Bewertung des Förderprogramms "Ich entlaste Lindau"


Daten angezeigt aus Sitzung:  5. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, 19.09.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Umweltausschuss (Stadt Lindau) 5. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses 19.09.2022 ö beschließend 8

Sachverhalt

Lindau ist eine kompakte Stadt mit sehr guten Voraussetzungen, sich zu einer Fahrradstadt zu entwickeln. Radfahrer sind auf Wegstrecken von bis zu 5 km meist schneller und somit flexibler unterwegs als Autofahrer. Untersuchungen zeigen, dass bis zu 51 Prozent aller motorisierten Transporte in europäischen Städten auf Fahrräder verlagert werden können. Das sind Transporte bis 5 km Länge und 200 kg bzw. 1 m³ Zuladung. 69 Prozent davon sind private und 31 Prozent gewerbliche Fahrten. Private Einkaufsfahrten machen allein 40 Prozent aller verlagerbaren Fahrten aus. 

Parkplatzmangel, Klimaschutz und Luftqualität erfordern dringend effektive verkehrspolitische Lösungsansätze. Statt den Kfz-Verkehr mit Beschränkungsmaßnahmen zu reduzieren, versucht der Fachbereich Mobilitätsplanung der Stadt Lindau stattdessen Lösungsansätze durch wirkliche Alternativen zu schaffen. Dazu gehört die Förderung des Radverkehrs im Transportverkehr. Lastenfahrräder sind dabei eine entlastende, kostengünstige und umweltfreundlichere Alternative zum Kfz.

In der Stadtratssitzung vom 30.11.2017 wurde das städtische Ziel, den Radverkehrsanteil bis 2022 um fünf Prozentpunkte zu erhöhen, einstimmig beschlossen. Eine Maßnahme um den Radverkehrsanteil zu erhöhen stellt die Förderung von Lastenrädern durch das Förderprogramm „Ich entlaste Lindau“ da, welches am 10.10.2019 vom Werkausschuss der Stadt Lindau beschlossen wurde. Eine Förderung konnten sowohl Lindauer Bürger mit Hauptwohnsitz in Lindau beantragen, als auch Betriebe, Unternehmen oder Selbständige mit Sitz oder Niederlassung in Lindau. Für eine Förderung war bis jetzt eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Stadt Lindau und dem Förderantragsteller vorgesehen.

 Das kommunale Förderprogramm „Ich entlaste Lindau“ hat hierfür Anreize zur Anschaffung von Lastenfahrrädern für Lindauer/innen geschaffen und hilft Lindau mehrere Ziele des KLiMo´s zu erreichen.



Was wurde bis jetzt gefördert? 
Wer sich ein neues Lastenrad kaufen möchte, konnte vom 01.01.2020 bis zum Ende der Fördermittel im Jahr 2022 eine Lastenradförderung beantragen. Gefördert wurden sowohl Lastenräder ohne als auch mit E-Unterstützung.

Förderung
Maximale Förderhöhe
Lastenrad
25 % der Kaufkosten
750€
Lastenpedelec 
(mit E-Unterstützung)
25 % der Kaufkosten
1.000€

Das Förderprogramm war auf eine Laufzeit von 3 Jahren begrenzt. Insgesamt wurden über die drei Jahre 61 Lastenräder gefördert mit einer Förderhöhe von 57.762,50€  
Jahr:
Gesamt
Privat:
Gewerblich: 
Förderaufwand:

Lastenräder
Mit E-Motor
Ohne E-Motor
Mit E-Motor
Ohne E-Motor

2020
20
11
1
8
-
18.727,94€
2021
20
16
-
4
-
19.034,56€
2022
21
17
1
3
-
20.000,00€
Gesamt:
61
44
2
15
-
57.762,50€

Fachliche Bewertung

Auf Grund der möglichen Zuladung von bis zu 100kg sind Lastenräder hervorragende Verkehrsmittel, sowohl für Logistik als auch im Individualverkehr. So lassen sich Lastenräder vor allem für den wöchentlichen Einkauf oder für Freizeitfahrten mit den Kindern nutzen. Ein höherer Anteil an Lastenrädern würde dabei nicht nur an CO2 und weitere Treibhausgase einsparen. Die Verlagerung aufs Lastenrad würde auch erheblich den Kfz-Verkehr entlasten, wobei sowohl der Verkehr mit dem Lastenrad innerhalb Lindaus effizienter wäre, als auch der Verkehr weniger stocken würde. 


