend 7

Sachverhalt

Die Aufgabe des Klimabeirates ist es, für das beschlossene Lindauer Klimaziel, einen strategisch und realistisch umsetzbaren Weg aufzuzeigen. Nur so kann eine Klimaneutralität der Stadt Lindau (B) in ihrem Zuständigkeitsbereich bis zum Jahr 2035 erreicht werden. 

Die Energieversorgung ist – nicht nur auf Grund der aktuellen Energiekrise, ein zentraler Baustein zur Erreichung der Klimaneutralität.  

Aus der Energie- und Treibhausgas- Bilanz geht hervor, dass die größten Potentiale in der Wärmeversorgung und im Gebäudebestand liegen. 

In den letzten Sitzungen des Klimabeirates wurden gemeinsam mit den Stadtwerken, der GWG und dem Hochbau konkrete Maßnahmen und Meilensteine erarbeitet. Es handelt sich dabei um Maßnahmen, die kurzfristig, wie mittelfristig bis langfristig durch die Stadt und ihre Töchter umgesetzt werden können.  

Der Klimabeirat legt dem Stadtrat folgende Empfehlung vor: 

  1. Gesamtstädtisches energetisches Quartierskonzept / Energetische Stadtsanierung  

Der Klimabeirat empfiehlt dem Stadtrat, ein gesamtstädtisches energetisches Quartierskonzept / Energetische Stadtsanierung auf Grundlage der Lindauer Klimaziele durch eine erfahrene Energieagentur für die Stadt Lindau (B) erstellen zu lassen.  

Ziel ist, ein Konzept für eine nachhaltige Energieversorgung zu entwickeln, um so die CO2- Emissionen zu reduzieren und die Energiekosten für die Bürgerinnen und Bürger deutlich zu senken. 

In einer energetischen Stadtsanierung werden unter Betrachtung baukultureller und denkmalfachlicher, sozialer wie auch wirtschaftlicher Aspekte, Energieeinsparpotenziale, Synergien und Potenziale für die Erzeugung erneuerbarer Energien für das gesamte Stadtgebiet aufgezeigt. Hierzu wird das Stadtgebiet in sogenannte „energetische Quartiere“ aufgeteilt. Vorgesehen ist mit der Insel zu beginnen.

So, wie es unterschiedliche Arten von fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl, Erdgas usw. gibt, so gibt es unterschiedliche Arten von erneuerbaren Energien. Ein energetisches Konzept zeigt auf, wo Synergien und Einsparpotenziale liegen und welche Arten der erneuerbaren Energien, wie die Nutzung von Photovoltaik, Solarthermie, Geothermie bis hin zur Nutzung von Seewasser, am effizientesten sind.  

Für die Stadtwerke ist ein solches Konzept entscheidend für die künftige energetische und thermische Versorgung der Stadt. Es soll aufzeigen, in welchen Bereichen des Stadtgebiets eine Nahwärmeversorgung Sinn macht und wo nicht. Deshalb werden die Stadtwerke auch einen Beitrag der Erstellungskosten für das Konzept übernehmen.

In einem ersten Schritt werden die Quartiere festgelegt. Der Begriff des „Quartiers“ bezeichnet einen räumlichen Ansatz, wie beispielsweise Stadt- oder Ortsteile. Darüber hinaus können sich Quartiere hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte, baulichen Gestalt und Funktion, sozialen Identität, Größe und Lage oder Eigentümerstruktur unterscheiden.  Diese Unterschiede führen zu unterschiedlichen Herausforderungen bei der Erarbeitung der Quartierskonzepte und der späteren Umsetzung der energetischen Maßnahmen. So weisen beispielsweise reine Wohngebiete andere Ausgangsbedingungen und Anforderungen an die energetische Sanierung und Energieversorgung auf als historische Stadt- und Ortskerne, hier wird vermehrt die Einhaltung des Denkmalschutzes oder die vorherrschende bauliche Dichte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Maßnahmen spielen.

