Bauantrag: Neubau eines Betriebsleiterwohnhauses mit barrierefreiem Wohnbereich. Neubau einer Maschinen- und Bergehalle Streitelsfinger Straße


Daten angezeigt aus Sitzung:  3. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, 05.07.2021

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Bau- und Umweltausschuss (Stadt Lindau) 3. Sitzung des Bau- und Umweltausschusses 05.07.2021 ö beschließend 7

Sachverhalt

Das Vorhaben sieht den Neubau eines Betriebsleiterwohnhaus mit barrierefreiem Wohnbereich sowie den Neubau einer Maschinen- und Bergehalle auf den Grundstücken Fl.-Nrn. 994/0, 992/0 und 997/0, Gemarkung Reutin, vor. 

Das Wohnhaus für die Familie des Betriebsleiters ist im Westen eingeschossig mit Kellergeschoss, im Osten zweigeschossig mit Satteldach und einer Dachneigung von 23° vorgesehen. Die Fristhöhe beträgt 8,40 m bzw. 5,40 m und die Wandhöhe 6,18 m bzw. 3,17 m. In dem Gebäude sind neben den Wohnräumen auch Nutzflächen des landwirtschaftlichen Betriebes vorgesehen. Die Wohnfläche für Betriebsleiterwohnhaus mit barrierefreiem Wohnbereich beträgt insgesamt ca. 238 m². 

Die Maschinen- und Bergehalle ist mit den Ausmaßen 16 m x 30 m und einer Firsthöhe von 8,81 m sowie einer Wandhöhe von 5,00 m (Satteldach DN 23°) vorgesehen.

Das Vorhaben liegt gemäß dem vom Antragsteller eingereichten Lageplan in zentraler Lage bzw. innerhalb der Flächen, welche sich im Eigentum des Antragstellers befinden. Weitere Flächen befinden sich sowohl auf dem Gebiet der Stadt Lindau (B) als auch in den umliegenden Gemeinden. Es sind zumeist Einzelflächen, hauptsächlich aber aufgegebene Resthöfe. Die Pachtverträge liegen gemäß Aussage des Antragstellers dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) vor und sind Grundlage für die jährlichen Ausgleichzahlungen der EU. Das AELF hat bezüglich der Pacht- und Eigentumsverhältnisse keine Bedenken geäußert. Das geplante Vorhaben befindet sich in zentraler Lage sowohl zu den eigenen, als auch den gepachteten Flächen. Zudem befinden sich seit 1998 bereits die Milchkühe auf der Vorhabenfläche, da bereits damals an der Hofstelle in Streitelsfingen keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr gesehen wurden. Des Weiteren besteht in dieser Lage bereits seit 1994 eine Siloanlage. Der Antragsteller pendelt seitdem zwischen der bestehenden Hofstelle in Streitelsfingen sowie der ca. 900 m (Luftlinie ca. 680 m) entfernten, geplanten Hofstelle auf den Grundstücken Fl.-Nrn. 992/0, 994/0 und 997/0 um die Tiere zu melken und zu versorgen. Zusätzlich übernachten der Antragsteller bzw. die Mitarbeiter des Hofes am Stall, sofern die Tiere extra Bedarf haben (ca. 50 Kalbungen im Jahr / Krankheiten).

An der alten Hofstelle in Streitelsfingen ist nach Aussage des Antragsstellers der Platz für die Landmaschinen und Geräte nicht mehr gegeben. Das Lager für Stroh und Heu ist zu klein und muss dringend vergrößert werden. Das Wohnhaus ist nicht barrierefrei. Das Ziel ist es, künftig den Hof als räumliche Einheit von Boden, Betriebsmittel und Arbeit wiederherzustellen.

Derzeit werden 60 Milchkühe sowie deren weibliche Kälber bis zu einem halben Jahr gehalten. Die weitere Nachzucht ist ausgelagert und findet nicht am Betrieb statt. 
Im Zuge der Aussiedlung der landwirtschaftlichen Hofstelle ist zur Verbesserung des Tierwohls ebenfalls die Errichtung eines Milchviehstalls geplant, welche dem Stadtbauamt als Bauantrag vorliegt (s. TOP 6: Neubau eines landwirtsch. Michviehstalles). 
Durch die komplette Aussiedlung an den neuen Standort verbessert sich nach Angaben des Antragstellers die Situation der Viehhaltung im Einklang mit dem Tierschutzgesetz, es entfällt der derzeitige Pendelverkehr über eine Strecke von ca. 900 m (einfach), Betriebsmittel werden eingespart und die Arbeitseffizienz gesteigert. 

Da zukünftige Vergrößerungen des bestehenden Viehstalls an der geplanten Hofstelle nur in Richtung Süden möglich sind, ist das vorgesehene Wohngebäude sowie die Maschinen- und Bergehalle mit entsprechendem Abstand zum bestehenden Stall geplant. 