Bewertung des Förderprogramms „Ich entlaste Lindau“
Wie man in der Abbildung 1 erkennen kann verteilen sich die Lastenradförderungen größtenteils auf den Bereich Reutin, sowie die Lindauer Insel und Aeschach, hier bitten Lastenräder guten Transport Möglichkeiten aufgrund der kurzen Wege.









Abbildung 1: Verteilung der Lastenradförderungen auf verschiedene Stadtgebiete


Als Teil der Evaluation wurde in Juni eine Umfrage über den Plattform Adhocracy+ gestartet, wo alle Förderträger aufgefordert wurden.

Die Evaluation des Förderprogramms „Ich entlaste Lindau“ hat zur Nutzung der Lastenräder gezeigt, dass diese durchschnittlich mindestens jeden zweiten Tag genutzt werden, so gaben 30% der Befragen an, dass sie ihr Lastenrad täglich nutzen während 57% angaben, das Lastenrad mindestens 4x die Woche zu nutzen.
 
Des Weiteren haben von den 23 Umfrageteilnehmern 18 Teilnehmer angegeben, dass ihnen das Lastenrad als Autoersatz für Fahrten innerhalb Lindaus dient. Benutzt wurde dabei das Lastenrad hauptsächlich zum Einkaufen oder für Freizeitfahrten im näheren Umfeld. 9 der 23 Teilnehmer gaben zudem an, dass ihnen das Lastenrad als dauerhafter Autoersatz dient.

Verwendet wurde das Lastenrad meist zum Einkaufen sowie für Freizeitfahrten im näheren Umfeld. Des Weiteren wurde es aber auch zur Kinderbeförderung oder aber für Fahrten zum Arbeitsplatz verwendet. Touristische Urlaubsfahrten oder Erkundungen im Urlaub wurden mit dem Lastenrad dagegen kaum unternommen. 

Auf die Frage, wie viele Kilometer mit dem Lastenrad zurückgelegt wurden, antworteten zwar nur 20 Umfrageteilnehmer, diese legten aber insgesamt eine Strecke von 44.690 km zurück. Pro gefördertem Lastenrad wären das im Durchschnitt 2234,5 km. In den Antworten konnte man leider nicht unterscheiden, zu welchem Zeitpunkt das Lastenrad erworben wurde, denn sonst könnte man ausrechnen, welche Strecke durchschnittlich in einem Jahr zurückgelegt wurde. In diesem Fall setzt sich dieser Durchschnittswert sowohl aus Umfrageteilnehmern zusammen, welche ihr Lastenrad erst dieses Jahr gefördert bekommen haben, als auch aus Umfrageteilnehmern welche schon drei Jahre im Besitz eines Lastenrads sind. 

Besonders geschätzt wurde vor allem die Flexibilität des Lastenrads, von 22 Umfrageteilnehmern gaben ganze 21 an, dass sie nun flexibel von A nach B kommen. Als weitere Gründe für das Lastenrad wurde unter anderem der fehlende Parksuchverkehr, die Entlastung des Klimas, die eingesparte Zeit, das Vermeiden von Staus sowie die sportliche Betätigung genannt. Rund die Hälfte gab dabei an, dass das eingesparte Geld durch das Lastenrad besonders geschätzt wurde. 

Abgestellt wurden die Lastenräder zu Hause vor allem in der Garage, oder im Hinterhof. Ein geringer Anteil der Umfrageteilnehmer gab an, das Lastenrad im Keller, vor dem Haus auf einen öffentlichen Gehweg oder in einem Fahrradschuppen abgestellt zu haben. Unterwegs wurden die Lastenräder vor allem an Fahrradbügeln oder auf dem Gehweg abgestellt. Im Vergleich zu den anderen Fragen, gab hier eine sehr große Menge die offene Antwortkategorie Sonstiges an. Hier wurde von den Teilnehmern beschrieben, dass normale Fahrradbügel nicht auf Lastenräder ausgelegt sind sowie das eine große Fläche gesucht wird, an welcher andere Verkehrsteilnehmer nicht gestört werden und eine Manipulation am Lastenrad erschwert wird. Eine solche Fläche wäre aber nicht immer auffindbar.