In einem weiteren Schritt wird ermittelt, wer braucht wieviel Energie. Alle relevanten Daten wie Alter der Gebäude, des Gebäudetyps, Art und Alter der Heizanlage, Anzahl der Personen im Haus, der tatsächliche Energieverbrauch und bereits durchgeführte Sanierungen werden ermittelt (Bestandsanalyse). In einem weiteren Schritt werden die Potenziale ermittelt. Hierzu wird ein sogenannter Wärmeplan (Abwärmenutzung) erstellt sowie Potenziale für erneuerbaren Energien (Photovoltaik, Solarthermie, Geothermie, bis hin zur Seethermie) ermittelt. Darauf aufbauend wird ein Handlungskonzept erstellt mit Konkreten Maßnahmen und die zu erwartenden Kosten.   

Laut Auskunft einer Energieagentur liegt die Konzepterstellung für ein Quartier bei maximal 18 Monate. 
Aktuell liegen für die Stadt Lindau (B) keine konkreten Zahlen vor. Als Anhaltspunkt kann die Stadt Bad Waldsee dienen. Die Stadt Bad Waldsee hat ein Quartierskonzept für ihre Altstadt mit 440 Gebäuden durchgeführt. Hier lagen die Kosten für die Konzepterstellung bei 199.000,00 €. Wenn man es auf die Gebäude umrechnet, so liegen die Kosten bei ca. 450,00 € pro Gebäude.

Das Bundeministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen fördert die Erstellung von energetischen Konzepten und die Leistung von Sanierungsmanagern mit einem Zuschuss in Höhe von 75 % über die KfW.

  1. Hochbau Klimaneutralität der kommunalen Liegenschaften – Budgetanpassung 

Wie eingangs erwähnt, liegt im Gebäudesektor ein weiteres großes Potenzial, durch die Einsparung von Energie, Nutzung erneuerbarer Energien sowie für energetische Sanierungen. Die Stadt mit ihren kommunalen Liegenschaften nimmt hier eine Vorbildfunktion ein und möchte dieser auch gerecht werden.  

Lindau ist geprägt durch die historisch mittelalterliche Altstadt mit einer dichten Baustruktur auf der Insel und mit einer Vielzahl historischer Gebäude auf dem Festland. Der sehr heterogene Gebäudebestand spiegelt sich in den kommunalen Liegenschaften wieder. Was auf der einen Seite eine große Bereicherung ist, ist auf der anderen Seite eine große Herausforderung in Bezug auf Einsparung von Energie, Nutzung erneuerbarer Energien sowie für energetische Sanierungen.

Um den beschlossenen Lindauer Klimazielen Rechnung zu tragen, war eine Konkretisierung der Begrifflichkeit „Klimaneutralität“ für Bestandgebäude zwingend erforderlich. Nur so können konkrete Maßnahmen geplant und Umsetzung werden.   

Nachdem gemeinsam mit dem Klimabeirat eine Definition für die Klimaneutralität der  kommunalen Bestandsgebäude erarbeitet wurde, konnten konkrete Maßnahmen erarbeitet werden. 

Durch den heterogenen Gebäudebestand ist eine Vorplanung der einzelnen Liegenschaften erforderlich, da es sehr individuelle Lösungen für die Nutzung erneuerbarer Energien sowie für Energieeinsparpotenziale gibt. Um zügig mit der Maßnahmenumsetzung beginnen zu können ist ein Budget in Höhe von 150.000,00 € im Jahr für Planung und Maßnahmenumsetzung erforderlich. So muss nicht für jede einzelne Maßnahme separat Geld im Haushalt beantragt werden. Welche Maßnahmen mit dem Budget im Einzelnen umgesetzt werden sollen (Fokusmaßnahmen), wird derzeit im Klimabeirat beraten. 

Der Klimabeirat empfiehlt dem Stadtrat ein jährliches Budget in Höhe von 150.000,00 € p.a „für Planungs- und Maßnahmenkosten Klimaneutralität“ für den kommunalen Hochbau im Haushalt bereitzustellen.