Fachliche Bewertung

  1. Kriterien zur Beurteilung nach BauGB

Das Vorhaben liegt im planungsrechtlichen Außenbereich und wird nach § 35 BauGB beurteilt. 

Die Zulässigkeit eines Vorhabens im Außenbereich richtet sich gem. § 35 (1) BauGB u.a. danach, ob öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist, das Vorhaben einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt.

  1. Planerische Beurteilung
Nach § 35 (1) Nr. 1 BauGB sind Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und das Vorhaben einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt.

  1. Prüfung öffentlicher Belange nach § 35 (3) BauGB:

Nr. 1) Flächennutzungsplan:
Der rechtsgültige Flächennutzungsplan der Stadt Lindau stellt für den Planbereich landwirtschaftliche Fläche dar. Damit steht der Flächennutzungsplan dem Vorhaben nicht entgegen.

Nr. 2) Landschaftsplan oder sonstige Planungen, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts:
Der Landschaftsplan stellt für die Flächen landwirtschaftliche Fläche dar und steht dem Vorhaben damit nicht entgegen. 

Der Regionalplan stellt für die Flächen das „Landschaftliche Vorbehaltsgebiet Nr. 22: Moränenhügelland nördlich Lindau (Bodensee) und Bodenseeufer“ dar. Bei der Abwägung mit anderen Nutzungsansprüchen kommt in Landschaftlichen Vorbehaltsgebieten den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege besonderes Gewicht zu. Sie sind jedoch keine Schutzgebiete im Sinne des Naturschutzrechtes und haben auch keine vergleichbare Funktion. Eine ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung ist von den landschaftlichen Vorbehaltsgebieten generell nicht betroffen, d.h. es ergeben sich für die Land- und Forstwirtschaft keine über die bestehenden gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden zusätzlichen Beschränkungen. Der Regionalplan steht dem Vorhaben daher nicht entgegen.

Weitere sonstige Planungen sind nicht bekannt.

Nr. 3) Schädliche Umwelteinwirkungen:
Die Stellungnahme der unteren Immissionsschutzbehörde liegt noch nicht vor.

Nr. 5) Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege (…):
Die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde liegt noch nicht vor.


Die Kriterien § 35 (3) Nrn. 4, 6, 7 und 8 BauGB werden durch das Vorhaben nicht berührt.

Erschließung:
Die verkehrliche Erschließung ist über die Zufahrt auf die Streitelsfinger Straße gesichert. Es sind keine unwirtschaftlichen Aufwendungen notwendig, da die Straße mit einer Breite von ca. 3,80 m bereits besteht. 

Land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb, untergeordneter Teil der Betriebsfläche:
AELF:
Die Stellungnahme zu der aktuellen Planung liegt noch nicht vor. Zu einem überholten Planstand liegt bereits eine Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) vom 01.10.2018 vor. Gemäß dieser bewirtschaftet der Antragsteller mit 45,37 ha landwirtschaftliche Fläche (9,37 ha Silomais, 0,85 ha Chinaschilf und 35,15 ha Dauergrünland) sowie durchschnittlich 55 Milchkühe und deren Nachzucht (46) einen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieb im Sinne der §§ 201 und 35 Abs. 1, Nr. 1 BauGB. Die Maschinenhalle an der alten Hofstelle wird veräußert und steht dem landwirtschaftlichen Betrieb nach Fertigstellung der Maßnahmen nicht mehr zur Verfügung. Die Halle in der vorliegenden Planung ist zweckmäßig und erfüllt aus der fachlichen Sicht die Voraussetzungen zur Privilegierung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. 

  1. Weitere Anforderungen

Die in § 35 (1) BauGB genannten Vorhaben sind im Außenbereich bevorzugt („privilegiert“) zulässig. Auch für Vorhaben nach § 35 (1) BauGB gilt jedoch nach Abs. 5 S. 1 das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs.

Dauerhaftigkeit
Bei dem landwirtschaftlichen Betrieb muss es sich um ein auf Dauer gedachtes und auch lebensfähiges Unternehmen handeln, welches auf eine lange, im Regelfall für mehrere Generationen bemessene Dauer angelegt ist. Der Betrieb muss in der Regel auf Ertragserzielung und Gewinnerzielungsabsicht ausgerichtet sein.

Der Betrieb besteht nach Aussagen des Antragstellers bereits seit über 100 Jahren. Die Nachfolge soll durch den 21-jährigen Sohn des Antragstellers erfolgen, welcher derzeit bereits auf dem Hof mithilft. Der Sohn hat bereits eine landwirtschaftliche Ausbildung eingeschlagen und wird mittelfristig den Hof übernehmen. Der Antragsteller selbst ist Landwirtschaftsmeister, wird nach eigenen Aussagen noch ca. 8 Jahre bis zum Altenteil arbeiten und bildet regelmäßig Landwirte auf seinem Hof aus. Derzeit wird die Arbeit auf dem Hof von dem Antragsteller als Betriebsleiter selbst, einem Auszubildenden sowie dem Sohn erledigt. Das AELF hat bezüglich der Dauerhaftigkeit und Gewinnerzielungsabsichten keine Bedenken. Auch aus Sicht der Bauordnung und Bauverwaltung ist die Dauerhaftigkeit sowie die Gewinnerzielungsabsicht gegeben.