Das Mobilitätsverhalten der Zuwendungsempfänger hat sich vor allem dahingehen verändert, als dass das Lastenrad das Auto für bestimmte Wege innerhalb der Stadt ersetzt. Von den 22 Umfrageteilnehmern gaben vier Personen an, gar kein Auto mehr zu besitzen, während zwei Personen angaben, ein Auto abgemeldet zu haben, Überschneidungen zwischen den beiden Kategorien gab es keine. Auch unter der Kategorie Sonstiges wurde angegeben, dass die Lastenräder vor allem für den Binnenverkehr innerhalb der Stadt benutzt werden, oder das die Zuwendungsempfänger seit der Förderung viel weniger Auto fahren.

Als positive Erlebnisse schilderten zwei Umfrageteilnehmer folgende Erfahrungen:

„Gleich beim ersten Einkauf: der komplette Inhalt des Einkaufswagen passte rein.
Und: als wir mit unserem Auto für den Urlaub im August zum Tanken fuhren und nur ein Drittel unseres Tanks seit dem letzten Tanken im Januar davor verbraucht war. Seit März hatten wir das Lastenrad und haben mit ihm alle Einkäufe, Transportfahrten usw. gemacht statt mit dem Auto!
Und: Immer wieder werden wir auf das Lastenrad angesprochen und unsere Erfahrungen damit erfragt.“

„Viele Spontangespräche, Staunen über das Rad, insgesamt viel häufigere Nutzung als ursprünglich gedacht.“
„Ich wurde auf das Lastenrad angesprochen, habe einer jungen Familie meine Eindrücke und Erfahrungen damit geschildert, worauf hin der Vater direkt nach einem Förderprogramm seiner Heimatstadt suchte und fand. Fazit: Sie werden sich wohl auch eines kaufen.“
Als negative Erlebnisse wurden von weiteren Teilnehmer vor allem die fehlenden Abstellmöglichkeiten genannt:
„Das Parken mit einem Lastenrad ist generell etwas schwierig. Die "normalen" Fahrradparkplätze sind von der Größe nur bedingt geeignet.
Das Parken mit unserem Lastenrad ist an vielen Stellen nicht möglich, sowohl bei Freizeitaktivitäten als auch beim Einkauf.“

Gewünscht wurden sich vor allem Abstellflächen für Lastenräder, der bessere Schutz vor Kraftfahrzeugen sowie die Beibehaltung der Lastenrad Förderung:
„Die Förderung für den Kauf beibehalten und gleichzeitig das Angebot der Leihlastenräder ausbauen und vergünstigen. Bisher scheint es noch keine ernsthafte Alternative zu einem eigenen Rad oder Auto (z.B. längere Ausflüge damit werden schnell teuer).
Dass sie sich auch um Abstellplätze an Supermärkten kümmern. Besonders schlimm finde ich es bei Lidl“.
„Das Lastenrad vor den PKW schützen, größere Parkplätze , Fahrradstraßen , weniger Schlaglöcher“.

Anhand der Umfrage hat sich zudem gezeigt, dass die Lastenradförderung der Stadt Lindau einen bedeutenden Einfluss auf die Kaufentscheidung der Lindauer Bürger hatte. So gaben 22% an, dass die Förderung einen großen Einfluss auf ihre Kaufentscheidung hatte, weitere 35% gaben an, dass sie nur durch die Förderung in der Lage waren sich ein Lastenrad anzuschaffen. Die Lastenradförderung hatte also für 57% der Umfrageteilnehmer einen großen bis entscheidenden Einfluss. 