Fachliche Bewertung

  1. Gesamtstädtisches energetisches Quartierskonzept / Energetische Stadtsanierung  

Aus der Energie -und Treibhausgas – Bilanz wissen wir, dass 88 % fossiler Energieträger für Wärmeerzeugung generiert wird. Die Energieversorgung nimmt einen zentralen Baustein für die Stadt Lindau (B) ein. Aus diesem Grund ist es notwendig für das gesamte Stadtgebiet ein maßgeschneidertes energetisches Konzept zu erarbeiten.  

Durch die Einbindung aller relevanten Akteure wie Bürger, Wohnungsbaugesellschaften, private Eigentümer, Mieter und den Energieversorger, werden die beschlossenen Klimaziele möglich und langfristig werden die Energiekosten der Bürgerinnen und Bürger gesenkt sowie die CO2-Emissionen auf dem Stadtgebiet.  

In einem Energiekonzept geht es darum, wie die Energieverbräuche Wärme, Kälte, Strom, evtl. Mobilität) minimiert und sinnvolle Nutzungen von alternativen Vor-Ort-Energiepotenzialen (Abwärme, erneuerbare Energien) erfolgen können.

Eine Energetische Stadtsanierung mit maßgeschneiderten Quartierslösungen eröffnen die Chance nachhaltige Ziele konkret in die Praxis umzusetzen um eine lokale, bürgernahe Energieversorgung aufzubauen, Energie effizient zu nutzen und für eMobility gerüstet zu sein.

  1. Hochbau Klimaneutralität der kommunalen Liegenschaften – Budgetanpassung   

Es gibt keine klare Definition für die Begrifflichkeit „Klimaneutralität“ im Gebäudebereich für Bestandsgebäude. Aber nur so können die Fragen hinsichtlich des Ausgleiches, Datenerhebung oder der Anwendung der Definition der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) geklärt werden. Der Klimabeirat hat im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen und basierend auf dem Grundsatzbeschluss des Stadtrates eine Definition für die kommunalen Bestandsgebäude erarbeitet. Demnach bedeutet Klimaneutralität, dass weder Treibhausgase noch CO2-Emissionen anfallen, wobei in Fällen, in denen vollständige Emissionsfreiheit nicht oder nicht bis 2035 erreichbar ist, auch Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen zur Anwendung kommen können. 

    1. Definition für die kommunalen Bestandsgebäude

Die Klimaneutralität der Stadt Lindau (B) soll insbesondere durch die Einsparung von Energie, durch die effiziente Bereitstellung, Umwandlung, Nutzung und Speicherung von Energie sowie durch die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien erreicht werden. Dabei ist auf die effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen zu achten.

    1. Ausgleich und Kompensation von Treibhausgasen
   
Oberstes Ziel ist es, die Emissionen vor Ort zu senken und Kompensationsmöglichkeiten nur nachrangig und analog der Priorisierung bzw. Kaskade analog des Naturschutzrechtes zuzulassen:

1.        Vermeidung von Emissionen
2.        Ausgleich vor Ort  – also am Ort des Geschehens
3.        Kompensation im Stadtgebiet
4.        Kompensationszahlung

  • Vermeidung:

Der Verursacher ist verpflichtet, vermeidbare Emissionen von Treibhausgasen zu unterlassen. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn es zumutbare Alternativen gibt oder mit geringeren Beeinträchtigungen des Klimas zu erreichen sind. Soweit Beeinträchtigungen nicht vermieden werden können, ist dies zu begründen.

  • Ausgleich:

Unvermeidbare Beeinträchtigungen sind durch Maßnahmen des Klimaschutzes auszugleichen durch sogenannte Ausgleichsmaßnahmen oder zu ersetzen durch Erstsatzmaßnahmen bzw. Kompensationsmaßnahmen.

Als ausgeglichen gilt eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die verursachten Treibhausgasemissionen den Emissionen gegenübergestellt werden, die durch den   Export von gebäudenah erzeugter erneuerbarer Energie vermieden wurde. Der Verursacher ist verpflichtet, vermeidbare Emissionen von Treibhausgasen zu unterlassen.