Dienen
Für die Zulässigkeit eines nach § 35 (1) Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhabens kommt es weiterhin darauf an, dass es dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb „dient“. Hierbei ist auf den Grundgedanken des § 35 BauGB abzustellen, nach dem im Außenbereich das Bauen grundsätzlich unterbleiben soll. Die Zulässigkeit des Vorhabens hängt daher nicht allein von der Behauptung des Bauherrn ab, die Benutzung des Vorhabens erleichtere oder fördere die Bewirtschaftung des land- oder forstwirtschaftlichen Besitzes. Ein Vorhaben im Außenbereich ist auch nicht allein deshalb im Sinn von § 35 (1) Nr. 1 BauGB privilegiert, weil der Bauherr im Haupt- oder Nebenberuf Landwirt ist. Es „dient“ nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn ein „vernünftiger“ Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs ein Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Das Merkmal des Dienens ist zu verneinen, wenn das Vorhaben zwar nach seinem Verwendungszweck grundsätzlich gerechtfertigt ist, nach seiner Ausgestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung aber nicht durch diesen Verwendungszweck geprägt wird (Bay. VHG vom 12. August 2016 – 15 ZB 15.696).

Beurteilung „Dienen“
Die vorgesehene Lage der Aussiedlung ist grundsätzlich zu befürworten, da sie sich in zentraler Lage der vom Antragsteller bewirtschafteten Flächen befindet. Auch befinden sich dort bereits der Viehstall sowie eine Siloanlage. Damit ist eine entsprechende, landwirtschaftliche Prägung bereits vorhanden. 

Der Aspekt des „Dienens“ schließt zudem die Errichtung eines Hauses mit überdurchschnittlich großer Wohnfläche aus. Um zu bestimmen, wann ein Bauvorhaben vom Umfang her noch angemessen ist, bieten sich grundsätzlich die Wohnungsgrößenberechnungen von § 39 II WoBauG an. Gemäß § 39 II WoBauG sind für Familienheime mit zwei Wohnungen maximal 200 m2 anzunehmen, wovon keine der Wohnungen die Wohnfläche von 130 m2 übersteigen darf. Überschreitungen sind möglich, wenn die Mehrfläche zu einer angemessenen Unterbringung eines Haushalts mit mehr als vier Personen erforderlich ist.

Das vorgesehene Betriebsleiterwohnhaus mit barrierefreiem Wohnbereich für die körperbehinderte Tochter des Betriebsleiters hat eine Wohnfläche von ca. 238 m².
Unter Berücksichtigung der beruflichen und persönlichen Aspekte des Antragsstellers kann die angedachte Wohnfläche als noch angemessen erachtet werden und entspricht dem Grundsatz, dass ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs ein Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde.

Das Vorhaben ist Teil des Gesamtkonzeptes der Aussiedlung des landwirtschaftlichen Betriebs. Da das Betriebsleiterwohnhaus dem landwirtschaftlichen Betrieb dient, ist dieses erst zulässig, wenn der landwirtschaftliche Betrieb mit den geplanten Wirtschaftsgebäuden (Milchviehstall und Maschinenhalle) an dem neuen Standort angesiedelt ist.

Hieraus ergibt sich folgende Bedingung zur Baugenehmigung:
Die Baugenehmigung zur Errichtung des Betriebsleiterwohnhauses wird dann erteilt, wenn die Aussiedlung auf Grundlage des Gesamtkonzeptes erfolgt und der Bau der Wirtschaftsgebäude bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ist.

Zulässigkeit nach BauGB

Das Vorhaben ist nach § 35 (1) Nr. 1 BauGB unter Vorbehalt der noch ausstehenden Stellungnahmen der unteren Naturschutzbehörde, der unteren Immissionsschutzbehörde und des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Bedingung zulässig.

Finanzielle Auswirkungen


einmalig
laufend
Finanzielle Auswirkungen:
     
     
Mittel stehen (nicht) zur Verfügung
Haushaltsstelle/
Deckungsvorschlag
   





Diskussionsverlauf

Der Ausschuss verzichtet auf den Vortrag.

Beschluss

Der Bau- und Umweltausschuss stimmt der Genehmigung des Bauvorhabens unter Vorbehalt der noch ausstehenden Stellungnahmen der unteren Naturschutzbehörde, der unteren Immissionsschutzbehörde und des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der formulierten Bedingung nach § 35 Abs.1 Nr.1 BauGB zu.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 13, Dagegen: 0

Datenstand vom 16.09.2021 14:34 Uhr