Finanzielle Auswirkungen

Während der Corona-Krise hat sich der Modal-Split der Bevölkerung stark verändert. So hat vor allem der ÖPNV in Form des Bus- und Bahnverkehrs vor dem 9 €-Ticket erhebliche Einbußen verzeichnen müssen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen geht hierbei von einem Verlust von Bus und Bahn von ca. 7 Milliarden Euro aus?? https://www.researchgate.net/publication/344251322_Corona_und_Mobilitat_Eine_Einschatzung_zu_den_Auswirkungen_des_Konjunkturpakets_Corona_and_mobility_An_assessment_of_the_effects_of_the_stimulus_package. Mit dem 9€-Ticket hat zwar der Anteil vom ÖPNV im Modal Split zugenommen, während der Corona-Pandemie gaben 20% an das Auto häufiger als vor der Corona Pandemie zu nutzen?? https://www.adac.de/verkehr/standpunkte-studien/mobilitaets-trends/corona-mobilitaet/. Interessant dabei ist jedoch, dass sowohl Neuzulassungen als auch die Produktion in der Automobilindustrie erheblich zurückgingen. Es wurde also bei der häufigeren Nutzung des Autos vor allem bereits erworbene Automobile verwendet. Ein positiver Effekt zeigte sich vor allem beim Anteil des Fahrradverkehrs im Modal-Split, dieser nahm nämlich um rund 5% alleine im Jahr 2020 kontinuierlich zu. In Lindau ließ sich dieser Trend unter anderem auch am Lotzbeckweg mit einem Zuwachs von 8% zwischen 2019 bis 2020 messen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Corona-Krise zu einer Verlagerung der Verkehrsnutzung weg vom ÖPNV hin zum Auto und Fahrradverkehr geführt hat. Eine Alternative zum Auto in Form eines Lastenrades würde in diesem Fall den Anteil am Radverkehr im Modal-Split zusätzlich steigern.

Aber auch die steigenden Energiepreise, sowie die zunehmende Inflation als auch das 9 €-Ticket sorgten in jüngster Zeit für eine weitere Veränderung im Modal-Split, da vor allem die Preise an Kraftstoffen zugenommen haben. Dies sorgt dafür, dass durch diese Preissignale und das neu eingeführte 9 €-Ticket lieber kostengünstig mit der Bahn oder dem Bus, statt mit dem Auto gefahren wird. Zudem kommen weitere laufende Kosten am Auto, wie bspw. Betriebskosten, die Wartung, Versicherung und Kfz-Steuer, welche vor allem auf Grund der Inflation weiter steigen. Aus diesen Gründen lohnt sich die Anschaffung eines Lastenrads, denn auch wenn die Kosten für die Erstanschaffung zwischen Auto und Lastenrad durchaus vergleichbar sind, sind die laufenden Kosten eines Lastenrads erheblich billiger?? https://www.fahrrad-xxl.de/beratung/lastenfahrrad/auto-vs-lastenfahrrad/. Dies zeigt sich anhand von folgendem Beispiel:
Monatliche Kosten bei 4.000km/Jahr:
Marke/Modell:
VW UP!
Urban Arrow Family
Urban Arrow Tender
Preis:
10.425,00€
5.050,00€
8500,00€
Tank/Akku:
40l
500Wh
501Wh
Leistung:
44 kW
0,25 kW
0,25 kW
Reichweite:
ca. 1.100km
60km 
50km
Preis voll Betankt:
56€
0,14€
0,14€
Preis auf 1.000km
50,10€
2,33€
2,80€
Fixkosten im Monat:
74,00€
13,00€
20,00€
Werkstattkosten im Monat:
ca. 20€
ca. 11€
ca. 16€
Laufende Kosten im Monat:
110,70€
24,77€
36,93€

Im Durchschnitt hat somit ein Lastenrad in etwa vier Mal weniger laufende Kosten im Monat als ein Auto. Durch diese Art der Förderung könnten Bürger also unter anderem auch langfristig finanziell entlastet werden. 

Aus diesem Grund empfiehlt die Verwaltung eine Verlängerung des Förderprojektes von 2 Jahren. Bei demselben Haushalt wie bereits in den Jahren 2020 bis 2022 müssten folgende Haushaltsmittel eingeplant werden:
Jahr:
Haushaltsmittel
2023
20.000€
2024
20.000€
Gesamt
40.000€

einmalig
laufend
Finanzielle Auswirkungen:
     
20.000€
Mittel stehen nicht zur Verfügung
Haushaltsstelle/
Deckungsvorschlag
79140.71800





Beschluss

  1. Der Bau- und Umweltausschuss beschließt die Verlängerung des Förderprograms „Ich Entlaste Lindau“ und empfiehlt den Finanzausschuss die Mittel für zwei Jahre einzuplanen. 

  1. Der Bau- und Umweltausschuss beschließt Abstellmöglichkeiten für Lastenräder zu errichten. 


Anlage

  1. Vereinbarung zur Förderung von Lastenrädern
  2. Evaluierung Förderprojekt: „Ich entlaste Lindau“

Abstimmungsergebnis
Dafür: 11, Dagegen: 2

Dokumente
Evaluierung Förderprogram (.pdf)

Datenstand vom 28.10.2022 11:57 Uhr