  • Kompensation:

Ersetzt bzw. kompensiert ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die  verursachten Treibhausgasemissionen den Emissionen gegenübergestellt werden, die durch den Export von erzeugter erneuerbarer Energie im Stadtgebiet vermieden wurde. Ebenso als kompensiert gilt eine Beeinträchtigung, wenn die dort verursachten Treibhausgasemissionen durch natürliche Senken wie  Moorrenaturierung oder Waldaufforstung aufgenommen werden, so dass eine ausgeglichene CO2-Bilanz erreicht wird. 

  • Kompensationszahlung:

Die Kompensationszahlung ist das letzte Mittel. Klare Priorität hat die Vermeidung und Minimierung der Emissionen, gemäß der Reihenfolge vermeiden - vermindern - kompensieren.

Das vorliegende Papier orientiert sich, wie auch die aktuelle Veröffentlichung „Klimaneutralität“ des Rates für nachhaltige Entwicklung, an der Definition der Treibhausgasneutralität des deutschen Klimaschutzgesetzes: Sie ist für eine einzelne Region dann erreicht, wenn die dort anthropogen verursachten Treibhausgasemissionen und die durch Senken der Atmosphäre entzogenen Treibhausgase bilanziell bei null liegen.

Diese Emissionsminderungen werden „bilanziell“ in der THG-Bilanz verrechnet. Zur „bilanziellen“ Emissionsminderung trägt die Nutzung kommunaler Dachflächen bei, denn dadurch beteiligt sich die Kommune in adäquater Weise direkt am Ausbau erneuerbarer Energien.

Für die „bilanzielle“ Erfassung von sogenannten natürlichen Treibhaussenken, wie Aufforstungsprojekte oder Moorrenaturierungen, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine einheitliche Berechnungsgrundlage. Somit können vorerst solche Projekte „bilanziell“ nicht klar erfasst werden.

Was heißt das konkret für die kommunalen Gebäude? 

Ein Gebäude oder ein Standort wird „klimaneutral betrieben“, wenn auf ein Jahr gerechnet  eine ausgeglichene CO2-Bilanz erreicht wird. Dabei werden die durch den Energieverbrauch verursachten Treibhausgasemissionen den Emissionen gegenübergestellt, die durch den Export von erzeugter erneuerbarer Energie vermieden werden. 

Finanzielle Auswirkungen

 
einmalig
laufend
Finanzielle Auswirkungen:
ca. 450,00 € / Gebäude für die energetische Stadtsanierung      
150.000,00
Mittel stehen (nicht) zur Verfügung
Haushaltsstelle/
Deckungsvorschlag
   





Diskussionsverlauf

Bürgermeisterin Dorfmüller wirbt dafür, die Vorschläge anzunehmen. Innerhalb des Klimabeirates wurde konstruktiv zusammengearbeitet. 

Stadtrat Hübler merkt an, dass es erstrebenswert wäre, die Satzung anzupassen, so dass auf denkmalgeschützten Dächern PV-Anlagen angebracht werden dürfen. Der Bedarf hierzu ist da.

Bürgermeisterin Dorfmüller antwortet, dass dies auf dem Schirm ist. 

Beschluss

  1. Der Stadtrat empfiehlt dem Finanzausschuss, ein jährliches Budget in Höhe von 150.000,00 € für Planungs- und Maßnahmenkosten zur Erreichung der Klimaneutralität für den kommunalen Hochbau im Haushalt bereitzustellen. 

  1. Der Stadtrat beschließt, zur Umsetzung der Lindauer Klimaziele eine „Energetische Stadtsanierung“ durch eine erfahrene Energieagentur erstellen zu lassen.

  1. Der Stadtrat empfiehlt dem Finanzausschuss entsprechende Mittel für den Haushalt 2023 einzuplanen.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 25, Dagegen: 1

Dokumente
SR_2022_03_29_TOP5_Ö7_Empfehlung-KBR- (.pdf)

Datenstand vom 14.10.2022 14:14 Uhr